
Es zahlt sich manchmal aus, wenn man seit Mitte der 80er seinen Hairstyle nicht mehr geändert hat und mit offenen Augen extrovertiert durch die Konzertlandschaft läuft. Da ergeben sich durch einen gewissen Wiedererkennungswert mitunter wunderbare Freundschaften in aller Damen und Herren Länder oder man wird von freundlichen Zeitgeistern immer mal wieder nett gestalkt.
Mitunter auch aus dem hohen Norden unseres wunderbaren Landes. Möglicherweise auch durch freundliche Trunkenbolde, mit denen man sich gerne Mal eine Nacht am Auto nach einem Kauzkonzert tailgatend um die Ohren schlägt. Da kann es sogar passieren, daß man sich in einer fröhlichen Bierlaune den Vorteilen des Streamings und Youtube besinnt und mit einem Male extrem verblüfft wird durch die einstigen musikalischen Gehversuche seines Gegenübers.
So geschehen vor einiger Zeit und zurück im normalen Leben konnte ich mich als Lautrer SUPERIOR Freak aufgrund der gebauten Eselsbrücke noch an den Namen INFEARIOR erinnern und war mir auch nicht zu Schade, bei Discogs eines der seltenen Exemplare zu organisieren, da das nächtens Gehörte genau meine Baustelle in Sachen Powerprog war und siehe da: auch ohne biergeschwängerten Schädel war ich sofort in der ´Two Faced World´ gefangen.
Es begab sich zu einer Zeit, als unsere Ländle tatsächlich noch von einigen Dichtern und Denkern bevölkert wurde und sich einige von diesen nach der explosiven Entwicklung des Metals auf den Spuren einer von FATES WARNING initiierten Spielart namens PROGRESSIVE METAL wiederfanden.
Gerade in Deutschland wurden wir von höchst eigenständigen Bands wie DEPRESSIVE AGE, SECRECY, STS 8 MISSION (ohne Alben 2&3!), DIVIDING HORIZONS oder später RA’S DAWN in die höchsten Sphären der Glücksseligkeit komponiert.
INFEARIOR aus Bremen (wie auch die unvergessenen SECRECY) zählten 2004 zur nächsten Generation jener Bands, die progressive Ansätze ohne Gefrickelwixerei in ihren kraftvollen Powermetal integrierten und auch heute noch mein Herz als die wahren Bremer Stadtmusikanten erobern konnten.
Fein eingearbeitete Thrashattacken und herrliches Riffing ergaben mit der kraftvollen Stimme von Havi einen komplett eigenständigen Powercocktail mit viel Melodie und zugleich einer fetzigen Aggressivität, wenn es passend erschien. Abwechslung wurde groß geschrieben und mit einigen ruhigen Parts garniert.
Der progressive Anteil hält sich dabei in für jeden erträglichen Grenzen, somit dürften auch Anhänger der famosen Österreicher STYGMA IV ein Ohr riskieren – Anspieltipp: der abwechslungsreiche Fetzer ´Human Scum´. Auch wenn das Album wie bei vielen Bands des Genres dem Seltenprogger zunächst etwas sperrig erscheinen mag, werdet ihr euch bei jedem Durchgang mehr verlieben.
Das Anfangsriff mit Keyboards vom Opener ´Young Criminal´ bohrt sich langsam ins Gehirn und baut direkt jedes Mal schon Vorfreude auf. Jeder, der die leicht progressivere, kraftvolle Ausrichtung der Kowwelenzer Finest RA’S DAWN zu ´At The Gates Of Dawn´-Zeiten liebte und auf der anderen Seite die metalballadesken Akustikatmosphären der legendären SECRECY oder DIVIDING HORIZONS vergötterte, muss Songs wie ´Still Your Eyes – Break The Silence´, ´Phobos & Deimos´ oder ´Our Last Goodbye´ regelrecht abfeiern.
So schmeckt ein feinste Sahne Fischfilet, welches man sich öfter zu Gemüte führen sollte als so manches zähe Schnitzel einer Jag Panz’schen US- und Japankollektion.