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AASH – Embodiment Of Chaos

~ 2023 (Anger of Metal) – Stil: Blackened Death Metal ~


Ich werde jetzt ob des Bandnamens keine Wortwitze machen, auch wenn es sich gerade anbietet, ja, lecks mich doch…Was zählt ist die Musik. Ich kenne die meisten Stücke bereits von der 2022 als EP auf Kassette veröffentlichten Version, der nun eine von sieben auf neun Songs aufgestockte CD folgt.

Die Musik von Timo Espenhahn, dem Hamburger Jung, über den ich gar nicht viel weiß, und Redouane Aouameur, Urgestein der extremen Metalszene Algeriens, nebst Session Drummer, ist dabei ein wunderschöner Rückblick auf die 90er Jahre, so ab 1994/1995 bis 1998. Vielleicht auch mehr als das, ein Zeitschiff, mit dem man auch räumliche Distanzen überwindet. Wir steigen im Januar 2024 (die CD kam bereits im Dezember 2023 auf den Markt und das Tape ist schon 2022 veröffentlicht worden) ein und befinden uns in einem Club in Schweden, wo gerade der Teufel an Melodic Death und Melodic Blackmetal abgeht. Underground versteht sich, also irgendwie bestialisch trotz mitreißender Gitarrenmelodien und mystisch dunkel statt hymnisch jubilierend.

Was mir schon beim Tape auffiel, das wird beim Wiederhören auf CD sehr deutlich. Timo und Redouane haben eine Vision und wo letzterer, der Herr an den Vocals, nur knurrt und grollt wie ein Gnom aus den mittelskandinavischen Wäldern, kümmert sich Multiinstrumentalist Timo um das Drumherum, die Arrangements zum Gesang und bietet seine inneren Klangbilder mit immenser Inbrunst und Leidenschaft dar. Der dazugebuchte Trommelknecht unterlegt den melodiereichen und doch biestig harten Oberbau mit spannenden Rhythmusfiguren, die den Stücken Schwung verleihen.

Ich hatte heute, am 16.01.2024 gerade ein Gespräch auf Facebook verfolgt, bei dem es um Deathmetal Gatekeeper ging, die den schwedischen Melodic Deathmetal schon ab den frühen Alben zum Teufel jagen und lieber die hart zerrige Variante aus Stockholm mit den schönen Boss HM 2 Effektpedalen als das Maß aller Dinge in ihrer Bubble hochleben lassen wollen. Wir alten Säcke um die 50 sind dabei aber tatsächlich diejenigen, denen der Stock im Arsch fehlt, weil wir vor 30 Jahren beide Seiten des schwedischen Deathmetal auch erlebt haben. Und beide Varianten schocken.

Das war nur ein Zwischengedanke zu AASH. Sie erheben sich wahrlich wie ein Feuervogel aus der Asche mit fantastischen Songs. Die Melodien schleichen sich in Deine Seele ein und zerren sie förmlich in die mystischen Tiefen einer garstigen Zauberwelt, wo wahre Orgien an wilden Jagden zu den eruptiven Stücken dieses Albums gefeiert werden. Hier ist die Zeit nicht mehr relevant und die Herkunft der Barden, dieser menschliche Aspekt, löst sich in der Spirit World einfach auf. Denn AASH haben dieses magische Element und diese furiose Lust in ihrer Musik, welche guten Death- und Blackmetal zum idealen Sinnesfutter für diejenigen macht, die ihrer wilden Natur Ausdruck verleihen und zu den Antipoden der kaltgrauen Realität reisen wollen.

Diese von schierem Irrsinn und intensiv brodelndem Zorn getriebene Musik berührt tief, sobald die Kruste aus ruppigem Lärm und klanglicher Urgewalt durchbrochen ist. AASH können auch liebevoll, beinahe sanftmütig, aber immer mit rauer Schale. So ist der letzte Demosong ´An Ode To My Darkness´ eher mittelschnell, von vielen schlichtweg schönen Harmonien und Gitarrenläufen durchzogen, aber durch die klirrenden und sägenden Riffs und den fiesen Knurrgesang so herrlich abseitig, dass ich es schon als Liebesballade an den Tod der Seele und den Verfall geistiger Gesundheit sehe.

Zwei Bonusstücke kommen noch und sie fügen sich in die rau-melodische Ausrichtung von AASH ein. Man merkt, dass sie etwas anders und voller klingen, aber diese räudige Kruste immer noch mit sich bringen. ´Endstation Leben´ ist wohl auf Deutsch gesungen, kann als Schwesterlied zu ´An Ode To My Darkness´ gesehen werden, ebenso melodisch mit eher getragenem bis mittelschnellen Tempo, dunklen, aber eindringlich gefühlvollen Melodien und einer zauberhaften Atmosphäre.

Meine Güte, ist das geil. Ganz ehrlich, 1993 oder 1994 hätte ich mir den Arm für solche Musik absägen lassen. Gatekeeping für’n Mors. Diese Balance aus roher Gewalt, infernalischer Macht und Melodieintensität haben auch damals nur die Besten auf der Pfanne gehabt. Ich bin wieder 20 und liege geplättet in meiner Bude in der Ecke, flenne ob der ergreifend tragischen Melodieführung wie ein Schlosshund, recke mit verzweifeltem Mut zum Racheschwur an den nicht realen Feind die Faust gen Himmel. Mit dem gigantischen Melodic Death Hammer ´Farewell´ jagen mir AASH noch einmal glühende Nägel ins Seelenfleisch. An Abwechslung kommt das Stück nicht zu kurz, bis hin zu blastenden Ausbrüchen ist hier die gesamte Breite an Stilmitteln vorhanden. Welche Pracht.

Solche Musik schreibt und spielt man aus purer Liebe, auch wenn ich angesichts dieser immensen Kraft und Wut die sanfte Seite der Liebe nur schwerlich entdecken mag. Neu ist das hier sicher nicht, aber für mich sind die geilsten aktuellen Kapellen auch immer die, welche mich durch Zeit und Raum zu den güldnen Ufern meiner Jugend tragen und mich wieder neu entdecken lassen, was mir damals die Sinne betörte.

Wer abseits von poppigen Phrasen und gestylter Wacken Mentalität die wahre Leidenschaft des melodischen Death- und Blackmetal spüren will, der schickt seine Taler an anger-of-metal.de

(9,5 Punkte)