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MORGEN – Morgen

~ 1969/2022 (Guerssen) – Stil: Psychedelic Rock ~


Mitte der Sechzigerjahre entwickelte sich der Psychedelic Rock in Großbritannien und den USA. Berühmte Formationen wie THE BEATLES, THE ROLLING STONES und THE BYRDS integrierten in ihren Sound über die Jahre hinweg vorsichtig Elemente des Psychedelic Rock. In der Folge erschienen wegweisende Songs und Langspielplatten von 13TH FLOOR ELEVATORS und JEFFERSON AIRPLANE, von PINK FLOYD und THE DOORS, von LOVE und CREAM oder der JIMI HENDRIX EXPERIENCE. Doch ab 1969 folgten immer mehr Gruppen der drogenfreien Flower Power-Bewegung oder spielten schnöden Rock und Pop.

In dieser wegweisenden zweiten Hälfte der Sechzigerjahre begeisterten allerdings auch weniger populäre Bands als die erwähnten. Zudem war diesen oft nur eine kurze Lebensdauer beschieden. Eine von diesen, heutzutage nicht mehr ganz so unbekannten psychedelischen Musikgruppen hieß MORGEN und verfügte auf ihrer einzigen Langspielplatte immerhin über ein ikonisches Coverartwork.

Die Gruppe wurde 1967 in New York unter dem Namen MORGEN’S DREAME SPECTRUM gegründet, verkürzte ihren Namen jedoch noch vor der Veröffentlichung ihres einzigen Werkes. Sie bestand aus Namensgeber und Songwriter/Sänger Steve Morgen, Gitarrist Murray Shiffrin, Bassist Bobby Rizzo, Rhythmusgitarrist Barry Stock sowie Schlagzeuger Mike Ratti und konnte bei „Probe Records“, einem Unterlabel von „ABC“ und ebenso Plattenfirma von SOFT MACHINE in den USA, einen Vertrag unterzeichnen.

MORGEN nahmen ihr selbstbetiteltes Debüt bereits 1968 auf, im „Skitch Henderson Studio“ auf einer Vier-Spur-Maschine mit einigen Ergänzungen in den „ABC“-Studios, trotz aller querschießenden Mafiamethoden ihres dauerhaften Managers. Sänger Steve Morgen schrieb alle Songs und brachte sie im Gruppenverband mit seinem Seelenverwandten, dem Ausnahmegitarristen Murray Shiffrin zur Vollendung.

Die Scheibe wurde allerdings erst, tragischerweise und sehr zum Missfallen der Gruppe im Dezember 1969 veröffentlicht – als die Blütezeit des Psychedelic Rock vorbei schien. Aber auch Bobby und Mike waren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung längst über alle Berge und Barry wegen seiner Drogenabhängigkeit rausgeworfen. Daher nutzte es auch nichts, dass Sänger Steve Morgen von „ABC“-Präsident Joe Carlton einen Vertrag für ein zweites Album angeboten bekam, denn das kongeniale Duo Steve Morgen und Murray Shiffrin schaffte allein keinen Neuanfang mehr.

Die musikalische Einzigartigkeit von MORGEN entsprang den heißen psychedelischen Gitarrenläufen, diesen Garagen-, Fuzz- und Acid-Gitarren, dem alles überrollenden Schlagzeug sowie dem überdrehten Gesang.

Der Klassiker ´Welcome To The Void´ borgt sich seine lyrischen Einfälle noch aus Kindheitserinnerungen („zum Abendessen – Eichhörncheneintopf“) oder Märchen („nimm einen Bissen von meinem Lebkuchenhaus“), wohingegen an den weiteren Heavy-Songs oftmals der Testosteronspiegel abzulesen ist.

Obgleich ´Beggin’ Your Pardon (Miss Joan)´ stark nach Kopulierversuchen tönt, ist allein eine gute College-Freundin des Sängers im Spiel, während ´She’s The Nitetime´ ein pures Liebeslied über das Verlangen nach Innigkeit ist. Bei ´Of Dreams´ sehnt sich Steve Morgen schlichtweg nach einer magischen Zweisamkeit und singt ausnahmsweise in sanftem Stimmklang.

Von Joan Miròs Gemälde „Dog Belling At The Moon“ ist dagegen ´Eternity In Between´ inspiriert und die drogengeschwängerte Fantasiereise eines ´Purple´ nach den Vorstellungen eines Timothy Leary. Das elfminütige Abschluss-Epos ´Love´ behandelt letztlich den philosophischen Gedanken, ob Liebe immer nur ein vorübergehender Zustand ist.

Nichtsdestoweniger gehört das Werk von MORGEN aus Long Island zu den besten US-amerikanischen Heavy Psychedelic Rock-Scheiben der Sechzigerjahre. Es ist eine erstaunliche Songsammlung, die immer am Rande des Wahnsinns entlangstreift, ganz im Sinne von Edvard Munchs Gemälde „Der Schrei“ aus dem Jahre 1893 auf dem Coverartwork. Denn nicht nur Bilder, selbst Musik kann sich als Spiegelbild der Seele erweisen.

„Willkommen in der Leere“, Ihr Vintage-Rocker!

 

https://morgenband.bandcamp.com/album/morgen