Redebedarf

EXTRABREIT

Äußerst gutaussehende Himmelhunde

~ Interview mit Stefan Kleinkrieg ~


EXTRABREIT aus Hagen schlagen nach Jahren wieder so richtig zu. ´Auf Ex´ kann man zack auf zack einiges zackig trinken und dabei das neueste Album hören. Wenn man dabei noch Stefan Kleinkrieg, Gitarrist der BREITEN und auch als ST. KLEINKRIEG bekannt, in einen Plausch verwickeln kann, macht das Leben großen Spaß.

Erst einmal: Glückwunsch zum neuen Album, das man ja fast als Comeback bezeichnen kann, da zwölf Jahre seit dem letzten vergangen sind. Haben Euch in all den Jahren die Konzerte und Weihnachtstourneen gereicht, oder gar auch im Einklang mit Privat und Beruf ausgelastet?

ST. KLEINKRIEG: Seit wir 2002 den Spielbetrieb wieder aufgenommen haben, stellten wir fest, dass es ein großer Fehler war, die Band auf so leichtfertige Weise zu liquidieren. Natürlich war es notwendig, auch neben der Band noch etwas dazuzuverdienen. Die Goldgräberzeiten der 80er Jahre waren schließlich lange vorbei.

Muss ein extraBREITER nicht ständig auf Tour sein, um zu überleben?

Ja, und zwar rund um die Uhr! 🙂

Oder habt Ihr schon lange vor anderen Gruppen erkannt, dass eigentlich allein noch Merchandising und Tourneen Geld in die Bandkasse spült?

Ich will es mal schlicht ausdrücken, es reicht gerade und manchmal nicht!

 

 

Doch jetzt ist erst einmal nichts mehr mit Tour- und Konzert-Freuden. Brauchtet ihr also den Lockdown und die Absage aller Konzerte, damit die Jungs aus dem Pott mal wieder in die Pötte kommen, ein neues Album aufzunehmen?

Die Idee, ein Album nach dem letzten – ´Neues von Hiob´ – aufzunehmen, lag immer auf dem Tisch. Wir hatten auch angefangen Lieder zu schreiben und sie auch mit der Band schon zu spielen, siehe ´War das schon alles´. Aber die Masse der Demos hatte uns nicht wirklich überzeugt. Zudem kam hinzu, dass wir in der Industrie keinerlei Ansprechpartner mehr kannten.

Und dieses neumodische Crowdfunding erschien uns irgendwie unwürdig, auch war unsere eigene Finanzdecke, wie schon oben geschildert, ziemlich löcherig. Dann passierte, was ich jetzt schon öfters erzählt habe, ein Mirakel!

Der ehemalige Chef unseres damaligen Musikverlages besuchte unser alljährliches Markthallenkonzert (in Hamburg – die Red.) und sprach uns darauf an, doch mal wieder ein Album zu machen. In der Zwischenzeit hatte unser Live-Mischer, der seinerzeit die Demos betreute, eine Produktionsfirma gegründet und sich unserer Song-Rohdiamanten angenommen. Wir haben dann alle dagesessen und mit Tränen in den Augen unser Glück gepriesen.

Lange Rede gar kein Sinn. Michael Kramer, eben jener Verleger, hörte sich daraufhin das Material mit uns an und besorgte uns einen Deal und wir fingen im Corona-Frühjahr 2020 mit den Aufnahmen hier in Hagen an. Das alles dann im erträglichen Turbodurchlauf.

Wie lange habt Ihr dann an dem Album herumgetüftelt?

Die Aufnahmen waren, da die Songs ja standen, relativ schnell gemacht.

Gab es auch Songs, die Ihr über die Jahre bereits gesammelt hattet oder sind alle Lieder brandneu?

Einige Nummern dümpelten durchaus schon ein paar Jahre auf irgendeiner Festplatte rum.

Die musikalische Ausrichtung war aber von Beginn an klar umrissen, oder habt Ihr auch mal mit dem Gedanken gespielt, wieder mehr frühen Punk oder wie Mitte der Achtzigerjahre etwas New Wave einzubauen? All diese Stilarten erfahren ja andauernd ihr Revival.

Wir wollten ein EXTRABREIT-Album von 2020 machen. Das hat ja eh schon eine ganz eigene Ausrichtung.

Um einmal im Studio entspannter zu sein, haben wir eigentlich zum ersten Mal einen Produzenten, bzw. ein Produktionsteam dazu genommen. Das waren neben unserem Live-Mixer Michael Danielak, noch Franky Kühnlein. Ein äußerst talentierter junger Mann.

Wie kommt man auf die Idee, sich selbst als „Die Fressen aus dem Pott“ zu betiteln?

