~ TIME TO THRASH GOODBYE ~

SLAYER verkünden ihren Abschied.

Die – neben METALLICA – wohl wichtigste Thrash Metal-Band der Geschichte war in den Jahren nach ihrem Urknall anno 1981 die schnellste, härteste und aggressivste Gruppe dieses Planeten. Das Gründungstrio – Kerry King, Jeff Hanneman und Tom Araya – besaß bis zum tragische Tode von Jeff Hanneman vor sechs Jahren die treibenden Kräfte zur Machterhaltung von SLAYER im Business. Ausnahmedrummer Dave Lombardo war in den Neunzigerjahren lange abwesend und ebenfalls seit 2013 nicht mehr im Team.

38 Jahre nach Bandgründung heißt es in diesen Tagen Abschiednehmen, derzeit in Europa, mit dem letzten Konzert auf dem Kontinent in Stuttgart, und anschließend in den heimischen USA. 

 

EIN ODER ZWEI BLICKE ZURÜCK …

Am Anfang ging es SLAYER wie vielen anderen Gruppen, sie begannen ihre Geschichte mit dem Spielen von Coverversionen, von IRON MAIDEN und JUDAS PRIEST. Doch dann kam das satanische Image, Pentagramme, Spikes und umgedrehte Kreuze.

Bei einem Auftritt als Vorband von BITCH trafen sie Brian Slagel, der sie bei „Metal Blade“ unter seine Fittiche nehmen sollte. Ohne ein Budget finanzierten sie sich ihr Debütalbum.

Jeff Hanneman war über Kerry King im Jahr 1984 verärgert, als dieser die neuformierten MEGADETH für fünf Live Shows unterstützte.

 

Doch mit der ´Haunting The Chapel´-EP legten SLAYER kurz darauf im Juni 1984 einen weiteren Grundstock zu ihrer Karriere.

(Michael Haifl)

 

… und ERINNERUNGEN

Holy SLAYER! Wie werde ich sie vermissen! Auch, wenn mein Interesse an den vier Totschlägern in den vergangenen Jahren zugegebenermaßen erheblich nachgelassen hatte. Der Tod Hannemans. Die Schassung von Lombardo. Die physischen Einschränkungen von Frontman Araya. Die eher enttäuschende ´Repentless´. Schwache Live- Auftritte, wie etwa beim „Sonisphere“ anno 2014 in Hamburg. Sie waren mittlerweile zwar eine langjährige Institution, schwächelten jedoch unübersehbar.

Dennoch sind SLAYER eben immer noch SLAYER! und werden auch für den Rest meines Lebens einen ganz besondern Platz in meinem Herzen einnehmen. Erst vor kurzem habe ich in einem Kommentar zu ihrer anstehenden Auflösung gelesen, dass es „nie mehr eine Band geben würde, die auch nur annähernd so klingen würde wie SLAYER“. Nicht mit dieser ungemeinen Wucht und gleichzeitigen Catchyness. Nicht mit dieser Präzision. Nicht in dieser Perfektion. Wie wahr!

(Marcus Köhler)

 

Show No Mercy + Hell Awaits

Als Anfang 1984 ´Show No Mercy´ auf mich einstürmte, war ich gerade mal 14 Jahre alt. Die Heavy-Metal-Zeitschrift „Aardshok“ hatte das Album zu seiner „Platte des Monats“ erkoren und lobte dessen geradezu revolutionären Charakter und die bis dahin noch nie dagewesene Kompromisslosigkeit von SLAYERs Sound. Das war VENOM und MOTÖRHEAD auf die Spitze getrieben. Dazu die kompakte Heavyness von JUDAS PRIEST und auch jede Menge rotziger Punk. Die erst ein knappes halbes Jahr zuvor erschienene ´Kill `em All´ empfand ich im Gegensatz dazu schon beinahe als harmlos. Wir veranstalteten damals in unserem Wohnzimmer sogar spezielle ´Show No Mercy´ Headbanging-Sessions, bei denen wir das Album in Endlosschleife rauf und runter jammten. „Metal Up Your Ass“ – und zwar the real!

(Marcus Köhler)

 

Rockfabrik, Ludwigsburg im Juni 1985, SLAYER-Backstage, mit Schmier (DESTRUCTION)

Pics: Fred Rüttinger

 

´Hell Awaits´ erschien nur ein Jahr später und war nun schon der SLAYER-Thrash in reiner Perfektion! Mein erstes Live-Erlebnis in der Rockfabrik, Ludwigsburg im Juni 1985 bleibt mir für ewig unvergessen, und die damalige Setlist würde ich mir am liebsten, in einem Goldrahmen veredelt, an die Wand nageln!

