
Mitte der Neunziger wurden BUCKCHERRY in L.A. von Sänger Josh Todd und Gitarrist Keith Nelson gegründet. Während letztgenannter 2017 ausstieg, ist Josh Todd nun das einzig verbliebene Originalmitglied.
Die Band gehört in den USA zur Garde der „Strassenhunde“, da konstant am Touren. Mit ihrem zeitlosen harten Heavy Rock stehen sie zudem stilistisch zwischen den Stühlen. Auch ich muss gestehen, dass ich mit den Frühwerken nicht wirklich viel anfangen kann. Mein Interesse an der Band kam erst mit dem Einstieg von JETBOY-Rhythmusgitarrist Billy Row. Ab hier wurde die Band für meine Ohren zugänglicher, geschmeidiger und vor allem nachhaltiger. Exzellenter Hard Rock mit wirklich griffigen Melodien und echten Ohrwürmer, ohne dass der „Dreck“-Anteil im Gitarrensound darunter leiden muss.
Das neue, elfte Studioalbum ´Roar Like Thunder´, schließt glücklicherweise nahtlos an den grandiosen Vorgänger ´Vol.10´ an. Leider ist die Truppe auf dem europäischen Festland live deutlich unterrepräsentiert. So starteten BUCKCHERRY Anfang 2024 in UK ihre langerwartete Europatour, mussten diese aber nach ein paar Shows leider canceln. Zuvor war man zuletzt 2019 hier unterwegs.
Für genug Gesprächsstoff ist also gesorgt. Sänger Josh Todd hat sich dabei allerdings eher als einsilbig präsentiert, wogegen Gitarrist Stevie D. schon mehr in Plauderlaune war.
2024 musstet ihr gleich zu Beginn eurer Europa Tour 2024 nach ein paar Shows in UK den Rest der Tour canceln. Sehr tragisch. Warum wurde die Tour bisher nicht nachgeholt?
Josh: „Ja, ich wurde leider sehr krank. Ich habe mich sehr bemüht, die Konzerte durchzustehen, musste aber letztendlich absagen. Wir arbeiten gerade daran, die Zeit dafür zu finden, um die Tour nachholen zu können.“
Stevie: „Die Tour abzusagen war eine schwere Entscheidung, die wir treffen mussten. Die Herausforderungen, denen wir gegenüberstanden, waren vielfältig. Ja, es war eine unglaublich schwierige Situation. Die Tour musste abgesagt werden, weil Josh schwer erkrankte und seine Gesundheit an erster Stelle stand. Wir konnten die Konzerte nicht fortsetzen, da er nicht in Bestform war, da die Qualität der Performance und vor allem sein Wohlbefinden unsere Priorität waren. Josh ist wieder in Topform. Solche gesundheitlichen Probleme lassen sich nicht vorhersagen und für uns ist wichtig, immer das Beste zu geben. Sicher werden wir die Tour nachholen, aber wir müssen auch sicherstellen, dass alle Beteiligte zum besagten Zeitpunkt bestens vorbereitet sind.“
In Deutschland wart ihr 2019 zuletzt. Ist eine verdammt lange Zeit. Man könnte fast den Eindruck bekommen, dass Deutschland für euch nicht wirklich Priorität besitzt und man eher das Gefühl hat, ihr priorisiert die USA. Würdet ihr dem zustimmen?
Josh; “Man muss sich bewusst machen, dass Touren sehr teuer sind und man dafür genügend Konzerte und ein gutes Package braucht. Es ist nicht so, dass wir das nicht wollen, im Gegenteil, aber so etwas ist schwieriger als man denkt.“
Stevie: “Ich kann absolut verstehen, warum du so denkst, besonders angesichts der Umstände der Tourabsagen. Aber ich möchte klarstellen, dass Deutschland und Europa im Allgemeinen, für uns immer höchste Priorität hatte. Wir hatten dort einige unserer besten Konzerte. Was die USA betrifft: Ja, dort standen wir in letzter Zeit stark im Fokus, aber das hatte mehr mit Timing und Logistik zu tun als mit irgendetwas anderem. Ehrlich gesagt ging es darum, alles mit den aktuellen Gesundheitsproblemen in Einklang zu bringen. Es ist nicht so, dass wir uns für das eine oder das andere entscheiden, es ging einfach darum, was im Moment möglich war. Wir sind stärker denn je und planen definitiv nach Deutschland zurückzukehren, und wenn es so weit ist, dann mit all der Energie und Liebe, die die Fans dort verdienen. Ich hoffe, das klärt alle Missverständnisse!“
´Roar Like Thunder´ ist euer elftes Studioalbum und das dritte mit Billy Row. Korrigiert mich wenn ich falsch liege, aber mein Gefühl ist, dass sich der Sound leicht verändert hat und dezent eingängiger geworden ist, was mir sehr gefällt.
Stevie: „Du hast mit dem Sound genau den Nagel auf den Kopf getroffen! Ich finde dieses Album hat einen etwas raffinierteren, treibenderen Vibe und wir wollten unbedingt diese eingängige, aber dennoch rohe Energie einfangen. Billys Einfluss war definitiv entscheidend für diesen Wandel. Er hat frische Ideen eingebracht, und es fühlt sich an, als hätten wir uns weiterentwickelt, ohne unseren Kern zu verlieren.“
Wie lange braucht ihr normalerweise um ein Album zu schreiben? Ich frage das, weil die Band verdammt viel auf Tour ist. Entstehen Songideen schon auf Tour oder passiert das erst kurz vor dem Studio?