Ein Blick in den Spiegel? Nein, hier ist die Sprache schon derbe und „Der hat ´ne geile Fresse“ ist im Ruhrpott durchaus auch ein Kompliment.

Wie würdet Ihr denn ansonsten Euch selbst umschreiben, äußerlich im Einzelnen und als Gemeinschaft?

Ich weiß nicht? Ältere Herren mit einem in die Jahre gekommenen Modestil? Ich finde da keine wirkliche Antwort drauf. Vielleicht: Äußerst gutaussehende Himmelhunde.

Ist für Euch das ganze Leben ein großer Trip, wie in ´Vorwärts durch die Zeit´?

Nein, es gibt natürlich auch die Qual des Banalen, wie für jeden. Wir nehmen nur die Herausforderungen des „Schicksalsschweins“, nur in Zwangslagen an.

Also die Zeiten, wo wir wie die wilden Hunnen unser Fleisch unter dem Sattel gar geritten haben, sind lange vorbei.

Mann, bis auf „Bassbaby“ sind wir alle in den 60gern!

Ich finde es brillant, wenn Ihr Geschichten über Personen erzählt, wie abermals von Karl Heinz Jürgen und seinen Kumpanen in ´Gib mir mehr davon´. Wie kommt man darauf, oder ist da ein Stückchen Wahrheit und Realität dabei?

Diese Figuren entspringen dem Extrabreit-Kosmos und sind zum Teil real, zum Teil Weiterentwicklungen von realen Personen.

Auch die Stories vom Don, der Elvira oder dem völlig legendären Joachim waren solch coole Lieder. Wieso musste eigentlich Joachim auch noch leider härter werden? Leider wird dadurch bewusst in den Mittelpunkt der Feststellung gerückt.

Das entsprang einer Redewendung jener Zeit „leider geil!“, „find ich leider gut!“ und so.

Heute habt Ihr die liebe ´Mary Jane´ …

Mary Jane ist ein amerikanischer Slang-Ausdruck für Marihuana. Das erklärt den Text. Wenn man es weiß, entzaubert es ihn auch.

Nagt an Euch bereits die Gewissheit, dass das Leben nicht endlich ist, wenn ich Zeilen höre wie „Drum nimm dir diesen Tag hier, als ob´s der letzte wär“ oder „Wir werden nicht in Schönheit sterben“?

Das Leben ist endlich. Keiner weiß das besser als wir. Aus dem Personalstamm der Breiten sind schon einige nicht mehr auf diesem Planeten und wir sind sicherlich dem Ende näher als dem Anfang. Aber solange es noch geht, solange es Spaß macht und solange Leute uns noch hören wollen, tanzen wir gerne weiter auf dem Vulkan. Also, warum aufhören?

Niemals. Also lieber Songs wie ´War das schon alles´ und ´Seine Majestät der Tod´ spielen! Bewusst?

Trotzige Lebenseinstellung. Das ist nun mal der Weg, den wir alle zu gehen haben. Mit oder ohne Erfolg oder Geld! Nenn es wie du willst. Einmal ist es vorbei!

Und Niedergeschlagenheit kommt mit ´Sonderbar´ und ´Donnerstag´ aber auch deutlich heraus?!

Das kann ich so nicht unterstreichen. Beide Lieder haben ja nichts klagendes, sondern sind Beschreibungen von realen, oder subjektiven Situationen.

Also weiter auf dem großer Trip!

Zum Teil war die Zeit mit der Band durchaus tripartig. Im High, wie auch im Down.

Letztlich aber möchte ich und ich glaube auch meine Kollegen, nichts missen. Alles hat dazu geführt, dass wir unsere Sache immer noch machen können und das mit großem Vergnügen.

Gibt es Erinnerungen aus jedem Jahrzehnt, die Euch besonders in Erinnerung geblieben sind?

Natürlich, wie bei jedem. Was glaubst du denn?

Und? War früher alles besser?

Früher war zunächst mal alles früher. Wenn man eine Sache mit Freude und Erfolg zum ersten Mal macht, ist es natürlich schwer dieses Gefühl beim wiederholten Mal zu toppen.

Ich sage mal so, es gab da ein paar Sachen, die könnte man sich heute nicht mehr vorstellen und die waren definitiv besser als ähnliche Heute. Die möchte ich aber für mich behalten.

´War das schon alles´ könnte als Euer Abgesang interpretiert werden, aber ans Aufhören denkt Ihr ja wohl noch lange nicht, oder?

Den Schlussakkord lassen wir mal die Biologie spielen. Im Moment würden wir gerne noch ein paar Extrabreite-Runden drehen.

Aber bitte doch. Immer wieder ´Auf Ex´!

 

 

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Pics: Daniel Pilar, Patrick-Bloemer (Titel)