Livehaftig

METALLICA

„BURN, AMSTERDAM, BURN!“

~ 27. + 29. April 2023, Amsterdam ~


Es war wieder einmal soweit! Meine METALLICA-Gigs Nummer 24 und 25 standen auf dem Programm. Kann immer noch nicht glauben, wie viel sich da gerade in den letzten rund 20 Jahren bei mir an Live-Erlebnissen mit den Fabulous Thrash Four angesammelt hat. Dabei hatte ich sie während ihrer weniger rühmlichen ´Load/Reload´-Phase sogar völlig ignoriert, und auch schon zu Zeiten des ´Black Album´ war mein Interesse nicht sonderlich groß gewesen. Aber METALLICA auf der Bühne über einen gesamten Zeitraum von fast 40 Jahren erleben zu dürfen, ist schon eine besondere Ehre.

 

 

Angefangen bei ihrem Deutschland-Debüt in der Hemmerleinhalle, Neunkirchen im Februar 1984 als Support Act von VENOM. Zu insgesamt vier Shows mit Cliff Burton durfte ich in ihrer Frühphase headbangen, und speziell ihr „Escape from the Studio“Gig 1985 im Amphitheater in St. Goarshausen hat sich als ein Konzert für die Ewigkeit in mein Gedächtnis gebrannt. Aber ich liebe eben gerade die gereiften METALLICA auch ungemein, und ihre starken Präsentationen während der „HWTSD“-Tournee zählen für mich zu den absoluten Highlights in meinem persönlichen Live-Lexikon der Kalifornier.

 

 

Hetfield wirkt zudem seit seiner letzten Entziehungskur wie ausgewechselt, gleich einem revitalisierten Derwisch springt er da über die Bühne, ungemein fokussiert, und präsentiert sich aktuell in der Form seines Lebens. Beim soundtechnisch leider vermurksten Gig im benachbarten Hockenheim letztes Jahr war das bereits deutlich erkenn- und spürbar, und bei ihren Kick-Off-Shows der ´72 Seasons´-Welttournee im europäischen Nordwesten sah man ihn sogar noch viel mehr unter Feuer stehen!

 

 

„BURN, AMSTERDAM, BURN!“, schreit ein völlig entfesselter Hetfield beim Song ´Fuel´, als heftige Flammen rund um die ringförmige Bühne in der rund 50.000 Zuschauer fassenden „Johan Cruijff Arena“ ausbrechen. Die Band ist dabei von sieben Türmen umgeben, die mit umlaufenden Video-Bildschirmen versehen sind, während sich im Inneren des Rings ihr berüchtigter „Snake Pit“ befindet, in der die Fans noch viel näher an ihren Stars dran sein können.

 

 

Aber abgesehen von dem sengenden Flammenspiel und einem Feuerwerk nach dem Finale, gibt es keine der üblichen Stadion-Rock-Gimmicks zu sehen. Die ganze Show ist stattdessen um die vier Band-Mitglieder herum aufgebaut, ihre Verbindung mit der Menge und untereinander steht deutlich im Mittelpunkt. Lars Ulrichs Schlagzeug verschiebt sich im Laufe der etwa zweistündigen Show an vier verschiedene Orte und dreht sich nach jedem Titel auf der Stelle, eine weitere Neuerung im Bühnenbild.

Dieses verstärkte Gefühl der Nähe und Intimität beginnt bereits mit einer Videomontage von Fan-Fotos, die auf den gigantischen Videotürmen gezeigt werden, während AC/DCs ´It’s A Long Way To The Top (If You Wanna Rock `n´ Roll)´ den obligatorischen Warmmacher über das Soundsystem liefert. Kurz darauf tauchen METALLICA gleich in eine ganze Reihe ihrer Lieblingssongs ein, und ´Orion´ als den Show-Opener zu wählen, gleicht beinahe schon einer Sensation! Beim anschließenden ´For Whom The Bell Tolls´ könnte Hetfields Grinsen nicht breiter sein, als er in das erste glühende Solo startet, während Kirk Hammett und Robert Trujillo es schaffen, auf der gegenüberliegenden Seite der Bühne einen Zwei-Personen-Circle-Pit zu errichten.

