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RAZOR – Open Hostility, Shotgun Justice, Violent Restitution (all Reissues)

~ 2015 (Relapse Records) – Stil: Thrash Metal ~


Auf Vinyl wurde in den letzten Jahren wohl so ziemlich jedes RAZOR Album neu aufgelegt – in verschiedensten Farben. Richtig gute Re-Releases in CD-Form mit Bonustracks hingegen blieben Wunschträume … bis heute.

Relapse haben sich die drei späten RAZOR Alben `Violent Restitution` (1988), `Shotgun Justice` (1990) und `Open Hostility` (1991) vorgenommen und richtig gute Re-Releases rausgehauen. Sound remastered, dazu eine schöne Ansammlung von Bonusmaterial und Deluxe-Packing. Für viele RAZOR-Fans (mich inbegriffen) sind diese Alben zwar nicht die stärksten, dennoch hat jedes Album seine Handvoll Tracks, die die Wucht und Einmaligkeit der kanadischen Thrash-Walze dokumentieren.

Dass RAZOR eine der besten Thrash-Bands aller Zeiten sind steht außer Frage. Der Wiedererkennungswert der Kanadier liegt bei 100 Prozent. Was vor allem an Dave Carlos‘ rasender, unverwechselbarer Gitarrenarbeit liegt. Dass mit dem Ausstieg von Shouter Sheepdog nach `Violent Restitution` ein gutes Stück an Qualität und Sprengkraft verloren ging, ist nicht wegzudiskutieren. Mit Bob Reid als Ersatz holte man zwar einen Mann mit guter, rauer, harter Thrash-Stimme in die Band, gegenüber Sheepdog fiel er jedoch klar ab.

`Violent Restitution` war das letzte Album mit Sheepdog als Sänger. Musikalisch ging es wieder etwas back to the roots der frühen Tage, nachdem man mit `Malicious Intent` die Szene negativ überrascht hatte und mit `Custom Killing` neue Akzente setzten wollte. Beide Alben sind eher zweite Liga in der RAZOR-Diskographie. 15 Thrash-Hämmer packte man auf `Violent Restitution`, die an alten Tage erinnerten, aber deren Klasse nicht ganz erreichten. Die neu gemasterte Version hat ein paar Prozentpunkte mehr Soundpower, als Bonus gibt es drei Livetracks von einer Show in Toronto aus dem Jahr 1988. Grenzwertige Soundqualität, die aber zu Tapetrader- Zeiten eine echte Offenbarung gewesen wären. Nette Zugabe, mehr nicht.

Das 1990 erschienene `Shotgun Justice` war damals nur als sauteurer Import zu bekommen und ging in der europäischen Thrash-Szene eher unter. Ursprünglich nur als CD erschienen, wurde das Album 2009 von War on Music auf Vinyl veröffentlicht und später noch einmal von High Roller. `Shotgun Justice` ist ein 14-Track Massaker bei dem Dave Carlos alles in Grund und Boden shreddert. Die Geschwindigkeit ist fast konstant auf 250 km/h, nur wenige Tracks beginnen etwas langsamer und werden im weiteren Verlauf auf die vorgegebene Taktfrequenz geschraubt. Die Überhymne des Albums ist das unfassbare `Miami`, das das Album eröffnet und wie ein fieser Tritt in die Eier wirkt. Ein brutal geniales Gehacke, das alleine den Kauf rechtfertigt. Auch hier gibt es Bonusmaterial. Zwei Livesongs in mäßiger Qualität: `Meaning Of Pain` sowie `Violence Condoned – 1990 und 1989 aufgenommen. Desweiteren `Miami` im Originalmix sowie `Electric Torture` und `Brass Knuckles` in Alternativ-Versionen. Allerdings stelle ich nur unwesentliche Unterschiede zu den Albumfassungen fest, lediglich der Sound ist deutlich dünner. Im sechsten Track hört man die Band im Proberaum `Cranial Stomp` runterprügeln.

1991 stand dann `Open Hostility` an, welches den Weg nach Europa damals ebenfalls nur als Import fand. Insgesamt ist `Open Hostility` ein eher schwaches RAZOR-Album, kaum ein Song hatte Klassikerpotenzial. Musikalisch ging es wie beim Vorhänger fast schon eintönig zur Sache. Außerdem war der Sound gewöhnungsbedürftig, da nicht so fett auf die Gitarre abgestimmt. Zwölf Songs RAZOR-Thrash ohne glänzende Höhepunkte, aber mit hohem Wiedererkennungswert. Der Sound dieses Re-Releases ist ok, mehr war hier wohl nicht rauszuholen. Acht Bonustracks hat man diesem Album spendiert und hier finden sich dann einige echte Überraschungen in Form von bis dato unveröffentlichten Tracks. `Tow The Line` ist ein typischer RAZOR Track, der durch die etwas dumpfe Produktion den Gesang von Reid sehr, sehr fies klingen läßt. Coole Nummer. `Taking The Strain` ist ebenfalls ein unveröffentlichter Song, der RAZOR-typisch rasend nach vorn geht. Hätte locker auf `Open Hostility` stehen können. `Violent Propensity` ist auch unveröffentlicht und ohne Gesang. Etwas langweilig, weil ein schlichter RAZOR Track. Dann noch einmal `Taking The Strain` als Instrumental. Desweiteren vier weitere Instrumental Nummern mit den Titeln: `End Of The War`, `Tow The Line`, `Red Money`, `Iron Legions`. Soundlich klingen diese Stücke wie gute Demoqualität.

Dass der Status von RAZOR in Europa nicht größer war und ist, liegt meines Erachtens an den Veröffentlichungen der Neunziger Jahre, die man nur schwierig als Import bekam und die musikalisch gesehen nicht an die alten Glanztaten heranreichten. Dazu kam der Umstand, dass die Kanadier niemals in Europa tourten, was die ganze Kiste noch verschlimmerte.

Dennoch, RAZOR gehören zum BESTEN was uns die Thrash-Szene je beschert hat und mit ihren drei ersten Releases – `Armed And Dangerous EP`, `Executioners Song`, sowie dem allmächtigen, unfassbaren, gigantischen `Evil Invaders` – hat man sich einen Platz in den Annalen der Thrash-Metal-History gesichert.

8 Punkte `Violent Restitution`

7,5 Punkte `Shotgun Justice`

6,5 Punkte `Open Hostility`