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THE ROLLING STONES – Hackney Diamonds

~ 2023 (Polydor) – Stil: Rock ~


Nachdem Schlagzeuger Charlie Watts am 24. August 2021 im Alter von 80 Jahren verstorben war, dürften die ersten positiven Meldungen aus dem Bandlager der ROLLING STONES Anfang des Jahres 2023 die ersten Anzeichen eines neuen Studioalbums der britischen Rock-Legende gewesen sein. Die Erinnerungen an den unerschütterlichen Schlagzeuger wurden unterdessen vor jedem Konzert der letzten Tournee mit einem Video hochgehalten.

Langsam sickerten im Laufe der vergangenen Monate vereinzelte Meldungen durch, dass auf dem kommenden Album unter anderem Elton John, Lady Gaga, Stevie Wonder und Paul McCartney involviert wären. In einer lokalen britischen Zeitung wurde im August 2023 eine Werbeanzeige mit dem Band-Logo geschaltet, die auf einen fiktiven Diamantenjuwelier namens „Hackney Diamonds“ verwies.

Am 8. September 2023 ließen der 80-jährige Mick Jagger, der 79-jährige Keith Richards und der 76-jährige Ronnie Wood die Katze aus dem Sack und gaben die Veröffentlichung von ´Hackney Diamonds´ für den 20. Oktober 2023 bekannt.

Das letzte Studioalbum der ROLLING STONES mit Originalmaterial lag immerhin achtzehn Jahre zurück. Seit ´A Bigger Bang´ musste Mick Jagger anscheinend fortwährend zu neuer Musik angestachelt werden und Keith Richards wegen Arthritis seine Spielweise angleichen. Endlose Studio-Sessions brachten in den vergangenen Jahren jedoch kein brauchbares Ergebnis. Erst als Sänger/Gitarrist Andrew Watt als Produzent hinzugezogen wurde, kam es innerhalb von vier Wochen zu ansprechenden und entsprechenden Resultaten, so dass am Ende sogar genügend Kompositionen für ein Folgealbum zur Verfügung standen.

 

 

Das 24. Studioalbum der ROLLING STONES zeigt sich auf Wunsch von Mick Jagger in einem zeitgemäßen Pop-Rock-Sound. Andrew Watt modernisiert den Band-Sound, ohne die altmodischen Weisheiten zu vergessen. Natürlich tauchen im schwer rockigen ´Get Close´ sowie in der brillanten, siebenminütigen Gospel-Rock-Ekstase ´Sweet Sounds Of Heaven´, inklusive Lady Gaga am Mikrofon, auch Trompete und Saxofon auf, die sehnsuchtsvolle Pedal Steel-Ballade ´Depending On You´ wird zudem von sanften Streichern verziert, ansonsten transportieren allerdings nur Gitarren, Bass und Schlagzeug den Sound der ROLLING STONES in die Gegenwart.

Bei der einzigen, leicht entbehrlichen funky Indie-Disco-Rock-Nummer ´Mess It Up´ samt Micks angegangenem hohen Schrei und dem klassischen Rocker ´Live By The Sword´ mit Honyktonk-Piano sitzt sogar noch Charlie Watts hinter dem Schlagzeug, ansonsten Steve Jordan. Selbstverständlich wird daher die eine oder andere Jazz-Figur von Charlie Watts vermisst, doch das Album bleibt auch so auf althergebrachten Pfaden und versteckt die Kompositionen kaum hinter Effekten und Keyboards. Mick Jagger ist gut bei Stimme und Keith Richards derart abgeklärt, dass er das eigene Lead-Gitarrenspiel auch einmal anderen überlässt.

Nach klassischen 48 Minuten schließt der ´Rolling Stone Blues´ von Muddy Waters das neueste Studioalbum der ROLLING STONES regelrecht Blues versunken ab. Zuvor beweisen sie aber noch, dass sie die Vorreiter all der Brit-Rocker sind. Während der Country-Blues von ´Dreamy Skies´ und der lockere Liebes-Rocker ´Driving Me Too Hard´ noch eher zu den sentimentalen Stücken gehören, eignet sich das unkonventionelle ´Whole Wide World´ für den nächsten Sturm auf die Hitparaden. Keith Richards haut mit den Jungs in ´Tell Me Straight´ selbst nochmal einen raus und die ewig jungen Kerle geben mit Songs wie den ordentlich lärmenden ´Angry´ und ´Bite My Head Off´ das Rock-Zepter längst nicht aus der Hand.

In dieser überraschend umwerfenden Verfassung sollte sich ein gebotener Nachfolger nicht lange zieren, denn ´Hackney Diamonds´ macht Lust auf mehr. Wer auf dieser Erde kann sich schließlich eine Welt ohne Keith Richards und die ROLLING STONES vorstellen? Es gibt schließlich und endlich nicht viele Erdenbewohner, die bereits vor ihnen ein Dasein fristeten.

(8 Punkte)

 

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Pic: Mark Seliger