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JOHN COLTRANE – A Love Supreme

~ 1965/2020 (Impulse!/Verve Records) – Stil: Jazz ~


Die mit Abstand beste Pressung des bedeutendsten Jazz-Albums aller Zeiten stammt derzeit aus dem Jahre 2020. „Impulse! Records“ veröffentlichten in besagtem Jahr das monumentale Kunstwerk von John Coltrane innerhalb ihrer hochwertigen „Acoustic Sounds Series“.

´A Love Supreme´ wurde ohne digitale Zwischenschritte von den Original-Analogbändern, wie in anderen Serien mittlerweile ebenfalls gebräuchlich, gemastert.

Dieses bei „Quality Record Pressing“ hergestellte, feinste 180g-Vinyl ist somit eine der leisesten Schallplatten für jeden Plattenspieler, schwarz sowie schön flach, und kommt in einem stabilen, sich schwer anfühlenden Tip-on-Gatefold-Sleeve.

Die Aufnahmen klingen sehr luftig und vollkommen authentisch. Mit solch einer Qualität kann wahrscheinlich annäherungsweise nur die luxuriöse 45 RPM-Pressung von „Analogue Productions“ aus 2013 aufwarten, falls man nicht im Besitz der Original-Pressung ist.

 

Der Weg zum Mythos

Die ersten übermächtigen Marksteine seiner Karriere setzte John Coltrane im Jahre 1956 mit seinem Mitwirken am ersten großen Quintett von Miles Davis, weitere im Jahr 1957 mit seiner Beteiligung am Quartett von Thelonious Monk. Er spielte anschließend abermals für Miles Davis, auch auf dem Meilenstein ´Kind Of Blue´, und gründete 1960 sein erstes eigenes Quartett.

Sein sogenanntes „klassisches Quartett“ entstand 1962 mit McCoy Tyner, Jimmy Garrison und Elvin Jones. Bis dahin hatte er schon die Meilensteine ´Blue Train´ (1958), ´The Cats´ (1959), ´Giant Steps´ (1960) und ´My Favorite Things´ (1961) veröffentlicht. Von nun an nahm John Coltrane nur noch aus der Spiritualität begründete Werke auf. Nach seiner Drogen- und Alkoholsucht widmete er sich seinem Seelenheil. Seinen komplexen Musikstil formte er harmonischer und melodischer.

 

Epos der Dankbarkeit

´A Love Supreme´ ist ein sich nicht wiederholendes Epos, kontinuierlich schwillt eine vierteilige Suite an und ab. Die vier miteinander verbundenen Songs beginnen in ihrem Sanftmut, ehe sie ihr zerstörerisches Element offenbaren, um schließlich ihren Frieden zu finden. ´A Love Supreme´ scheint somit schlicht die Suche nach Frieden musikalisch auszutarieren. Dennoch trägt insbesondere zum Legendenstatus und Mythos des Werkes bei, dass sich John Coltrane nie öffentlich über die genaue Bedeutung des Werkes geäußert hat. Er selbst bezeichnete die Suite als „ein Dankeschön an Gott“ und bezeugte mit ihr seine Liebe zu ihm.

Viele Vermutungen und ein reicher Schatz an Fantasie wurden bereits in das Werk hineininterpretiert, um John Coltranes Suche nach Spiritualität auf die Spur zu kommen. Sein viel zu früher Tod im Alter von 40 Jahren, drei Jahre nach den Aufnahmen zu ´A Love Supreme´ intensivierten diesen Mythos allerdings noch. Tatsächlich wurde er nach seinem Tode von der Afrikanisch-Orthodoxen Kirche sogar heiliggesprochen und zum Heiligen John William Coltrane ernannt.

 

Von Acknowledgement zum Psalm

John Coltranes Opus Magnum überdauert alle Zeiten. Die Hymne über die Stellung des Menschen unter Gottes Gnaden kommt über die Länge des gesamten Albums einer Sinfonie epischen Ausmaßes und Intensität gleich. ´A Love Supreme´ berührt die Seele im tiefsten Innern, ist durchdringend und besinnlich. Die modalen Skalen dieser Lobeshymne werden in den Bereichen zwischen der Avantgarde und des Free Jazz abgerufen.

Das klassische Quartett befindet sich auf dem Höhepunkt seines Wirkens. John Coltrane selbst am Tenorsaxophon, McCoy Tyner am Klavier, Jimmy Garrison am Bass und Elvin Jones am Schlagzeug. Coltrane und Jones spielen dabei außerordentlich kraftvoll, geradezu gewaltsam. Tyner arbeitet die Figuren heraus und Garrison übernimmt die makellose Verzierung.

Vielleicht schenkte ihnen gar eine höhere Instanz diese Kraft und Eleganz für ihr Spiel, als sie am 9. Dezember 1964 in den „Van Gelder Studios“ in Englewood Cliffs, New Jersey, aufnahmen. Jedenfalls erfolgten die Aufnahmesessions im gemeinsamen Miteinander beinahe wortlos unter gedimmtem Licht in einer spirituellen Atmosphäre.

Mit einem gerade noch zu vernehmenden Gongschlag und der einleitenden Melodie beginnt dieses Ausnahmewerk. Bereits zu diesem Zeitpunkt verfällt ein jeder Hörer der Anziehungskraft dieses Studioalbums und wird von dieser Monumentalkomposition nie mehr lassen können. Coltrane spielt in ´Acknowledgement´ sein Saxofon zu den immer mehr im Chaos versinkenden Akkorden des Klaviers, bis auch sein Spiel immer geräuschvoller und die Titelmelodie sechsunddreißig Mal angestimmt wird. Der männliche Gesang trägt anschließend neunzehnmal „A Love Supreme“ in monotoner Weise vor.

Zum Saxofon brennt das Schlagzeug in ´Resolution´ ein Feuerwerk ab, doch das Klavier erkämpft sich gleichermaßen seinen Platz an vordersten Front in der thematischen Darstellung der Melodielinie. Der Rhythmushintergrund präsentiert sich derweil längst in seinem siedend heißen Temperament und das Saxofon klinkt sich wieder in seine exaltierte Verausgabung ein.

Ein Schlagzeug-Solo von Jones bahnt den Weg von ´Pursuance´, Tyner schließt sich in diesem leidenschaftlichen Takt am Piano an und schon steigert das Saxofon diesen musikalischen Rausch ins beinahe Unermessliche. Selbst Garrison darf seine Künste an den Saiten seines Basses vorzeigen. Der trommelnd ausrollende ´Psalm´ ist schließlich John Coltranes „musikalisches Gebet“ ohne Wörter. Sein ellenlanges Dankesgebet spricht er nur durch die Noten seines Saxofonspiels. „Elation. Elegance. Exaltation. All from God. Thank you God. Amen.“

 

´A Love Supreme´ ist eine der einflussreichsten und essentiellsten Jazz-Aufnahmen der Musikgeschichte. John Coltrane überschreitet in seiner großen Vision vielerlei zuvor unberührter Grenzen und schwingt sich ungewollt zu einem wahren Heroe auf.

(Jahrhundertwerk)

 

 

 

The John Coltrane Quartet:

John Coltrane – Bandleader, Gesang, Tenorsaxophon
Jimmy Garrison – Double Bass
Elvin Jones – Drums, Gong, Timpani
McCoy Tyner – Piano

 

https://www.facebook.com/johncoltrane/