(Marcus Köhler)

 

Die Setlist vom Gig in Ludwigsburg, 16. Juni 1985

Hell Awaits
Aggressive Perfector
Captor of Sin
The Final Command
Fight Till Death
Crypts of Eternity
Necrophiliac
Kill Again
Haunting the Chapel
Hardening of the Arteries
Black Magic
Die by the Sword
The Antichrist
At Dawn They Sleep
Show No Mercy

Encore:
Evil Has No Boundaries
Chemical Warfare
Praise of Death

 

Rockfabrik, Ludwigsburg, 16. Juni 1985

Pics: Fred Rüttinger

 

Auf der 1985er-„Combat Tour“ reisten SLAYER mit VENOM und EXODUS durchs Land. Jeff und Dave tranken mit Cronos im Bus, als ein betrunkener Tom hereinschneite und nach dem nächsten Clo fragte. Cronos antwortete, er könne direkt in seinen Mund pissen. Tom nahm diese Aufforderung an und pinkelte auf Cronos, der ihm daraufhin so eine verpasste, dass Tom den Rest der Tour mit einem blauen Auge rumlief.

 

Pic: Jürgen Tschamler

 

Reign In Blood

Aber es sollte sogar noch besser kommen, wer hätte das damals schon gedacht! Anno 1986. ´Reign In Blood´. Ein Album, wie in Musik verwandeltes Andrenalin! Ein Faustschlag, dessen Härte und Intensität gleich ein ganzes Genre in Schutt und Asche legte. 250 Beats pro Minute. Nicht Mal eine halbe Stunde Spielzeit. „Ich fand es irgendwie toll, dass das gesamte Album auf eine Kassettenseite passte. Du kannst es anhören, umdrehen und wieder abspielen“, kommentierte Bandleader Kerry King damals scherzhaft die Kurzweil ihres eindeutigen Thrash-Meilensteins. Nie zuvor klang Metal so unberechenbar und zugleich konzentriert. Das war musikalische Verdichtung auf engstem Raum, und vor allem dem klaren und geschärften Sound von Stamm-Producer Rick Rubin geschuldet. Mit dieser hochkomprimierten Intensität schlugen SLAYER nicht nur die Brücke zwischen Thrash und Hardcore Punk, sondern ließen sogar auch dem Free Jazz verwandte Texturen in ihren Sound mit einfließen. Besonders Dave Lombardos Schnelligkeit und sein ungemein präziser Groove begeisterten auf ganzer Linie. Ohne jeden Zweifel eines meiner Top-Ten-Alben of all time!

Ich hatte damals übrigens das große Glück, dass ein Tape-Trading-Kumpel aus der Schweiz die U.S.-Erstpressung für mich herausrückte, da Geffen das Album aufgrund des drastischen Cover-Artworks und Inhalts einiger Texte erst mit mehrmonatiger Verzögerung in Europa herausgebracht hat. „Awaiting the hour of reprisal. Your time slips away!“

(Marcus Köhler)

 

„Angel of death, Monarch to the kingdom of the dead“

Es mag ja abgedroschen und langweilig klingen, aber die 86er ´Reign In Blood´ war mein endgültiger Einstieg in die Metal-Welt. Ja, ich weiß, recht spät für mein Alter, aber besser spät als nie! SLAYER haben mir die Augen geöffnet! Sie waren, sind und werden immer die Götter, nicht nur des Thrash, sondern des Metal im Allgemeinen sein! Schnell, hart und dennoch immer melodisch, mit Texten die etwas zu sagen haben! Ich wünschte, es gäbe heute viel mehr Bands, die in ihre Fußstapfen treten würden!
(Don Carlos)

 

 

Kulturhaus, Mannheim, 1987.

Pics: Jürgen Tschamler

 

 

South Of Heaven + Seasons In The Abyss

Nach einem derartigen Meisterwerk konnte der Nachfolger ´South Of Heaven´ ja eigentlich nur enttäuschen. Aber rückblickend gehören gerade Songs wie der Titeltrack, ´Behind The Crooked Cross´ oder ´Spill The Blood´ mit zu den besten Werken der Bandgeschichte.

