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SHAYTAN – Shaytan

~ 2023 (Metal On Metal Records) – Stil: Doom ~


Unter ihrem alten Bandnamen DEMON INCARNATE kenne ich sie noch, habe sogar ihr erstes Album daheim, allerdings nicht im Sinn. Also ein kompletter Neuanfang hier, was unsere Beziehung angeht. Doom, epischer, aber erdiger Heavy Metal, Heavy Rock, charismatische Stimme in mittleren Lagen, ab und an zweistimmige Harmonien und Refrainlinien.

Aber da ist so ein herrlich schmutziger Gitarrenton und manches Mal eine düstere Eintönigkeit in den Gesangsmelodien. So gehört in den Strophen beim Opener, der zugleich Bandnamen und Albumtitel repräsentiert, dafür aber einem hymnischen Refrain viel Raum gibt. Ja, auch wenn der Song treibender ist, hier handelt es sich um Doom. Das Solo melodisch, aber irgendwie abseitig. Einige Brückenpassagen auch. Cool, wie geht es weiter?

Hab ich da eine Orgel vernommen? Beim zweiten Stück „Salting The Earth“ erstmal nicht so vordergründig, dafür Rhythmen, bei denen ich zu den orientalischen Melodien die Derwische tanzen sehe. Diese Wüstenpsychedelik der Melodien aus 1001 Nacht ist nicht unüblich für Doom. Doch, ach, Orgel, da ist sie. Schleicht sich hinter Riffs, Rhythmus und Gesang herum. Denkt wohl, ich merke das nicht. Die verspielten Gitarrenmelodien sind so herrlich. Das episch heroische Solo auf zermalmend wuchtigem Riffunterbau ebenfalls.

Spielen können die Boys, schöne Songs schreiben auch. Ob das letztendlich dazu reicht, in 8 Jahren nicht wieder von mir vergessen zu werden, kann ich noch nicht sagen. Aber die Musik ist ganz meins.
Doom ist ja immer etwas spröde und nur selten ein sofortiger Melodienzünder. SHAYTAN rackern sich da schon gut einen ab. Und ich merke, dass diese Platte ein Grower ist, wie bei so manchen neueren Alben im Doom. Nach außen hin ein typischer Vertreter des Genres. Nach eingehender Beschäftigung ein Monument. Vielleicht…

„Speaking In Tongues“ wird diesem Bild gerecht. Hat wuchtig wogende Rhythmen und zermalmend schwere, brodelnde Riffs. Der Gesang hat spröde monotone und mystisch melodische Aspekte, wird mit rauerer Stimme vorgetragen. Wenn die Leadgitarre ihr urgewaltig kochendes Solo abfeuert, schält dieser massive Klangausbruch Dir beinahe Haut und Fleisch von den Gesichtsknochen. So macht Doom mir Freude.

Und sie machen gerne „Tabula rasa“, besser, sie würden mit dem Doom gerne selbiges veranstalten. Der wogende und wuchtig tänzelnde Song gleichen Namens allerdings wird da nicht zu beitragen. Geil ist er allemal, allein durch seine Intensität. Die Langzeittauglichkeit kommt noch.

Endlich, Orgel, laut und schwer. Ein cooles melodisches Riff dazu auf treibendem Shufflebeat gespielt. Ein Gongschlag. Vorbei ist „The Sleepless Eye“, ein kräftiges wie kurzes Interludium und Auftakt zu „Darvaza“, einem dunklen, mittelschnellen Banger mit mystisch tiefen Gitarrenmelodien und ebensolchem Refrain. Hier kommt besonders ein Einfluss für die Band zum tragen. So deutlich und direkt, dass er sich Dir förmlich aufzwingt. Guter Song, ja, aber etwas blass um die Nase.

Ich möchte bei dieser Band nur positive Aspekte loben. Die sind auch ihrerseits vielfach gegeben. „Embers Glow“ ist wieder einer der coolen Songs, die trotz Beharren auf Traditionen eine Eigendynamik durch Spielweise und Melodie entwickeln. So wechseln die Rhythmen von orientalischem Tanz zu wogendem Tosen hin und zurück, die Melodien sind klassisch dem nahen Osten entsprungen, aber der Refrain in seiner Einfachheit ist sehr westlich geprägt und eindringlich. Das Solo brennt sich Deiner Seele förmlich auf und der ruhigere Abschnitt ist von unendlicher Tiefe und Melancholie. Das ist geil. Sicherlich schon anderweitig im metallisch epischen Doom bereits verwendet, aber irgendwie geil.

Ein leichtfüßiges Instrumental schließt sich an, „Diaspora“. Doch irgendwie ist ihm eine gewisse Düsternis zueigen. Ansonsten niedlich, ein akustisches Stück mit Synthesizer im Hintergrund, folkig gespielt mit wiederum zum Orient gehörenden Melodiebögen.

„Samsara“ will mich jetzt abholen und fertig machen. Traurig und trübsinnig tragisch beginnt der Song als Ballade und hat so ein bekümmertes Feeling. Dann aber kommen ein wenig abseitig wirkende Passagen, wobei die balladeske Art bestehen bleibt. Es sind die Brücken zum Refrain, der inbrünstig schmachtend mitreißt. Das Solo auf den komisch schrägen und irgendwie verstörenden Brückenpassagen ist schön, verwirrt aber. Der Refrain soll mal öfter auftauchen. Obschon, ich mag dieses proggig abseitige. Oh, da fällt der Song in sich zusammen und ist weg. Das Album ist vorbei.

In den schnellebigen Zeiten heutzutage wird manch einer das Album als okay und unaufgeregt abtun, weil hier natürlich Doom Metal in sehr klassischer Weise zelebriert wird. Nach und nach erst stoßen sich die Ecken ab und unter der spröden Schale findet sich der Karamellkern.

Bevor man auf Krampf neue Musik erfinden will, kann man sich hier den Genuss holen. Darauf kommt es an.

Dieses Album ist durchgehend gut gemacht, die Labelmacher sind sympathisch, die Attitüde stimmt und die Band kann was. Ich gebe dafür gerne mein Geld.

(8 Punkte)