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JOE BONAMASSA – Tales Of Time

~ 2023 (Mascot) – Stil: Blues Rock ~


´Time Clocks´, das letzte Studioalbum von Joe Bonamassa war gutklassig bis erstklassig. Erstklassig vor allem wegen seines über jeden Zweifel erhabenen Gitarrenspiels und auch sein Gesang war ziemlich gut. Abstriche gab es beim Songwriting, dem Hang zu voluminösen Frauenchören im Background, ein heikler Punkt in meiner Historie als Musikkonsument oder ganz einfach ausgedrückt, das mag ich einfach nicht wirklich.

Vom sparsamen, harten Blues der Anfangstage ist Joe schon lange weggekommen, aber auch von den starken mit Rock und anderen Musikstilen verbundenen Alben wie ´The Ballad Of John Henry´ und ´Black Rock´. Gefühlt, aber eigentlich auch fast tatsächlich, ist Joe monatlich als Produzent und/oder Gastmusiker unterwegs. Fast die gesamte „kommerzielle“ Blues-Szene wird von ihm (mit-)produziert. Dazu gibt es jede Menge eigene Veröffentlichungen und Live-Alben.

Da wären wir richtig, denn ´Tales Of Time´ ist eine Live-Version vom genannten ´Time Clocks´. Und zwar, dass kann die Blu-Ray bezeugen, vor wunderschöner Kulisse, nämlich im August 2022 im Red Rocks Amphitheatre gefilmt. Das ist jetzt nicht Pompeji und PINK FLOYD, auch wenn die Gitarre in der ersten Minute nicht unähnlich klingt, bevor Joe Bonamassa das Schiff Richtung Blues Rock steuert. Aber der Opener ´Notches´ und andere Titel sind optisch sehr beeindruckend (durfte die Promoversion ansehen). Und bis zur Armada der Background-Sängerinnen ist ´Notches´ auch musikalisch beeindruckend. Na gut, sehen wir einmal darüber hinweg. Starker Beginn. Und der Schlagzeuger macht mit seinem versierten Beat den Background-Gesang platt.

´The Heart That Never Waits´ kommt dynamischer als in der Studioversion. Joe lässt die Gitarre einfach mal wieder brennen. Das kann er noch. Ab dem dritten Song ´Curtain Call´ (war mit seinen LED ZEP-Reminiszenzen einer der Höhepunke von ´Time Clocks´) ist die Songreihenfolge gegenüber dem Studioalbum geändert. Auch hier fällt das erstklassige Zusammenspiel der Band auf und das enge Blueskorsett wird aufgebrochen und die Backgroundsängerinnen (meistens) in die Wüste geschickt. Die Ballade ´Mind’s Eye´ ist natürlich vor der Wüstenkulisse beeindruckend, aber auch ohne Bilder spannend.

´Questions And Answers´ ist etwas stärker am klassischen Blues ausgerichtet, aber ziemlich poliert und gegen den vorherigen Songs fällt es etwas ab. Deutlich besser ´The Loyal Kind´ und der Titelsong, die Joe stark in Tradition US-amerikanischer Songwriter zeigen. Auf das auf ´Time Clocks´ eher schwache ´Hanging On A Loser´ hat er als einziges Stück verzichtet und durch die beiden Titel des 2018er Albums ´Redemption´ ´Just ´cos You Can Don’t Mean You Should´ und ´Evil Mama´ ersetzt. Gut so.

Insgesamt hat die Live-Platte einen glasklaren Sound ohne poliert zu klingen, einmal mehr von Meisterproduzent Kevin Shirley musikalisch und optisch ins rechte Ohr und Bild gesetzt. Die Band ist „tight“, es gibt mehr Zeit für alle Musiker, ihren Platz zu finden. Live klingen die Songs noch besser als in der Studioversion. Mir ist es halt wirklich ab und zu ein Übermaß an Background-Gesang, hier allerdings auch besser zu verschmerzen. Ansonsten gibt es wenig zu kritisieren. Joe mag man oder nicht. Er polarisiert. Auch wenn mir nicht alles in den letzten Jahren gefiel (habe es allerdings auch nicht geschafft, alles zu hören), hier geht das Pendel deutlich Richtung „mögen“. Starkes Konzert.

Auf der CD sind zehn Songs, auf der Blu-ray DVD 15 Songs (u. a. der Klassiker ´The Ballad Of John Henry´ und ´Midnight Blues´, eine Reminiszenz an den großen Gary Moore.). Es gibt auch einer 3er LP-Version.

(8 Punkte)


(VÖ: 14.04.2023)