Auch der dazugehörige Gig in der Manege (!) des „Disco Circus“ in Mannheim bleibt ein unbeschreibliches Erlebnis. Araya verabschiedete sich damals vom Publikum mit den einprägsamen Worten „See you again – but NOT here!“.

 

 

Die glorreichen 80er waren zwar vorüber, blühten nur wenige Jahre später jedoch erneut auf. Denn ´Seasons In The Abyss´ war ein weiterer, unumstrittener Geniestreich! Jeder der zehn Songs hämmerte mit einer beängstigenden Wucht und Präzision, und was im Vergleich zu den frühen Alben an Geschwindigkeit fehlte, wurde einfach mit ausgefeilten, zweistimmigen Gitarren-Riffs und besseren Gesangsmelodien wettgemacht.

(Marcus Köhler)

 

18.01.1989: SLAYER und OVERKILL, Disco Circus, Mannheim

Zu Schulzeiten ging das ja ganz schnell – irgendjemand lernte irgendwo neue Leute kennen, und schon war man in ganz anderen Kreisen unterwegs. Ich mochte schon immer härtere Musik, aber was hörte Fräulein Teenie dann doch vor allem? Richtig, „So’n Poserdreck!“. Das änderte sich aus dem Stand, als ich an einen totalen Metalfreak geriet, der in Tapetrader- und Fanzine-Kreisen unterwegs war. Da muss die neue Freundin natürlich ebenfalls mit der richtigen Mucke bemustert werden, was damals vor allem Speed und Thrash war. SLAYER hatten mich sofort – das war düster, das war schnell, das war fies, das hatte Rhythmus; aber vor allem, was waren das bitte für Riffs? Abartig. Grandios. Krasse Musik mit Melodien! Und dann auf der ´South Of Heaven´ noch viel mehr davon, das Tempo rausgenommen, das Schlagzeug mit völlig abgefahrenen Soli in den Mittelpunkt gestellt – geiler Scheiß! Die Clique ganz abfällig: „Ausgewimpt! Mädchenmusik!“, aber ich wollte, ja musste mit aufs Konzert!

Und dann wurde mir doch bissl mulmig, Mitte Januar auf dem Weg zur Tour mit OVERKILL. Was für dunkle Gestalten da um den Mannheimer Disco Circus rumhingen! Sowas hatte ich bisher nicht erlebt, Madame bekam es mit der Angst zu tun, zumal die Sache, soweit ich mich richtig erinnere, ausverkauft war. Damit ich wenigstens etwas sehen konnte, unter all den Hünen, hob man mich zwischen die dort schon wartenden Jungs auf diesen Ring, der die Zirkusarena umgibt. Das Ding ist vielleicht 30 cm breit, da passten gerade mal die Füsse nebeneinander. Aber die Sicht war Bombe! Solange SLAYER noch nicht spielten… ich sage es euch: Titelsong, 1:05 – „Before you see the light, you must die!“, der langsame Teil beginnt und ALLE, wirklich ALLE unter diesem Zirkuszelt fangen an, im exakt gleichen Rhythmus zu bangen. Was oben auf dem Ring bedeutete: Wildfremde halten sich gut am Vordermann fest, und alles passiert in dieser Menschenkette in auf die Songs abgestimmten Wellen: Halswirbel verbeugen sich vor den Herren Hanneman, Araya, King und Lombardo, Körper und lange Mähnen schwingen in absoluter Synchronizität vor- und zurück, raue Stimmen grölen mit, Schweiß spritzt und das alles für 17 Songs, gefühlt mehrere Stunden. Pausieren? Unmöglich! Die anderen bewegten mich ja weiter…da gab es keine Gedanken mehr, das Großhirn war komplett abgeschaltet – absolutes eins werden mit der Musik. Ein Traum!

Ich war auf dem Heimweg nicht ansprechbar. Mir war bereits damals klar, und das war der vermutlich einzige Satz, der hinterher aus meinem Mund kam: „Das war das Konzert meines Lebens!“

(U.Violet)

 

Disco Circus, Mannheim, 1989.

Pic: Jürgen Tschamler

 

1989.

Pic: Jürgen Tschamler

 

Wenn es ihnen in den Folgejahren auch nie wirklich gelang, an die Qualität ihrer fünf Erstlingswerke anzuknüpfen, so setzten sie dennoch immer wieder die eine oder andere bitterböse Duftmarke. Mit der Gewaltmaschine ´Divine Intervention´ etwa, der völlig unterbewerteten ´Diabolus In Musica´, aber vor allem mit ´World Painted Blood´ schufen sie erneut Thrash-Hämmer allererster Güte und zeigten sich in bestechend guter Form.

