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WINTERLAND – Life’s What You Make It

2025 (Rock Company) - Stil: Hard & Heavy

Ihr fühlt euch gerade etwas seltsam, weil true Schwertschwinger euch momentan auf den Zeiger gehen, Doom euch komischerweise langweilt, euer sonst geliebter Power Metal irgendwie immer das Selbe ist und euch für Black Metal zur Zeit trotz Regen viel zu viel Sommer befohlen ist? Dann seid ihr goldrichtig im WINTERLAND.

Dass bei den „ewigen Beginnern“ ´Alles geht´, nachdem Markus Pfeffer und Stephan Hugo gefühlt bereits ´Ein Leben lang´ zusammen musiziert haben und sie bekanntermaßen schon lange ´Angekommen´ sind, dürfte jedem Musikliebhaber klar sein, der nicht komplett auf den Ohren ´Blind´ ist. Es liegt in der ´Personality´ von WINTERLAND, dass Stillstand keine Option ist und somit hat man sich entschlossen, erneut mit englischsprachiger Lyrik zu arbeiten wie einst, als der ´Evening Star´ hell schien. Dass ´The Truth´ über unsere verdorbene Gesellschaft in allen Sprachen nachdenklich macht, tut nichts zur Sache, denn ´Life’s What You Make It´ – wobei ich endlich bei dem neuen Album angekommen bin.

Ihren Stil zwischen Hard Rock und AOR haben WINTERLAND weiterhin perfektioniert – wie das typische Gitarrenspiel von Markus (u.a. MYSTERY MOON, ATLANTIS DRIVE, BARNABAS SKY oder LAZARUS DREAM) noch songdienlicher, filigraner und perfekter werden soll, weis keiner und wer Stephan mit seinen vielen Projekten von BILLY IDOL über DAVID BOWIE über DISPYRIA bis zu Crossover-Orchester mit Chor mal live gesehen hat, kennt die Bandbreite, die sich der sympathische Entertainer über die vielen Jahre erarbeitet hat. Mit an Bord ist diesmal Bassist Bernd Schreiber, den Stephan von FRIENDS UNITED und ZIGGY’S STARDUST anwerben konnte. Somit wären wir startklar für Longplayer Nummer Acht.

Die beiden bisherigen Hauptargumente „zu soft“ und „grundsätzlich keine deutschsprachigen Lieder“ fallen diesmal als Ausrede, WINTERLAND nicht zu hören, weg. Zu soft waren die Männer immer denjenigen ehemaligen Extrem-Hartwürsten, die mittlerweile im gehobenen Alter ab November heimlich mit ihren besseren Hälften auf der Couch kuscheln und täglich ´Last Christmas´ hören und zu deutsch dem typischen Wackenkopf, für den gerade die Kaisermania das Größte ist. Neben dem englischen Gesang fällt vor allem die neue Lust auf, etwas mehr knackige Härte reinzupacken, was im Verlauf des Albums sogar zu einer MEGADETH-Reminiszenz führt. Glaubt ihr nicht? Iss awwer so. Des Weiteren beschleicht dich zunächst beim Lesen der Titel das Gefühl, dass es sich um ein Coveralbum zum Tribut an die Besten der Besten handelt. Iss awwer nicht so, reiner Zufall – bis zum Ende… doch dazu später.

Der fett stampfende Opener drückt das Gefühl des täglichen Berufsalltags aus, welches auch durchaus auf die momentane gesellschaftlichen Weltlage projiziert werden kann: ´I Want Out´ (kein HELLOWEEN Cover!). Die gesellschaftlichen Themen und Sorgen bilden textlich eine rote Linie zwischen vielen Songs, doch keine Angst – wie immer sind die Lyrics intelligent und ziehen nicht runter, sondern regen zum Nachdenken an. So wie auch ´I Don’t Know´ (kein OZZY Cover!), welches basierend auf einer alten Bandidee frisch absleazed und mit einem wunderbaren Instrumentalteil als potenzieller Livekiller aufwartet. Nummer drei ´Reach For The Sky´ (kein FIREHOUSE-Cover!) wurde ebenfalls aus früheren Zeiten transformiert, startet im Uptempo und versprüht unbändige Lebenslust und gute Laune. Dies ist die große Klammer um alle Songs – trotz aller Messages gilt: schlechte Laune goodbye.

Groovend werden die Überlegungen zum Sinn und Wert des Daseins auf diesem prinzipiell wunderbaren Planeten glasklar, wenn man sich den Titelsong und das hervorragende Cover versinnbildlicht: ´Life’s What You Make It´ (kein TALK TALK-Cover!) – du bist, was du aus dir machst und nicht, was andere aus dir machen wollen. Bei der leichten Elektronik zu Beginn von ´Follow Me´ (nein weder ein UNCLE CRACKER, noch ein SECRET DISCOVERY und schon gar kein AMANDA LEAR-Cover!) denkt man sofort an den Übersong ´No Easy Way Out´ von Robert Tepper, doch natürlich lässt diesen Hit die typische Handschrift von WINTERLAND erstrahlen. Ein Rundumschlag zum Thema neue „Medienstars“, die absolut nichts können, Influencern und Followern, Z-Idiotenrealityshows und dem ganzen Netwahnsinn. Mein Lieblingsthema, das einem manchmal alles abverlangt, um nicht selbst zum nächsten Hater zu werden.

