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EXTRABREIT – Auf EX!

~ 2020 (Premium Records / Soulfood) – Stil: Rock ~


Sie leben nach wie vor: EXTRABREIT, die Legende aus deutschen Landen. Ein Name wie Donnerhall. Ein Name, der in der Neuen Deutschen Welle großen Ruhm erlangte, aber ohnehin seit 1978 bis heute abseits jeglicher Strömung populärer Musik seinen Mann im Rock, in und außerhalb von Hagen steht. Extra und breit.

Sänger Kai Havaii hat sich in all den Jahren nebenbei zum Verfasser von Kriminalromanen entwickelt, Schlagzeuger Rolf Möller ist Veranstalter, Bassist Lars Larsson seit 2002 schlicht das junge Küken der Herrschaften und für das gute Aussehen auf der Bühne zuständig, während Gitarrist Stefan Kleinkrieg immer der Rocker, inklusive Solo-Alben, geblieben ist, neben und auf der Bühne.

Natürlich erwartet niemand auf dem 13. Studioalbum, das am 13. November mit 13 Songs (und drei weiteren in der Limited-Edition) erscheint, dem tatsächlich ersten Werk seit 13 Jahren, sorry, nach nur 12 Jahren, keine sensationellen Lieder in der Tradition von ´110´ oder ´Polizisten´, die jede Band nur einmal in ihrem Leben schreibt, sondern deutsche Rock-Songs, die von ihrem lockeren Mundwerk leben und in denen Wortfolgen dermaßen betören, dass sie sich zum geflügelten Wortschatz entwickeln könnten. Wichtig ist, dass sich EXTRABREIT selbst darstellen und von Heldentaten berichten, wenn „am Horizont die Sterne stehn“, die sie beim Bummeln im „Handumdrehen pflücken“ (´Vorwärts durch die Zeit´) und wenn sie wieder einmal „durchs Ruhrgebiet auf ultraschnellen Schienen“ fahren (´Die Fressen aus dem Pott´). Aus eben diesem Grunde fühlen wir uns alle ´Auf Ex!´ wieder jung in ´Europa´ anno 1983.

Gut abgehangen, sind die BREITEN, weiß Gott, nicht mehr die Jüngsten und sich dieser Tatsache bewusst. Kai Havaii bringt diesen Umstand durchaus des Öfteren ins Spiel, sei es in ´Vorwärts durch die Zeit´ („Drum nimm dir diesen Tag hier, als ob´s der letzte wär“) oder ´Seine Majestät der Tod´ („Er bricht mir mein Herz entzwei, und holt mich doch einst heim“). Die Kompositionen, etwa ´Robotermädchen´, sind frisch und völlig klassisch im flotten Band-Stil gehalten. Dass sie dabei weiterhin den Stimmungsschwankungen ausgesetzt sind, zeigt sich in ´Sonderbar´ („Am Morgen bin ich noch ganz oben, und mittags haut es auch noch hin, doch abends frisst mich dann die Katze“, „Mal ganz unten, mal ein Star“). Ob sie sich hingegen in ´Winter´ als Visionäre erweisen, wird die Zeit zeigen („Liebling, die Welt, wie wir sie kennen, sie wird brennen bis zur Glut“). Immerhin redet Kai wieder seine Liebste an.

Und Karl Heinz Jürgen ist auch erneut im Spiel. Der hatte schon 1980 „15 Jahre malocht“, während „ihn seine Mutter dabei bekocht“, denn „Vater ist schon lange verloren gegangen, der hat sich im Treppenhaus aufgehangen“ (´Junge, wir können so heiß sein´). 1991 fuhr Karl nach Amsterdam (´Der letzte Schliff´), „machte schnell was klar“, „Horst verkaufte seine Flying V“, “ Sylvie fand heraus, dass Smack ihr alle Ängste nahm“ und „Jeanny’s Bruder in der Tiefgarage hing“. Jetzt, im Jahre 2020, ist Karl Heinz Jürgen „schon lange tot“ (´Gib mir mehr davon´), „Jeannies Bruder auch schon ein paar Jahre“ und wir erleben eine Fortsetzung, ohne musikalische Wiederholung.

Waren es in einem der letzten großen Bandklassikerwerke aus 1991, ´Wer Böses denkt, soll endlich schweigen´, gleichsam die Geschichten von Persönlichkeiten wie dem Don, der Elvira oder dem völlig legendären Joachim, der leider (!) härter werden musste, die für Begeisterung sorgten und auf ewig im Gedächtnis bleiben, ist es heutzutage außerdem die liebe ´Mary Jane´.

So entstehen wahre Sternstunden der BREITEN.

Weil der ´Donnerstag´ in natura nicht der Release-Tag von ´Auf Ex!´ ist, erheben wir ihn eigenhändig zum EXTRABREIT-Tag. Denn wir visieren schließlich alle nur eines an, für uns und die EXTRABREITEN: „Wir werden nicht in Schönheit sterben, und diese auch niemals vererben“ (´Die Fressen aus dem Pott´).

Bekanntermaßen sind die ewig BREITEN schließlich: „die Fressen aus dem Pott“. Aber halt, ´War das schon alles´? Ganz bestimmt nicht: „War das schon alles, was für mich vorgesehen war, ich kann das gar nicht glauben, dass das schon alles war. Guck doch mal hinten, ganz hinten im Regal, da muss doch noch was sein, da ist bestimmt noch was da.“ Garantiert! Auf viele weitere Jahre. Auf Ex! TRABREIT!

(8 Punkte)

 

 

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