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JON SCHAFFER’S PURGATORY – Purgatory (EP)

~ 1985/2019 (Century Media) – Stil: US Metal ~


ICED EARTH stammen aus Tampa, Florida. Sie veröffentlichen 1990 ihr sagenhaftes Debütalbum. Es folgen elf Studioalben. Dies ist aber eine andere Geschichte. Die Ursprünge führen nämlich in das Jahr 1984 und zu dem Gründungsnamen THE ROSE zurück, anschließend firmieren sie als PURGATORY. Nach den Demo-Kassetten ´Burning Oasis´, ´Psychotic Dreams´ und ´Horror Show´ erfolgt die Umbenennung in ICED EARTH. Die Bandgeschicke leitet bis heute Gitarrist Jon Schaffer. Die Idee einer „Horror Show“ und die Songtitel aus dem dritten Demo nutzt Jon Schaffer 2001 für das gleichnamige und mittelprächtige ICED EARTH-Album ´Horror Show´. Die Songs selber sind jedoch nicht mit den Demo-Kompositionen gleichen Namens identisch.

Um 2019 den nach den Anfängen von ICED EARTH gierenden Anhängern die Demo-Songs von PURGATORY zugänglich zu machen, entscheidet sich Jon Schaffer für Neueinspielungen all derer. Ein gefährliches Unterfangen, auch unter der Maßgabe einer der ältesten Business-Regeln, die besagt, dass das erste Album oder das erste Demo immer das Beste ist. Dennoch marschiert er mit Original-Sänger Gene Adam (ebenso auf dem Debüt von ICED EARTH vertreten) und Original-Bassist Bill Owen ins Studio. Zur Unterstützung stoßen Schlagzeuger Mark Prator (zudem auf ICED EARTHs ´The Dark Saga´ anzutreffen) und Jim Morris (als Produzent und Besitzer der Morrisound Studios bekannt) mit seiner Gitarre sowie Bassist Ruben Drake (DEMONS & WIZARDS, SONS OF LIBERTY) hinzu. Da es natürlich von Chile über Deutschland und Polen bis Thailand eine Millionen Formationen mit dem Bandnamen PURGATORY gibt, nennt sich die Revival-Formation JON SCHAFFER’S PURGATORY.

Auf den fünf Songs von ´Purgatory´ sind neben allen Elementen, die ICED EARTH später auszeichnen sollen, auch unentdeckte Feinheiten auszumachen. ´In Your Dreams´ ist ein Song, der sich mehr als offensichtlich die Melodie eines 1980er Bay Area-Thrashers sowie einen QUEENSRYCHE-Zwischenpart gönnt. In ´Burning Oasis´ heißt es allerdings nicht „Jump in the Fire“, sondern „Jump in the Oasis“. Sänger Gene Adams zeigt sich dagegen nach all den Jahren in blendender Verfassung und sorgt nicht nur mit spitzen Schreien andauernd für eine KING DIAMOND-würdige Atmosphäre, die im schnelleren ´In Jason’s Mind´ sogar ausgeweitet wird. ´Dracula´ nimmt den späteren, bandtypischen Galopp-Rhythmus auf und ´Jack´ lebt ein eindeutiges KING-Melodienverständnis aus, das bestens zum ICED EARTH-Rhythmus passt.

Da das Medium Kassette in der aktuellen Dekade völlig überholt ist, und obendrein verlacht wird, freilich als kleiner Verkaufsschlager brummt und zur Bekanntmachung bzw. Weiterverbreitung von Musik immer noch genutzt wird, muss sich der Metaller natürlich ´Purgatory´ als Vinyl gönnen und von dem ursprünglichen, nicht mehr erhältlichen Format Abstand nehmen. Derweil viele Werke einfach durch Zeitablauf zu Klassikern werden, infolge ihres Status als Debüt oder erstes Demo, haben wir es hier mit dem eigenwilligen Fall eines 8 Punkte-Klassikers zu tun. Zur Wahrung des entscheidenden Artikels des Metal-Grundgesetzes muss selbstredend die Karte Klassiker gezückt werden.