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SHELLAC – To All Trains

~ 2024 (Touch and Go Records) – Stil: Noise Rock/Post-Hardcore/Math Rock ~


Das Leben scheibt manchmal die seltsamsten Geschichten. Nur zehn Tage nach dem tragischen Tod des ikonoklastischen Sängers, Gitarristen und Produzenten/Engineers Steve Albini im Alter von nur 61 Jahren, erscheint nun nach zehnjähriger Pause das neueste Album seiner Band SHELLAC. Ich kann mich erinnern, dass auch Stanley Kubrick erst kurz nach Fertigstellung seines Abschiedswerks ´Eyes Wide Shut´ an einem Herzinfarkt verstorben war und dessen Premiere nicht mehr miterlebte, eine Parallele von der man sicherlich nicht allzu gerne etwas hört.

Aber wie auch Kubrick war Albini eine ungeheuer streitbare Person, ein Mann, der eine ganze Reihe unnachgiebiger, kompromissloser und moralischer Prinzipien für den DIY-Underground ausarbeitete und vor allem auch nach diesen Grundsätzen lebte.

 

 

Was mit ´To All Trains´ eigentlich zu einem rauschenden Fest von dieser legendären Band an Klangvisionären werden sollte, hat sich nun also leider zu einem bittersüßen Ereignis entwickelt – und wie zu erwarten war, gibt es auch hier keine einfachen Sound-Fahrten, genauso wenig wie rockende Angeberei, sondern nur endlos elektrisierende Stöße aus gezacktem, einzigartigem Lärm, mit Riffs und Beats, die wie große, klirrende und verrostete Industriemaschinen arbeiten.

Tatsächlich waren alle fünf bisherigen SHELLAC-Alben unglaublich eigenwillig, herausfordernd und konsistent, und von Natur aus darauf ausgelegt, die Spreu vom Weizen zu trennen, indem sie einen strengen und genauso harten Ansatz bei der Songstruktur verwendeten.

´To All Trains´ ist ein nun ein weiteres fantastisches Album, das sich wie seine Vorgänger einerseits äußerst vertraut anfühlt, aber dennoch viel Eigencharakter besitzt und insgesamt 10 Songs mit einer Gesamtlaufzeit von nur 28 Minuten und 13 Sekunden präsentiert.

Die Grooves sind jedenfalls so ansteckend und hypnotisch wie eh und je, von ´WSOD´, mit den schwungvollen Licks Albinis und Bob Westons absteigender Basslinie, bis hin zu den nudeligen Gitarren-Slides und der stampfenden Rhythmussektion bei ´Tattoos´.

Sowohl Albini als auch Weston liefern zudem den Gesang, und jeder bringt seine eigenen emotionalen Nuancen mit ein, wobei Albini meist bissig und witzig wirkt und Weston wesentlich luftiger und weniger aggressiv.

´To All Trains´ besitzt alle großartigen Qualitäten der Band, und es ist erneut voller Humor, Verzerrung und Attitüde. Was dieses Album jedoch im Vergleich zu den beiden Vorgängerwerken wieder wesentlich zugänglicher macht, ist sein prägnantes Songwriting, das alles, wofür die Band bekannt sind, in den leicht verdaulichen Songs verdichtet.

Es zeigt die größten Stärken der Band und erschafft ein schlankes, stimmungsvolles und knallhartes Werk, und das Beeindruckende daran ist, dass SHELLAC dabei kein Jota ihrer experimentellen Natur oder aggressiven Tendenzen geopfert haben.

(9 Punkte)

 

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