FiletstückeMeilensteine

Filetstück des Tages

THEATRE OF TRAGEDY – Musique (2000)


Less is back. Doch zunächst erstmal furchtbar „untrue“.

Ich liebe Musik.

Ich verehre ´Musique´.

Denn was die Norweger und Mitbegründer des heutzutage „Gothic Metal“ geschimpften Genres um die holde Ex von ATROCITYs Krulle – Liv Kristine Espenæs – damals nach weitaus düstereren Anfängen auf diesem Album als auch dem folgenden ´Assembly´ auf Tonträger zauberten, war und ist einfach innovativ. Progressive Industrial Gothic Metal, sozusagen.

Computer music is just like oxygen
Try and fail, again, again, again
I need the recipe for the perfect melody
I add more tracks, run out of DSP
Timbre and tone, I want it synthetic
Knobs and sliders, no button pushing matrix
Dadaistic, nothing too profound
Electric music resounding all around

Natürlich war das damals mal wieder zu avantgardistisch für viele, denn statt Growling zum Engelsgesang hörte man Raymond I. Rohonyi eher very british sprechen… nein, keine Angst – nicht rappen, ihr unwissenden Lämmer. Dazu entdeckte er Sythesizer, Computer und Loops, was dem Düstermetaller die Innereien explodieren liess wie auf dem schönsten Death&Gore-Metal-Cover. Somit hatten auch THEATRE OF TRAGEDY sich dem alten KRAFTWERK (denen gegen Ende mit ´Space Age´ ordentlich gehuldigt wird) – Thema „Mensch-Maschine“ angenommen.

Computerised
Voice synthesised
Call me the mech man
In a world of machines
What can I do but to serve
Store the data and calculate
Speak and spell and operate
Engineer the rail and motorway
Automaton of yesterday

 

 

Doch daneben gab es harte Gitarren, ein Hitpotenzial sondergleichen und eine KRUPPS-mässige Tanzbarkeit, die unseren GPS zum Schwitzen gebracht hätte. Auch die Ausbeutung des Arbeiters im selbst erschaffenen Hamsterrad des Fortschrittes der Menschheit wurde neben Neuzeit-Gesellschaftlichem thematisiert:

High-rise buildings
Low cost apartments
Financial district
Industrial area
Rows of blue collars
Steelworkers‘ clink-clang
Metal rhythm left and right
This is the city, city of light

 

´Fragment´ wartet gar mit einem Refrain auf, den Meister Mike Oldfield seiner Muse Maggie Reilly als neues ´Moonlight Shadow´ auf den Leib hätte schreiben können. Der Hitseeker-Radar schägt bei ´Radio´ gnadenlos im höchsten Bereich aus, ´Reverie´ fasziniert durch seinen percussiven Flow mit der spacigen Melodie, punkig auf BLONDIE-Art geht’s bei ´The New Man´ zur Sache und der E-Gitarren-EBM-Tanzbär schwingt zusammen mit dem Ofra Haza-SISTERS OF MERCY-Jünger gemeinsam das Tanzbein zu ´Crash / Concrete´ – besser und unkitschiger als auf diesem Album hat Liv nie wieder gesungen.

Mit diesen beiden Alben hätten THEATRE OF TRAGEDY der Bringer auf einschlägigen Festivals wie M’ERA LUNA oder AMPHI werden müssen. Ob die ausbleibende Akzeptanz oder Livs Liebesumzug zu Krulle nach Deutschland das Ende dieser Bandkonstellation waren, bleibt der Legendenbildung vorbehalten.

Fakt ist, daß man sich mit der ebenso talentierten Nell Sigland von der durch unsere Dänen lautstark für Liveauftritte auf Indie-Events geforderten Kultband THE CREST wieder etwas in Richtung Vergangenheit orientierte und es immerhin noch auf zwei gute Alben brachte, bevor sich der Vorhang im THEATRE OF TRAGEDY endgültig schloss.

´Musique´ wurde trotz Erscheinen bereits in diesem Jahrtausend remastert wiederveröffentlicht und entgegen vieler unnützer Materialverschwendungen heutzutage hat es dieser Meilenstein verdient. Amen.