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JOHN COLTRANE – Giant Steps

~ 1960/2024 (Analogue Productions/Atlantic 75 Series) – Stil: Jazz ~


Der US-amerikanische Jazz-Saxophonist John Coltrane spielte von Oktober 1955 bis April 1957 beim weltbekannten Trompeter Miles Davis. Es folgte eine recht fruchtlose Zusammenarbeit mit Thelonious Monk, ehe er sich im Januar 1958 wieder Miles Davis anschloss und bis April 1960 bei ihm verweilte.

Keine drei Wochen nach den letzten Aufnahmen mit Miles Davis für den Klassiker ´Kind Of Blue´ begann John Coltrane bereits mit den Sessions für sein nächstes, eigenes Werk als Bandleader. Für ´Giant Steps´, sein erstes Album bei „Atlantic Records“, nahm er sich zwar nicht viel Zeit, verwandte allerdings nur seine eigenen Kompositionen.

Mit ´Blue Train´ (1958) hatte John Coltrane schon sein erstes großes Meisterwerk fast nur mit Eigenkompositionen eingespielt sowie in kürzester Zeit weitere mit Milt Jackson auf ´Bags & Trane´ (1959) und mit Tommy Flanagan auf ´The Cats´ (1959). Mit ´Giant Steps´ (1960) sollte er einen völlig zeitlosen Geniestreich für die Ewigkeit festhalten.

Die ersten Aufnahmen für das Album fanden am 26. März 1959 mit Cedar Walton und Lex Humphries statt. Da jedoch John Coltrane mit dem Endergebnis keinesfalls zufrieden war, fanden sie nur als Bonusmaterial viele Jahre später eine Verwertung. Erst die Aufnahmen vom 4. und 5. Mai 1959, mit Tommy Flanagan (Piano, zuvor bei Ella Fitzgerald oder JJ Johnson), Paul Chambers (Bass, zuvor bei Miles Davis oder Cannonball Adderley) und Art Taylor (Drums, zuvor bei Bud Powell oder Sonny Rollins) sowie vom 2. Dezember 1959, für einen Song mit Wynton Kelly (Piano), Paul Chambers (Bass) und Jimmy Cobb (Drums), allesamt in den „Atlantic Studios“ von New York City, wurden von John Coltrane für würdig befunden.

´Giant Steps´ erscheint derzeit zum 75-jährigen Jubiläum von „Atlantic Records“ im echten Goldstandard auf Vinyl. Denn „Analogue Productions“ haben sich dem Jubiläum angeschlossen und veröffentlichen die Scheibe ihrerseits auf einem 180g schweren Doppel-Vinyl mit 45 rpm, natürlich gepresst bei „Quality Record Pressings“, vom analogen Original-Masterband von Ryan K. Smith gemastert, in einem aufklappbaren Gatefold Pocket Jacket.

Die bekannte Zusammenarbeit von „Acoustic Sounds“, „Analogue Productions“ und „Quality Record Pressings“ führt zu diesem unglaublichen Sound, der diese Pressung gegenüber den bislang bekannten herausragend klingen lässt und den Zuhörer scheinbar direkt vor dem Tenorsaxophon platziert.

 

 

John Coltrane überrascht wieder einmal mit dem Unerwarteten. Die Jazz-Regeln werden neu geschrieben, die Arrangements auf unendliche Soli ausgelegt, wobei das Pendel fortwährend zwischen Melodie und Solo hin und herschwingt. Die Läufe sind derart rasant, dass der Zuhörer weitaus mehr Töne zu hören glaubt, obgleich sich der Vortrag von ´Giant Steps´ so unbekümmert und ohne jegliche Anstrengung anhört. Auf alle Fälle steht in sieben Coltrane-Kompositionen, in sieben innovativen Kompositionen das Tenorsaxophon im Mittelpunkt, wenngleich auch Klavier- und Bass-Solo existieren.

In der Eröffnung ´Giant Steps´ stürzt sich John Coltrane mit seinem Tenorsaxophon bereits stilprägend für das Werk recht schnell in seine Solo-Vorführung, derweil die Basslinie von Paul Chambers von Terzen zu Quarten übergeht. Zwischendurch konkretisiert Tommy Flanagan noch schnell ein Piano-Solo. Das Tenorsaxophon und seine „Sheet-of-Sound“-Technik eilt allerdings umgehend wieder ins Soundbild zurück.

Zu Ehren von Coltranes jüngerer Cousine Mary Lyerly spielt das Quartett ´Cousin Mary´ melodischer und der Person entsprechend erdig und volkstümlich. Als einprägsamer und fesselnder Hardbop kommt die Intention aus dem Blues und hält das dynamische Zusammenspiel zwischen Coltranes Tenorsaxophon und Flanagans Klavierarbeit weiterhin vor. Obwohl alle gehörig Fahrt aufnehmen, pflegt Paul Chambers noch kurzerhand ein Bass-Solo ein.

Das kurze ´Countdown´ wird hingegen von einem Schlagzeugsolo eingeführt, bevor John Coltrane mit seinem Tenorsaxophon in den restlichen zwei Minuten seine frische Spielweise erbarmungslos demonstriert, in den letzten 70 Sekunden sogar vom Piano unterstützt. Mit einem gehörigen Swing präsentiert sich jedoch im Anschluss ´Spiral´ in aller Erhabenheit und neben dem jauchzenden Tenorsaxophon obendrein ein unnachahmlicher Paul Chambers samt Bass-Solo.

Entsprechend der Betitelung zeigt sich ´Syeeda’s Song Flute´, nach Coltranes adoptierter Tochter, in verspielter und fröhlicher Art und Weise. Für eine Tanzmelodie zu schnell und für ein Kinderlied zu ausgefallen am Piano, ist das Bassspiel von Paul Chambers wiederholt enorm mitreißend. Die Kompositionen klingen aber naturgemäß mit dem Tenorsaxophon aus.

Ausnahmsweise ertönt dieses in ´Naima´, zur Bewunderung nach Coltranes erster Ehefrau benannt, eher sanft und zart. Mit vielmehr schwebenden Akkorden wird eine musikalische Schönheit und Brillanz erreicht, die die Ballade zu Coltranes Lieblingskomposition werden ließ. In Hochgeschwindigkeit zelebriert nochmals ´Mr. P.C.´ einen flotten Blues, der zu Ehren des Bassisten Paul Chambers mit dessen Initialen versehen ist. Unentwegt windet sich das Tenorsaxophon von John Coltrane, felsenhart sind die Saiten von Paul Chambers, bis sich nach einer Solovorstellung von Tommy Flanagan am Klavier das Schlagzeug und das Tenorsaxophon zum Ausklang beinahe überschlagen.

John Coltrane und seine Mannen lassen den Hardbop regelrecht in die Luft gehen, um ihren selbstbewussten Jazz zelebrieren zu können. ´Giant Steps´ ist der Wendepunkt ihrer Karriere, eines der größten Wunder in der Geschichte des Jazz.

(Klassiker)

 

 

4. Mai 1959 (Tracks 3, 4) & 5. Mai 1959 (Tracks 1, 2, 5, 7)
John Coltrane – Tenorsaxophon
Tommy Flanagan – Piano
Paul Chambers – Bass
Art Taylor – Drums

2. Dezember 1959 (Track 6)
John Coltrane – Tenorsaxophon
Wynton Kelly – Piano
Paul Chambers – Bass
Jimmy Cobb – Drums

 

https://www.facebook.com/johncoltrane