PlattenkritikenPressfrisch

POOR GENETIC MATERIAL – Possibilities

~ 2024 (QuiXote Music) – Stil: Prog/Art Rock ~


POOR GENETIC MATERIAL treten 2024 endlich wieder in voller Mannschaftsstärke an. Nach einer Kollektion an Instrumentalstücken (´Anywhere´, 2023) sowie einem Album in stark reduzierter Besetzung (´Elsewhere´, 2023) veröffentlicht die seit 2011 als Septett antretende Formation endlich wieder ein Studioalbum in vollständiger Besetzung.

Dabei waren die atmosphärischen Ausflüge für eine ursprünglich reine Instrumentalband gar nicht so abwegig. Schließlich begannen Stefan Glomb (Gitarren) und Philipp Jaehne (Piano, Organ, Synthesizer, Mellotron) das Projekt POOR GENETIC MATERIAL dereinst mit zwei experimentellen Soundscape-Werken (´Free To Random´, Vol. 1 und 2, 1999 und 2000). Erst durch den Eintritt von Sänger Philip Griffiths und die Reduzierung der elektronischen Elemente wurden POOR GENETIC MATERIAL zur Progressive Rock-Combo, die ihre personelle Blüte 2011 erreichte, als Pia Darmstaedter den Sound mit ihrer Flöte bereicherte und Martin Griffiths (BEGGARS OPERA fame) mit einigen Gesangsbeiträgen für eine zusätzlich bezaubernde Wirkung sorgte. Die Alben ´A Day In June´ (2013), ´Absence´ (2016), ´Here Now´ (2020) und die „15th Anniversary Edition“ von ´Spring Tidings´ (2021) können seither ein begeistertes Lied davon singen.

Auf ´Possibilities´ kommt jetzt glücklicherweise wieder die gesamte und bekannte Besetzung von POOR GENETIC MATERIAL ins Spiel. Es ist überwältigend wie die Rhythmusgruppe um Dennis Sturm (Bass) und Dominik Steinbacher (Schlagzeug) agiert und die Percussions allzeit wuchtig und bewegend präsent sind. Es ist bei jedem Einsatz von Pia Darmstaedter ein Traum, ihrem virtuosen Flötenspiel zu lauschen, und wenn Sänger Philip Griffiths zu seinen Einsätzen kommt und im Verbund mit der Band zum Harmoniegesang ansetzt, ist es um den Zuhörer geschehen.

POOR GENETIC MATERIAL sind schlichtweg mit großartigem Songmaterial und großer Spielfreude wieder zurückgekehrt. Im Titelsong ´Possibilities´ pulsiert der Sound zur Begrüßung, die Orgel dröhnt und Schlagzeug sowie Gitarre wollen sich gegenseitig in Eifer und Melodie überbieten. Philip Griffiths singt auf verschiedenen Ebenen, während unterdessen die schiere Regsamkeit nachlässt und die Flöte mitreißend in den Melodienbogen einstimmt. Auch die erste längere, achtminütige Komposition ´Rain´ erfährt nach einer Akustikgitarreneinführung ein Bombardement des Schlagzeugs, wiegt sich jedoch samt Harmoniegesang gleich im Wohlklang des Progressive Rock, um sich die ausgefalleneren Tonfolgen für eine Passage zwischendurch aufzuheben.

Ein ´A Spark Of Ideas´ lebt überwiegend vom Harmoniegesang und den Trommelwirbeln, während ´Old Buffoon´ mit der Unterstützung von Martin Griffiths beinahe den „Music Hall“-Stil längst vergessener Jahrhunderte wiederbelebt und ihn QUEENesk ins Pop-Gewand kleidet, passend zum Jahr 1924 oder eben auch 2024. Den epischen Höhepunkt findet der Progressive Rock hingegen in der fast dreizehnminütigen Komposition ´An Island In Time´, mit famosen Chorgesängen und einigen Instrumentaldarbietungen. Den Schlusspunkt setzt ´Contingency´, aus einer FLOYDigen Grundstimmung heraustretend, mit ausgefeiltem Satzgesang. Kleine Experimente, kleine Wendungen und viele Stimmungswechsel kennzeichnen in der Tat dieses abwechslungsreiche und geschmackvolle Album.

POOR GENETIC MATERIAL entfalten wahrhaftig ihre sämtliche Schöpferkraft erst in voller Mannschaftsstärke.

(8,5 Punkte)

 

 

https://poorgeneticmaterial.bandcamp.com/album/possibilities
https://www.facebook.com/poorgeneticmaterial/