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Die CORONA-Tagebücher

Ein Corona-Virus bestimmt derzeit das Leben, den Tag jedes Einzelnen sowie die Nachrichten rund um den Globus. In unseren CORONA-Tagebüchern lassen wir Musiker oder Szene-Volk zu Wort kommen. Heute:


Holger Geinitz, Musiker, REBELL 8, GOM Records, Strasbourg:

Also mal kurz ein paar Gedanken zusammen geschrieben: Der Virus hat mich persönlich mit meiner Familie und meinem Job doppelt getroffen. Meine Tochter ist Krankenschwesterschülerin im dritten Lehrjahr und hat demnächst Vorexamen, Sie arbeitet jetzt schon in ihrer Klinik in einem Dauerstress und ich halte ein bis zweimal die Woche die Luft an, bis Sie mir Entwarnung gibt und nicht infiziert ist. Mein Job liegt momentan brach und ich habe zum Glück eine Community hinter mir, die mir ihr Vertrauen entgegen bringt und Pre-Ordering mit Pre-Payment akzeptiert und mich so unterstützt.

Nebenbei haben wir unser erstes umsatzstärkstes Festival im April verloren und, na ja, ich bin ja seit jetzt zehn Tagen in Ausgangssperre. Da ich von Frankreich aus preislich keine günstige Versandoption habe, muss ich von Deutschland verschicken. Wir haben auch a) einen neuen Release zum 25.04 (Termin war das „Keep It True“ Festival) für die neue SIREN und noch ein Tribut-Shirt für meinen im Dezember verstorbenen Freund Martjo von VORTEX gemacht, dass jetzt hier bereits eingetroffen ist. Ich hoffe, ich werde diese Krise überleben, mit meinem Job, und kann mich momentan auf mein Solo-Album konzentrieren. Ich habe mir vor der Krise noch ein kleines Tonstudio in meinem Haus eingerichtet. Meine Frau kann ebenfalls Homeoffice machen und es ist eigentlich ganz gut und wir genießen die Zeit miteinander. Highlights sind Besuche in der Apotheke oder der Supermarkteinkauf momentan, denn da kommen wir auch mal raus Wir haben ein Haus mit Grundstück und können so auch viel Zeit draußen verbringen Musik höre ich momentan kaum, da ich gerade eine Sonderliste mit Vinyl erstelle, das ich zum „Keep It True“ gekauft habe und nirgends aufgelistet ist. Platten waschen und Keller neu gestalten, Gartenarbeit, langweilig ist uns nicht. Meine Einschätzung: Es wird kein normales Leben bis Juni minimum möglich sein und, na ja, ich spare mir Schuldzuweisungen und hoffe vielmehr, dass die Menschheit vielleicht gelernt hat, dass es mit Rücksichtnahme doch schneller und besser gehen kann….So long Holger

 


Thomas Buchta, Illustrator, Krefeld:

ACHTUNG!

Wer heute noch auf KLOPAPIER stößt, bitte auf jeden Fall den Inhalt kontrollieren!
Da sind meist nur die äußeren Lagen wirklich Klopapier, innen drin verstecken sich dann meist nur so wertlose Sachen wie Geldscheine oder Aktien.

Wie in den Krimis und den Geldkoffern.

Kennt man ja….

 

 

 

 

 


Nicole Vogt:

Als Teilzeit-Jobberin in einer Bäckerei hat sich beruflich bei mir so ziemlich alles verändert. Kunden hinter Absperrbändern und Spuckschutz-Planen bedienen, Hysterie, Lagerkoller-Launen und totale Ignoranz bekämpfen, gehört nun zu den alltäglichen Aufgaben.

Als Mitveranstalterin eines Open Air Festivals und weiteren Veranstaltungen, bangen wir zudem nun um unser zweites Standbein. Aber viele Dinge sehe ich auch sehr positiv. Für unsere Umwelt z.B. oder das alle mal aus dem Hamsterrad raus müssen, in dem sie sonst stecken.
Unser Festival ist das „Rhön Rock Open Air“ in Hünfeld-Oberfeld und das liegt mitten in der hessischen Rhön, ca. 15 km von Fulda entfernt. Es findet (vermutlich☝️) vom 13.-16.08.2020 statt und wäre damit unser viertes Open Air in Folge. Wir wissen natürlich nicht, ob es in diesem Jahr stattfinden kann. Eine Prognose über einen Zeitraum von fünf Monaten abzugeben, wäre spekulativ. Dies ist bislang unser Billing:
 


… und Menschen, die schon immer wichtig waren und heute als auch morgen zum Wohle aller wichtig bleiben:

 

Marc Flüchter, Krankenpfleger, Wattenscheid:

Also, ich bin Krankenpfleger, auf einer Dialysestation, im Bereich Bauchfelldialyse. Was hat sich verändert? Meine halbe Klinik, eine Uniklinik im Ruhrgebiet, wurde zur Coronaklinik umgebaut. Es gibt nicht mehr viele andere Fachbereiche. Man arbeitet nur noch mit Mundschutz auf der Station, auch wenn die Patienten nicht infiziert sind. Man merkt immer mehr, dass viele Panik schieben und einfach nur noch dumm reagieren. Statt das zu machen, was sie sollen, laufen sie, machen Dinge, die sie nie so machen würden.

Außerdem bin ich, wie – so manch andere – jetzt systemrelevant. Das heißt, mein Vorstand schreibt mir quasi vor, was ich zu tun und zu lassen hab. Wobei das meiste ja sowieso schon Standard ist. Was mich sehr ärgert ist, dass die Wertschätzung meiner Meinung nach nicht so ist, wie sie sein sollte.

Folgendes… vor 2 Jahren haben wir gestreikt, damit wir mehr Personal und mehr Geld bekommen. Wir sind von den Oberen beschimpft worden, das wegen uns die Klinik pleite geht und sogar Menschen sterben können. Unglaublich sowas… Und jetzt? Schön, dass sie da sind. Bitte achten sie auf sich bla…bla..bla. Und was mich jetzt noch mehr ärgert, dass das Robert-Koch-Institut für die Pflegenden und Ärzte die Grenzen herunter gesetzt hat. Soll heißen…wenn ich Corona-Kontaktperson bin, und keine Symptome habe, soll ich weiter arbeiten, nur halt mit Mundschutz.

Jede „normale“ Person soll 14 Tage zu Hause bleiben und Abstriche bekommen. Wir nicht. Und ich finde, das zeigt auch die Wertschätzung der Oberen. Und das macht mich traurig. Wir sind nur Kanonenfutter. Und warum? Weil jahrelang Stellen gestrichen wurden und gespart wurde, am falschen Ende. Und das ist das, was uns Pflegende sehr trifft. Da hilft auch kein Klatschen und Singen. Versteh mich bitte nicht falsch, es ist ein schönes Zeichen, aber ich bin da auch ehrlich…es nützt mir nichts. Und ich meine nicht monetär, sondern von wegen der Wertschätzung und Sicherheit im Dienst. Genauso dass uns Materialien geklaut wurden, dass uns das Versorgen der Menschen erschwert. Das ging ja durch Film, Funk und Fernsehen. Was mich auch schockiert, ist das Verhalten der Menschen in Arztpraxen. Meine Freundin erzählt mir täglich davon. Und auch hier zweifelt man an der Menschheit. Es ist nicht alles schlecht, die Dankbarkeit der Menschen, denen man hilft, ist schon enorm, teilweise mehr als vorher. Aber auch hier frage ich mich, wie lange das anhält. Ich mache den Job jetzt 25 Jahre … und war noch nie so frustriert. Viele liebe Grüsse…Marc.