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LAETITIA SADIER – Rooting For Love

~ 2024 (Drag City) – Stil: Lounge Pop/Krautrock/Easy Listening/Experimental ~


Die womöglich größte Errungenschaft in Laetitia Sadiers Karriere, die ihr gemeinsam mit ihrem Ex-Partner und STEREOLAB-Mitbegründer Tim Gane gelungen ist, ist die Ausarbeitung ihrer originären Sound-Vibes, einer feinen Synthese aus zweiakkordigen Drug-Drones im VELVET UNDERGROUND-Style und französischem 60s-Pop, gekreuzt mit Krautrock aus den 70ern und noch weiteren stilistischen Verfeinerungen, die sogar weit darüber hinausgehen. Die Essenz von STEREOLAB ist jedenfalls etwas, das Sadier nach wie vor in ihrer DNA trägt, und was auf ihren Solowerken rund drei Jahrzehnte später immer noch deutlich spürbar ist.

Auf ´Rooting For Love´, ihrem ersten Album seit 2017, erkundet sie nun thematisch neue Wege zur Heilung der Menschheit, inspiriert von ihrem Zen-Shiatsu-Training und den Worten von Véronique Vincent von ´The Honeymoon Killers´.

 

 

Sadier hatte selbst in den finstersten Zeiten immer der Hoffnung Priorität eingeräumt. „Kriege können unsere Probleme nicht überwinden / Status, Prestige, Prominenz bedeuten derzeit nichts“, sang sie bereits vorausschauend auf ihrem letzten Soloalbum. Dieses Mal stellt sie sich dem globalen Leid direkter, indem sie „einen Aufruf an die traumatisierten Zivilisationen der Erde“ richtet und uns auffordert, uns gemeinsam weiterzuentwickeln.

Ihre musikalische Klangpalette wird dann auch niemanden überraschen, der mit Sadiers bzw. STEREOLABs Backkatalog vertraut ist, und sie hat ihrem Sound nun auch ein Vokalensemble hinzugefügt, das sich „The Choir“ nennt, und das ihren im Grunde weltfremden Songs noch mehr Verbundenheit mit der Welt verleiht.

Auf ´Protéïformunité´ singt sie sanft auf Französisch über verträumte Bassplucks, luftiges Synthesizer-Pulsieren und straffe Drum-Machine-Rhythmen hinweg und bringt „The Choir“ mitten ins Spiel, zunächst subtil und dann umso bereitwilliger, wenn das Stück in Prog-Exzesse explodiert.

Die muntere Single-Auskopplung ´Une Autre Attente´ ist dann auch einer der fesselndsten Momente und nähert sich sogar STEREOLABs epochalem ´Emperor Tomato Ketchup´-Album, und es ist eine erste Erinnerung daran, wie gut Sadier nach wie vor dazu in der Lage ist, eingängigen, modernen Lounge-Pop zu schreiben.

´The Inner Smile´ hingegen besticht mit einem Wirbel aus Flöten und gespenstischen Chorphrasen, der fast in Stille verschwindet, bevor er in einen von einer Orgel geleiteten Tempowechsel und ein bizarr-brillantes Spoken-Word-Segment übergeht.

Bei ´La Nageuse Nue´ orientiert sie sich an den amerikanischen Minimalisten Philip Glass und Steve Reich und singt sich über rhythmische Vokalisationen und opernhafte Stürze hindurch.

Die Klanglandschaften der Französin sind jedenfalls emotional vielschichtige Flickenteppiche aus Genres und Ausdrucksformen, die von einer universellen Ganzheit sprechen, die zugleich grenzenlos und fließend ist.

(8,5 Punkte)

 

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