´Strength In Numbers´ (kein TIMES OF GRACE-Cover) dürfte sich ebenfalls als absoluter Live-Abräumer erweisen und ist mit seinem entspannten Shuffle und den starken Gangshouts auch einer meiner absoluten Faves. Vom bisherigen Demodasein endlich erlöst, ist die ewige Gefahr der extremen Mitläufer heute weltweit aktueller denn je – besonders im einstigen „Land of the Free“, was sich beim damaligen Entstehen des Titels wohl keiner in seinen kühnsten Träumen hätte vorstellen können. This Song counts in large Amounts! Der ebenfalls bereits bekannte Klopper ´Personality´ lebt vom guten, alten BILLY IDOL-Drive und ermutigt dich, einfach du selbst zu sein und dich nicht zu verbiegen, egal was die Anderen sagen – nein, habe auch ich jetzt nicht von UDO LINDENBERG geklaut, isso oder sollte in einer Gesellschaft, wo man das Wort Empathie wenigstens mal gehört haben sollte, Gesetz sein. Ein weiteres Highlight für mich ist ´After The Storm´ (kein KALI UCHIS-Cover!) besonders wegen Stephans gefühlvollem Gesang auf absolut internationalem Top-Niveau. Die Botschaft ist erneut ein Hoffnungsschimmer in dunklen Zeiten: we have the Future in our Hands.

HA! Grüße an Dave Mustaine von ´Missing´, der Nummer mit dem harten Gedenkriff und einem weiteren überragenden Mittelpart, der gegen Ende schon am Progmetal kratzt. Was WINTERLAND ihren Songs an unvorhersehbarer Abwechslung trotz höchster Hitdichte angedeihen lassen ist wirklich große Songkunst und verleiht dem neuesten Werk einen hohen Langzeitwert. Das letzte eigene Stück ´Run Away´ (kein falsch geschriebenes BON JOVI-Cover, hehehe!) zieht die Geschwindigkeit nochmal an und dient als perfekter Abschluss eines Highlights im Hard Rock & AOR Bereich, bevor es weitergeht mit ECHTEN Covers.

Ja, richtig gelesen: Da wo andere Feierabend machen, huldigen WINTERLAND ihren alten Heroen, da die Musiker allesamt bei unzähligen Projekten über die Jahre die Möglichkeit hatten, die Hitkisten der besten Zeiten zu entstauben und somit vielen Musikfans mächtig Freude zu bereiten.

Los geht’s mit der noch ursprünglich zum Album angedachten Gänsehautversion von SPANDAU BALLETs ´Through The Barricades´, welches auf einem Balladenfreien Werk eine Topfigur macht. Getoppt wird dies natürlich vom bereits live erprobten DEPECHE MODE-Klassiker ´Everthing Counts´, dessen Umsetzung als Heavy Smasher schlicht und ergreifend genial ist.

Ebenfalls perfekt in den Kontext passt der damalige Überhit ´Sunglasses At Night´ von Corey Hart, doch mein Herz hüpft noch weitaus höher, wenn ´Union Of The Snake´ – einem meiner Alltime-Faves von DURAN DURAN – die Schlangenhaut abgezogen wird und die damals bahnbrechenden elektronischen Sounds und Spielereien meisterhaft in Gitarrensprache übersetzt werden und man noch nicht mal die einzigartig markante Stimme von Simon LeBon vermisst. Hammer.

Da geht nichts mehr, denkt man – bis zum Finale FRANKYs ´Warriors Of The Wasteland´ auf den verdutzten Hörer losgelassen werden. Ich habe schon viele Cover in meinem Leben gehört, aber selten eine dermaßen grandiose Auswahl im passenden Gewand der Band, statt bereits tausendfach abgelutschten Klassikern, die echt keiner mehr hören will. Das ist die hohe Kunst des Coverns, man merkt WINTERLAND die Verbeugung vor diesen Künstlern an, statt sich wie viele andere lediglich mit fremden Federn zu schmücken.

Alles ist gesagt, doch nichts getan. Freunde dieser Stilrichtung schlagen zu bei einem liebevoll-handgemachten Album, welches in der Liga von nicht weniger als Weltklasseniveau beheimatet ist. Zögerlinge warten ab, bis die KI noch ein wenig weiter ist, sich keiner mehr Mühe geben muss und regen sich in ein paar Jahren auf, dass alles irgendwie gleich klingt.

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