Josh: „Wir sammeln ständig Ideen für Songs, auch auf Tour. Stevie und ich hören nie auf zu schreiben und sobald wir uns entscheiden ein Album aufzunehmen, treffen wir uns mit Marti Fredrickson (Producer und Songwriter, u.a. mit/für OZZY, AEROSMITH, CARRIE UNDERWOOD, MÖTLEY CRÜE etc.) und schreiben gemeinsam weiter. Normalerweise dauert das etwa zwei Wochen.“
Stevie: „Was das Schreiben des Albums angeht, ist es sehr unterschiedlich. Einerseits kann Tournee eine enorme Inspirationsquelle sein. Man lernt verschiedene Städte kennen, trifft Menschen und erlebt neue Erfahrungen, manchmal entstehen die Songideen also unterwegs. Aber was das Schreiben und Aufnehmen angeht, passiert das meist eher in kleinen Schritten, wenn wir nicht unterwegs sind, besonders wenn wir uns auf ein neues Projekt vorbereiten. Wir tauschen uns ständig aus, auch auf Tourneen, aber wenn es darum geht, ein Album fertigzustellen, gehen wir im Studio eher fokussiert an die Sache heran, oft nachdem wir eine Vorstellung davon haben wohin wir wollen. Es ist also eine Mischung aus Arbeiten unterwegs und konzentrierter Zeit im Studio. Das kann ein paar Monate dauern, aber wir genießen den Prozess, die Musik entstehen und sich entwickeln zu lassen. Jedes Album hat seine eigene Reise und das macht es so spannend! Der Songwriting-Prozess ist bei uns sehr kooperativ. Josh, Marti und ich sind die Hauptverantwortlichen für die Songs. Josh kümmert sich um die Texte und die Melodien, während Marti ein unglaubliches Talent für Hooks und Arrangements hat, die hängen bleiben. Und Marti und ich arbeiten ständig an den Riffs und der musikalischen Seite. Wir profitieren alle von den Stärken des anderen. Was den Bandsound angeht, ist das im Studio definitiv eine Teamarbeit. Jeder bringt seinen Input ein, aber das Songwriting machen wir meist nur zu dritt. Wir arbeiten jetzt schon so lange zusammen, dass wir eine musikalische Sprache entwickelt haben, die harmoniert und uns diesen BUCKCHERRY Sound verleiht. Also ja, es ist vielleicht keine One-Man-Show, wie manche vermuten bezüglich Josh, sondern eher wie eine dreiköpfige Kobra!“
BUCKCHERRY waren mit KISS, MÖTLEY CRÜE, LENNY KRAVITZ etc. auf Tour. Jetzt könnt ihr nächsten August fünf Konzerte hintereinander mit den SCORPIONS in Las Vegas spielen. Wie kam es dazu?
Josh: „Sie fragten, ob wir als Vorgruppe auftreten wollten, und wir sagten „Fuck Yeah“.“
Stevie: „Wenn ich mich recht erinnere, lief unser Album ´Hellbound´ gerade in Deutschland im Radio. Und WHITESNAKE wurde gebeten, nach SKID ROW, den Gig bei den SCORPIONS zu übernehmen. WHITESNAKE sagte ab, und unser Schlagzeuger Francis Ruiz, der Jahre zuvor eng mit den SCORPIONS zusammengearbeitet hatte, bewarb sich. Ein paar Gespräche später zwischen Mathias Jabs und Francis und voila!“
Gibt es bei so großen Shows immer noch „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“ im Tourumfeld oder sind das alte Klischees?
Stevie: “Das „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“-Klischee existiert in einigen Teilen der Musikindustrie immer noch, ist aber heute deutlich weniger verbreitet als früher. Beim Tourneeleben geht es heutzutage eher um Langlebigkeit und Professionalität. Zwar gibt es durchaus einige Musiker und Bands, die dieses Old-School-Image noch pflegen, aber viele Künstler legen mehr Wert darauf, gesund zu bleiben und Abend für Abend solide Leistungen abzuliefern.“
Wie lässt sich Rock’n’Roll im Jahr 2025 beschreiben? Nur noch als reines Business oder ist es immer noch ein Musikstil mit revolutionärem Charakter?
Josh: „Ich kann nur für BUCKCHERRY sprechen. Für uns ist Rock’n’Roll ein Lebensstil. Wir denken ständig darüber nach, wie wir ihn verbessern können.“
Stevie: „Im Jahr 2025 ist Rock’n’Roll eine Mischung aus beidem. Er ist immer noch eine Geldmaschine. Big Bands, alte Hits, klassische Alben, die immer noch Geld einbringen. Aber er hat auch diesen rebellischen Touch für Leute, die ihn mögen. Er ist nicht mehr so wild wie früher, aber wenn man Rock mag, geht es darum, authentisch zu sein und sein eigenes Ding zu machen. Er ist wie eine Komfortzone für alle, die der glänzenden, überproduzierten Popwelt entfliehen und einfach etwas Rohes spüren wollen. Also ja, es ist teils Business, teils Haltung, aber er existiert immer noch, nur ein bisschen anders.“
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Fotos: Tommy Sommers, Mike McMillen