PlattenkritikenPressfrisch

KHEMMIS – Deceiver

~ 2021 (Nuclear Blast) – Stil: Heavy Metal/Doom ~


Das in Denver, Colorado, beheimatete Heavy Metal-/Doom-Trio KHEMMIS hat seit 2012 nun bereits drei Alben mit Produzent Dave Otero hinter dem Board veröffentlicht, und es ist eine Beziehung, die zweifellos ganz prächtig funktioniert, denn auch ´Deceiver´ hat einen massiven Sound mit den fetten, aber klaren Gitarrenklängen von Ben Hutcherson und Phil Pendergast und einer weiteren herausragenden Leistung von Schlagzeuger Zach Coleman. Auch anno 2021 lässt sich die Band daher sehr schnell als eine Einheit identifizieren, die erneut ungemein wertvolleres, persönlicheres Songcraft präsentiert, weit entfernt von trendigem Retroismus oder gar massentauglicher Überpoliertheit.

KHEMMIS haben all die Jahre damit verbracht, ihren eigenen Rhythmus und ihre eigene Stimme zu finden, und es ist eine wahre Freude, der Band bei der weiteren Vervollkommnung ihres Handwerks zuzuhören, was vor allem die Enthüllung des klassischen und modernen musikalischen Interesses aufzeigt, das sie bekanntermaßen in jedes ihrer Stücke packen.

Ihr vierter Longplayer verfolgt nun erstmals auch thematisch einen besonderen Weg, da die Band über die unzähligen Auswirkungen der Pandemie nachdenkt, wobei die Eckpfeiler des Doom-Genres – Misstrauen, Angst, Isolation und Depression – mit einer bewusst erdrückenden Härte sowohl musikalisch als auch textlich zur Schau gestellt werden, was den Songs ein hohes Maß an Tiefe und Unmittelbarkeit verleiht.

 

 

Schon ´Living Pyre´, die düstere und monolithisch-schwere erste Singleauskopplung, zeigte eine ungemein fokussierte und ernsthafte Band, die sich nicht damit zufriedengibt, nur in die mystische Leere zu blicken, wie so oft beim Modus Operandi des Doom. Pendergasts Gesangsdarbietung vermittelt hierauf gleichermaßen Traurigkeit und Schönheit, bevor Hutcherson sich ihm anschließt, um ein ergreifendes Duett zu bilden.

Auch ´Shroud Of Lethe´ balanciert eine schwerfällige Open-Akkord-Struktur voller mitreißender Vocals mit einem späten Song-Breakdown, der einen effektiven Kontrapunkt zum klagenden Kern des Songs bildet – mit einem kantigen Doom-Riff, das von beunruhigenden Gitarrenharmonien abgesetzt und Hutchersons ergreifenden Death-Growls unterstrichen wird.

Auf einem Album, das die Dinge im Allgemeinen erdrückend schwer hält, ist ´The Astral Road´ hingegen ein solider Midtempo-Song an klassischer Metal-Aggression, der jedoch erneut sämtliche Stärken von KHEMMIS verdeutlicht: die einprägsamen Gesangsmelodien voller perfekt ausgeführter Harmonien, die fleischigen Hooks sowie das perfekte Timing.

Aber auch in produktionstechnischer Sicht ist ´Deceiver´ ein durchschlagender Erfolg. Vom Ohrwurm-Refrain von ´Shroud Of Lethe´ bis hin zur progressiven Erhabenheit des Openers ´Avernal Gate´ bietet der massive, aufgeräumte Mix, frei von überflüssigen Overdubs, eine ungeheure Tiefe an Klarheit. Die Rhythmussektion bietet dabei eine riesige, druckvolle Low-End-Leinwand, und der perfekt eingespielte Gesang wurde so weit wie nur möglich nach vorne geschoben, damit der Hörer den ergreifenden und gut durchdachten lyrischen Inhalt leicht entschlüsseln kann.

´Deceiver´ präsentiert keine ausgefransten Enden oder gar experimentelle Peitschen ins Neuland und ist wiederum eine Blut und Lunge über die dicke Hook-Maschine spuckende Meisterleistung!

(8,5 Punkte)


(VÖ: 19.11.2021)