~ 2021 (Hot Action Records) – Stil: Punk/Rock~
Nochmal gut gegangen. DIE ÄRZTE veröffentlichen noch vor der Bundestagswahl und den eigentlich anstehenden Tourneen schleunigst ihr neuestes Studioalbum ´Dunkel´.
Somit stünden 19 Songs plus die 18 Songs des Vorgängers ´Hell´ den Live-Shows zur Auswahl, eine geradezu übermächtige Anzahl an frischen Liedern, wären die Auftritte nicht unterdessen erneut abgesagt worden. Doch mit der allerletzten dieser neuen Kompositionen, ´OUR BASS PLAYER HATES THIS SONG´, starten DIE ÄRZTE immerhin gerade noch rechtzeitig ihren löblichen Aufruf, sich an der Bundestagswahl zu beteiligen. Nur dumm, dass „die beste Band der Welt“ aus Berlin stammt und gerade dieses Bundesland einmal mehr seine Untauglichkeit bereits bei der Durchführung der aktuellen Bundestagswahl beweisen konnte. Zudem schießen die Pop-Punker heutzutage gegen das eigene, einstige Establishment, indem sie gleichfalls aufrufen, nicht immer gegen das System zu hetzen. Wer in den „Tagesthemen“ auftritt vergisst wohl seine Wurzeln und steht anscheinend mittlerweile über dem Rest.
Was bleibt ist eine eher melancholische Vorstellung der ÄRZTE, mit durchgehend schönklingenden Melodien und ihrem letzten großen Trumpf im Ärmel: einem schnörkellosen Wortwitz für die Ü45-Generation.
Immerhin kommt uns zu Ohren, dass DIE ÄRZTE sich tatsächlich immer noch „als Punker“ sehen und „aus Prinzip schon gegen Krieg“ sind. Mit KFM liefern sie daher gleich zu Beginn und in aller Kürze den „Soundtrack für die Bundesrepublik“ ab, eigentlich die beste Umschreibung für ihre eigene Musik. Weil: diese Lieder sind wahrlich zum „Ficken wie die Karnickel“ gemacht, nein also, es ist einfach „Karnickelfickmusik“. Dazu bewegen sich Musiker und Zuhörer ja auch gerne, also zum Ficken, oder nein, manche lieber zu den Tönen.
Zweifellos sind bei BelaFarinRod die Liebeslieder nicht ausgestorben. ´ANASTASIA´ rät zum „Frauen analog“ abschleppen, während es zur Westernzeit am ´NACHMITTAG´ zu einem tödlichen Liebesdrama kommen kann. Der intensive Rückblick ´DANACH` entpuppt sich gar als Highlight in voller Melancholie.
Zum fröhlichen Beat singen DIE ÄRZTE heuer über das ´DUNKEL´, über das Schwarz seit der Geburt in allen Lebenslagen, zum strammen Disco-Beat über das ´SCHWEIGEN´. Den französischen Pfiff für Depressionen in allen Phasen begrüßt ´TRISTESSE´ mit Bonjour: „Ich habe keine Freunde, ich wüsste nicht warum. Man leidet einsam besser als vor Laienpublikum.“ Den besonderen Pfiff bringt hingegen der Gastauftritt von Rapperin Ebow in das ´KERNGESCHÄFT´: „Na und? Na und? Musik ist älter als Kapitalismus.“ Dass allerdings das Ansehen der ´MENSCHEN´ im Allgemeinen eher sinkt, belegt nicht erst die Schlussfolgerung aus dem kapitalistischen System: „Die ganze Menschheit sollte mal zum Psychiater“, denn „Menschen sind für Menschen nicht gemacht“.
Dass DIE ÄRZTE derzeit zu allem Nein sagen, ist nicht bekannt, aber mit einem ollen Riff singen sie richtig ´ANTI´: „Wenn das meine Wahl ist, bin ich gegen alles.“ Demgegenüber hat ihr ´WISSEN´ ein TOTE HOSEN-ähnliches Riff zu bieten und zum altbekannten Reim „Doof bleibt doof, da helfen keine Pill’n“ geht das Trio standesgemäß gegen Nazis vor und klingt wie altbekannter Brit Rock auf Ska. Allein der Kinderchor am Ende rettet das Trio aus der Sackgasse.
In dieser stecken sie – „Oh-eh-oh – Oh-eh-oh – Oh-eh-oh“ – unnatürlich gewollt geschrien – mit einer ebenfalls irgendwie bekannten Melodie in ´SCHREI´ fest. ´KRAFT´ holt derweil zur Warnung vor der Macht der Worte wie Graf Zahl ein RAMMSTEIN-R heraus: „Viel zu spät begreifst du: Lügen haben Konsequenzen“ und „Worte haben Krrraft.“ Ein weiteres altes Brit Rock-Riff zockt ´BESSER´ mit dem Versprechen zur Besserung: „Beim nächsten Mal wird alles gut. Beim nächsten Mal geb‘ ich mir Mühe.“
Demzufolge käme der Slogan von ´NOISE` momentan im richtigen Moment: „Es wird Zeit für etwas Neues.“ Denn Songs wie ´ERHABEN´ besitzen zwar den gewissen Funken, aber welche wie ´EINSCHLAG´ erhöhen auf diesem 14. Studioalbum zwar fröhlich groovend die Anzahl der Kompositionen, aber nicht die der Klassiker.
Für eine Lobrede auf die Demokratie sind DIE ÄRZTE anno 2021 aber immer noch zu haben:
„Sie ist vielleicht die mächtigste Idee der Galaxie, gebor’n in Griechenland. Millionen gibt sie Hoffnung. Diktatoren fürchten sie, der Grund liegt auf der Hand. Doch es gibt sie nicht geschenkt und einfach ist sie nie. Sie wird überall bedrängt. Sie ist das Beste, was wir haben, aber längst noch nicht perfekt. Nein, weit davon entfernt. Sie verlangt viel Arbeit, ist ein ewiges Projekt.“
(7,5 Punkte)
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