 

 

Es ist jedenfalls von Anfang an klar, mit wieviel Spaß die Jungs bei der Sache sind, an diesem Tag ist zudem der „King`s Day“, der höchste nationale Feiertag in den Niederlanden, und neben den zahlreichen Feierlichkeiten in der Amsterdamer Innenstadt setzt sich hier die Party nun in noch höherer Dezibelstärke fort.

I’m glad you all came here to celebrate heavy music with your friends in METALLICA. Because we are METALLICA – and so are you!“, sagt Hetfield schließlich, bevor die ersten vibrierenden Töne von ´King Nothing´ ertönen. James bezieht sich anschließend noch auf den heutigen Nationalfeiertag, und es sei mal dahingestellt, ob der Song auch als sarkastischer Seitenhieb auf die konstitutionelle Monarchie in den Niederlanden gewählt wurde, Amerikaner sind da eben sehr eigen.

Die Entscheidung, zwei einzigartige Sets pro Show zu liefern, gibt METALLICA jedenfalls die Möglichkeit, ganz tief in ihren umfangreichen Backkatalog einzutauchen und die Dinge entsprechend aufzumischen. ´The Day That Never Comes´ ist für mich ebenfalls eine faustdicke Überraschung, und mit einer brutal harten und schnellen Version von ´Lux Æterna´, der donnernden Bedrohung von ´Screaming Suicide´ und dem schweren Funk von ´Sleepwalk My Life Away´ gibt es außerdem gleich drei Bühnen-Live-Debüts von ihrem grandiosen neuen Album.

 

 

Was jedoch wirklich Bestand haben wird, ist, wie im Laufe von 32 Songs und von weit über vier Stunden Musik in zwei großartigen Nächten, die über 50.000 anwesenden Zuschauer immer noch nach mehr schreien!

Und METALLICA kommen dem gebührend nach und präsentieren eine insgesamt karriereumspannende Retrospektive, dieses Mal mit ´Nothing Else Matters´ ungewohnt mitten im Set, sowie einem Vollgas-Endspurtvon ´Ride The Lightning´ und ´Battery´ bis hin zu ´Fuel´,´Seek & Destroy´ und dem gewohnt majestätischen Schlusspunkt ´Master Of Puppets´.

“Just about 39 years ago, METALLICA rolled into the Netherlands,” erinnert Ulrich in seinem abschließenden Statement. “Tonight, we’re back stronger and feeling better than ever, thanks to you!

 

 

Dem ist im Grunde auch nichts hinzuzufügen, denn der überragende, höchst ehrgeizige und geradezu schwindelerregende Auftritt von heute Abend, bestätigt diese neu gewonnene Energie in nahezu jeder Hinsicht. Einzige Kritikpunkte sind Hammetts Gitarrensound, der für meinen Geschmack zu tief im Mix gelandet ist, und einige organisatorische Unzulänglichkeiten, so wurde etwa im Vorfeld vergessen zu kommunizieren, dass in der Arena nur bargeldlos bezahlt werden kann.

 

 

 

Show Night 2 ist hingegen noch wesentlich entspannter. Bin schon gegen ca. 16.00 Uhr vor Ort, bei strahlendem Sonnenschein, und mache es mir auf einer der Bänke auf dem Stadionvorplatz bei ein paar Bier und leckerem Imbiss gemütlich. Überhaupt, ein völlig ausgelassenes und spaßiges Treiben da rund um die Arena. Der Supermarkt ist dauerüberfüllt und hat mit dem Alkoholverkauf zweifellos das Geschäft seines Lebens gemacht. Auch gekifft wird an jeder Ecke, die herumschwirrenden Düfte sind jedenfalls dauerhaft präsent. Freunde mich etwas später mit einer Fan-Gruppe aus Serbien an, die sich neben mich setzt, und werde prompt auf ein Bier eingeladen. International ist hier zweifellos einiges vertreten, auch der deutsche Fan-Zirkel „St. Germany“ hat sich im Outdoor-Bereich einer Bar eingenistet. Man kommt hier mit einem verhältnismäßig geringen finanziellen Aufwand ganz gut hin, was auch ein stückweit für die horrenden Kosten der Hotelunterkunft entschädigt. Die Preise in der Arena sind ebenfalls noch moderat, wenn ich mich recht erinnere etwa fünf Euro für das Bier. Als ich am ersten Abend völlig verdutzt an einer der Theken dort stehe und zahlungsunfähig bin, schenkt mir eine der Barkeeperinnen zum Trost sogar eins. Die Holländer sind eben ganz besonders nette.

