
ARTNAT – Two
2025 (Independent/Just For Kicks Music) - Stil: Progressive Rock, Jazz Fusion, Psychedelic
Wenn ein Album aus den Türen der Vergangenheit in die Gegenwart hereintritt, dann ist es ´Two´, das zweite Studioalbum von ARTNAT. Was hier als Doppelalbum daherkommt, ist ein klanggewordenes Multiversum zwischen Traum, Philosophie und Science-Fiction.
Der neue Stern am portugiesischen Prog-Firmament wird vom legendären Manuel Cardoso (TANTRA) angeführt. Bereits der Vorgänger ´The Mirror Effect´ war ein Fest für die Sinne, aber ´Two´ könnte der große Wurf werden, ein Doppelschlag zwischen symphonischem Prunk, jazziger Freiheit und psychedelischem Wagemut.
CD 1 – Alternative Lifes
Elf Songs, elf Leben – jedes Stück eine alternative Existenz, geboren aus einem Schlüsselmoment, einem „Fehler in der Matrix“, der den Protagonisten in immer neue Körper und Realitäten katapultiert.
Der Opener ´Temporarily Sane´ entfacht gleich ein prächtiges Feuerwerk aus Prog, Jazz und Drama, lässt flirrende Keyboards, vertrackte Rhythmen frei, kraftvolle Vocals von Sara Freitas, die mit glasklarer Stimme zwischen sanfter Lyrik und eruptivem Ausdruck pendelt.
´Stranger In A Strange Land´ schwingt sich zu einem Mini-Epos auf, mit schwebenden Harmonien und glitzernden Gitarrenflächen, alles verwoben in Manuel Cardosos unverwechselbarem melodischen Sinn. Und dann kommt ´Return To Tantra´, der Titel ist Programm. Hier schlägt er die Brücke zu den goldenen TANTRA-Jahren. Mächtige Chöre, symphonische Kaskaden, große Gitarrensoli, das ist echte Prog-Nostalgie, aber mit der Energie eines Neuanfangs.
Songs wie ´The Cristal Man´ oder ´Walls Of Sorrow´ zeigen die jazzigere Seite der Band, komplex, verspielt, aber nie verkopft. Der Bass von Paulo Bretão tänzelt geschmeidig durch Raum und Zeit, während João Samoras Schlagzeugspiel die Songs mit lebendiger Dynamik antreibt.
Wenn dann ´Ritualis Of Extinction´ den ersten Akt abschließt, fühlt man sich, als hätte man eine ganze Staffel einer intergalaktischen Serie erlebt – episch, emotional, rätselhaft.
CD 2 – Parallel Universes
Hier wird das Konzept zur Vision – elf Instrumentalstücke, jede ein klangliches Abbild einer fremden Welt, die unser Reisender besucht.
´MechVerse´ entfaltet sich zu einem monumentalen Soundscape aus kosmischem Jazz und Space Rock. Die Violine von Alexei Tolpygo zieht Lichtfäden durchs All, während Manuel Cardoso seine Gitarre in Schichten aus Nebel und Feuer taucht.
´Just Another Cool World´ groovt mit funky Leichtigkeit, fast wie Mahavishnu Orchestra trifft Pink Floyd in einer neonfarbenen Cocktailbar.
´Frozen´ ist pure Atmosphäre, ein stiller Planet aus Eis, auf dem nur Klavierakkorde von Emilio Robalo erklingen. ´Kakuan Revisited´ bringt dann einen Hauch fernöstlicher Mystik ins Spiel, bevor ´KEPLER 442B´ mit majestätischer Weite und schwebenden Harmonien das Tor zu fernen Galaxien öffnet.
Jedes Stück ist ein Kapitel, jeder Ton ein Stern. Das Finale ´Wormhole Crossing´ zieht schließlich alles zusammen, ein orchestraler Ritt durch Raum, Zeit und Bewusstsein, der in purem Licht endet.
1+1=Two
´Two´ fordert Aufmerksamkeit, Hingabe und Neugier. Doch wer sich darauf einlässt, erlebt ein farbenprächtiges, emotionales und konzeptionell spannendes klassisches Prog-Album.
ARTNAT gelingt das Kunststück, die goldene Ära des Symphonic Prog zu ehren – YES, Renaissance, King Crimson, Mahavishnu Orchestra – und sie zugleich in eine moderne, lebendige Form zu überführen, auch wenn die Produktion nicht durchgehend im selben Maße strahlt.
(8,5 Punkte)