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DUNWICH RITUAL – The Weird Tapes Sessions

~ 2024 (Jawbreaker Records) – Stil: Cosmic Speed Metal ~


Heavy Metal ist schon eine eigenwillige Musik. Da gibt es die Gewaltigen, die hochglänzenden und überlebensgroßen Gottgleichen vom Rockolymp mit Musik von grandios bis zweifelhaft, oft umstritten, viel gescholten, aber von ihrem Kultfanstamm und ihren Mainstreamkunden (so ähnlich wie bei Bayern München, Michael Schumacher / Ferrari, Oktoberfest, Loveparade, diverse Open Air Rock Festivals) immer weiter getragen, Grundlage für viele Karrieren als Heavy Metal-Fanatiker. Und dann gibt es den reinen Underground, Kapellen mit Vision oder Leidenschaft, im besten Falle beidem. Oft mit wenig Geld für große Produktionen.

Ich als Fan und kauflustiger Freund von Platten und CDs, denn sie sind wie Spotify, nur daß ich die Songs behalten darf, stehe dann mittendrin und muss checken, was mir wichtig ist. Damals, in den 70ern und 80ern, war auch bei den größten Stadionacts oft die Musik beseelt, voller Inspiration und frischen Ideen. Heute ist es im Segment Heavy Metal, also der Musik, die zwischen 1978 und 1986 ihren besten und kreativsten Run hatte, die aus melodischem Gesang, nachvollziehbaren Songs für die Ewigkeit, kräftigen Riffs mit Melodie und durchdringenden Soli auf packenden Rhythmusfundament bestand, natürlich kaum mehr möglich, wirkliche Innovationen anzubringen, ohne daß die Musik ihre Seele verliert. Also setzen viele Youngster auf alten Keks und wärmen auf, was vor 40 Jahren gut war. Ich liebe natürlich traditionelle Kost nach altem Rezept, wenn die Zutaten frisch sind.

Das ist oft im Classic Metal Bereich nicht der Fall. Und da kommen dann DUNWICH RITUAL nach langem und sinnfreien Vorwort (ich lese mich halt gern selbst) ins Spiel. Franzosen sind es, die beim letzten und fast episch langen Song einen norwegischen Gastmusiker, Cato Stormoen von BLACK VIPER und DEATHHAMMER, ehemals BLACK MAGIC, dabei haben.

Ihr ´The Weird Tapes Sessions´-Album hat mich über obskure Quellen erreicht, ein Reinhören auf Bandcamp leistete Überzeugungsarbeit und da ist es. 2024er Release, ganz frisch.

Das Intro ist irreführend, gleich dem Cover. Das kann Blackmetal sein oder Dungeon Synth, also elektronische Musik mit Kerkeratmosphäre. Ich liebe beides. Geboten wird davon nichts.

Der erste Song prischt los, flotte Drums, Sängerin mit klarer Stimme, rasante Gitarrenläufe. Speedmetal. Sound wie direkt im Proberaum oder auf der Bühne live aufgenommen. Die Melodien dunkel, mystisch, von alter Traditionsmusik inspiriert, aber nicht kitschig, eher furios. Der Bass setzt melodische Akzente und ist nicht nur reine Rhythmusbegleitung.

Riffs und Abläufe klingen natürlich irgendwie vertraut. Die Kompositionsweise ist ganz klar irgendwo in den mittleren 80ern geboren worden. Die Art der Melodien auch. Da wären wir halt wieder beim Thema. Altes Rezept oder auch alte Zutaten? Ich nehme an, gleich mehrere Schallplatten aus den 80ern in der Sammlung zu haben, auf denen Gitarren und Gesang ähnlich klingende Schöpfungen zelebrieren. In klarerem Soundgewand wohlgemerkt.

Stört mich das nun? Schließlich hab ich Geld für „Same old Story, same old Song and Dance“ ausgegeben und hätte mir auch die geilen WYTCH HAZEL holen können, die nach altem Rezept kochen, aber immer wie noch nie da gewesen tönen. Also, nein, mich stört es nicht, sondern erfreut mich sogar. Der verwaschene Bootleglivetapesound lässt die wilde und hingebungsvoll Darbietung der Franzosen erst richtig zur Geltung kommen. Die wohlvertrauten Akkordfolgen und Gesangslinien wirken umso intensiver, weil sie pures Feeling sind und so lustvoll zelebriert werden, dass mir die Sinne durchglühen. Die Atmosphäre ist darüber hinaus mystisch, was eben auch daran liegt, daß die Musik wie aus einer anderen Dimension in unsere Zeit herüberhallt.

Spielen können die Franzosen. Und die Passagen sitzen halt auf dem Punkt. Jede Note und jeder Schlag machen Sinn. Die Songs sind sinnvoll geschrieben. Und entsprechend eingängig gehalten sind sie auch. Und so nach und nach fräsen sie sich in die Seele ein. Es sind nicht so sehr die Kompositionen, sondern mehr das Gesamtkunstwerk, welches dann dem Hörer sagt, hier spielen DUNWICH RITUAL Speedmetal.

Dieses Album mag nicht überlebensgroß sein. Es ist aber liebenswert kauzig, liebenswert kompromisslos, liebenswert vertraut und beseelt. DUNWICH RITUAL spielen auch nicht nur pfeilschnellen Speedmetal, die Bandhymne ist eher mittelschneller, leicht galloppierender alter Heavy Metal mit allen Aspekten, die an dieser Musik schön sind.

Freunde von gebügeltem Schönklang können gerne ihre „Nuclear Blast“-Helden verehren. DUNWICH RITUAL sind der echte Deal. Roh, etwas chaotisch, da viel in flottem Tempo gespielt wird, auf gewisse Weise verwegen.

Namedropper würden sagen, sie haben die guten Visionen solcher Helden wie ADX, ACID, den ganz frühen HELLOWEEN, BROCAS HELM, AGENT STEEL und SORTILÈGE neu aufgekocht. Zumindest sollten Freunde von speedigem Heavy Metal zwischen 1982 und 1985 diesen mystisch wilden Hexentanz für eine Walpurgisnacht oder eine Lovecraft’sche Wesenheitenbeschwörung zu sich holen.

Ich gebe begeisterte zehn Punkte und ziehe für eine objektive Wertung zweieinhalb Punkte ab. Vielleicht gleich drei. Macht was draus. Bekommen könnt Ihr die Musik hier…

https://jawbreakerrecords.bandcamp.com/album/the-weird-tapes-sessions