 

 

Aufgrund des No-Repeat-Formats und dem damit einhergehenden Eliminierungsprozess für die Songs, wird die Setlist heute jedenfalls zumindest teilweise etwas vorhersehbarer sein. Es fehlen eben noch ein paar Staples aus ihrem Live-Repertoire, die zweifellos präsentiert werden.

Das Stadion ist definitiv weit praller gefüllt als noch am Donnerstag, und nach Ennio Morricones Standardeinführung erklingt schließlich ein anderes instrumentales Intro über die PA, und wir werden in das klassische ´The Call Of Ktulu´ eingehüllt, das wie ein dunkles Echo von ´Orion´ daherkommt. Ein ohrenbetäubendes ´Creeping Death´ direkt im Anschluss daran lässt das Publikum erstmals seine volle Stimme finden, und der wütende Deep Cut ´Leper Messiah´ liefert unmittelbar das kantige Riffing, um die vorderen Reihen in gliedmaßenschleudernde Action zu versetzen.

Einen weiteren, nicht minder begeisternden Überraschungseffekt setzt danach der heillos unterschätzte Southern-Gothic-Song ´Until It Sleeps´ von 1996, erstmals seit 15 Jahren wieder live aufgeführt, und die Schar stimmt dabei lauthals in die Schreie von Hetfield ein „Where do I take this pain of mine / I run but it stays right by my side…“ – einfach fantastisch und Gänsehaut pur!

 

 

Aber es wird noch besser! Gerade die drei darauffolgenden Stücke von ´72 Seasons´ profitieren von der maximalen Lautstärke, die mit Shows einer solchen Größenordnung einhergehen, besonders gut. Der Titelsong des neuen Albums feiert hierbei ebenfalls sein Road-Debüt präzise gespielt und energiegeladen stürzt sich der Zorn des Mannes hart auf die Massen, eine weitere Meisterleistung an Ideenreichtum und Virtuosiät. ´If Darkness Had A Son´ hingegen besticht vor allem aufgrund seines maschinengewehrartigen, harten Riffings, und das lauthalse Bellen von „temp-TATION“ wird zweifellos noch lange bei kommenden METALLICA-Auftritten zu hören sein.

 

 

´You Must Burn!´ schlägt in eine ähnliche Kerbe, ein ausgewiesener Koloss von einem Song und ein moderner Stampfer im BLACK SABBATH-/KYUSS-Style, der live besonders heavy zur Geltung kommt. Der harmonische Gesangspart zusammen mit Rob und Kirk hat einen geradezu hypnotischen Charakter, ein durch und durch fesselnder Roller, den ich hoffentlich noch öfter bei dieser Lautstärke erleben werde.

Wir rasen in die zweite Hälfte des Sets, und die beiden ´Black Album´-Hits ´The Unforgiven´ und ´Wherever I May Roam´ sowie ´Harvester Of Sorrow´ sind ebenfalls einfach unwiderstehlich geil und bewegen sich mit einer Leichtigkeit durch die Schattierungen von Melancholie, Bedrohung und bombastischer Manie.

 

 

Mit ´Moth Into Flame´ folgt schließlich erneut der Moment, in dem eifrig Pyrotechnik eingesetzt wird, wobei METALLICA ihre In-the-Round-Bühne in einen wütenden Feuerring verwandeln, und mit ´Fight Fire With Fire´ rollen die Jungs bis zurück an ihre Anfangstage und treiben das Publikum bis an die Grenzen seiner Thrash-Fähigkeit. Zwei ihrer Klassiker-Staples, ´One´ und ´Enter Sandman´, sorgen für den Schlusspunkt eines Konzerts, das bei mir noch ewig nachwirken wird und zweifellos zu meinen größten Live-Erlebnissen der vergangenen 20 Jahre, wenn nicht gar länger zu zählen ist.

See you again in Hamburg, Munich and Madrid, my Darlings!

 

(Night 1: 9,5 Punkte, Night 2: 10 Punkte)