Und noch mal und noch mal und noch mal! Ich werde sie unglaublich vermissen!

(Marcus Köhler)

Der SLAYER-Feinschnitt, made by Marcus:

  1. REIGN IN BLOOD
  2. HELL AWAITS / HAUNTING THE CHAPEL
  3. SHOW NO MERY
  4. SEASONS IN THE ABYSS
  5. SOUTH OF HEAVEN

 

 

Tour-Shirt und Ticket einer Tour, die nicht stattfand…

 

Eine Anekdote aus der Neuzeit …

Es begab sich am 2.7.2010, die Tour war aufgrund der Rückenprobleme von Tom bereits zwei Mal verschoben worden, als am gefühlt heißesten Tag des Jahres SLAYER endlich im Herforder X auftraten. Im Club hat das Thermometer bestimmt 65 Grad angezeigt und es dauerte nicht lange, bis man sein T-Shirt sprichwörtlich auswringen konnte. Ich habe es wirklich getan…
Konsequenterweise zogen die meisten männlichen Zuschauer ihre Shirts aus und es ließ nicht lange auf sich warten, bis die ersten anwesenden Damen diesem Beispiel folgten und sich oberhalb der Gürtellinie bis auf den BH entblößten. Das Ablegen der Oberbekleidung verbreitete sich nun wie ein Lauffeuer und am Ende standen Männlein wie Weiblein zumeist oben ohne da, woraufhin es vor allem den jungen Kerls sehr schwer fiel, dem Geschehen auf der Bühne weiterhin konzentriert zu folgen. Da passierte  aber sowieso nicht allzu viel, da Tom auf ärztliche Anweisung hin nur steif auf der Bühne stand.
Ein wahrlich denkwürdiges SLAYER-Konzert.
(Don Carlos)

 

„Jeff hat eigentlich nie die Anerkennung gekriegt, die ihm zustand“, sagte Malcolm Dome zum Tode von Jeff Hanneman. „Als Gitarrist hat er Neuland betreten, mit diesem direkten unverblümten Stil war er einer der wichtigsten Komponisten von Thrash Metal. Was er zur Musik beigesteuert hat, war wahnsinnig, und es wird noch lange nachklingen.“

 

THE FINAL WORLD TOUR

~ 3. August 2019, Stuttgart, Hanns-Martin-Schleyer-Halle ~


SLAYER werden immer zu den „Top Ten“ meiner Lieblingsbands zählen. Pioniere. Musikalische Perfektionisten. Echte Bewahrer des Geistes, seit fast 40 Jahren! Ich war von Anfang an ein Bewunderer von Tom, Kerry & Co. und jetzt bleiben nur noch Tonnen unvergesslicher Erlebnisse übrig.

Ihre erste Europatournee 1985 zu ´Hell Awaits´ war die erste Live-Tour, die mich umgehauen hat. In den folgenden Jahren hatte ich das Vergnügen, sie für ´Reign In Blood´, ´South Of Heaven´ und ´Clash Of The Titans´ sowie ´Decade Of Agression´ wiederzusehen. In der Summe habe ich meine Speed-Up-Lieblinge elf Mal gesehen.

Am 3. August war (vermutlich) unser letztes Aufeinandertreffen, da ihre Show in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle in Stuttgart der letzte europäische Auftritt ihrer finalen Tour ist. Und es war sicherlich eines ihrer besten – von der NUMBER ONE THRASH METAL BAND OF ALL TIME!

(Marcus Köhler)

 

Die Setlist der letzten Slayer-Tournee

  1. Delusions Of Saviour (Tape)
  2. Repentless
  3. Evil Has No Boundaries
  4. World Painted Blood
  5. Postmortem
  6. Hate Worldwide
  7. War Ensemble
  8. Gemini
  9. Disciple
  10. Mandatory Suicide
  11. Chemical Warfare
  12. Payback
  13. Temptation
  14. Born Of Fire
  15. Seasons in the Abyss
  16. Hell Awaits
  17. South Of Heaven
  18. Raining Blood
  19. Black Magic
  20. Dead Skin Mask
  21. Angel Of Death

 

Pics: Marcus Köhler

Tom wischte sich die Tränen aus den Augen und ging von der Bühne.