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SCARCITY – Aveilut

~ 2022 (The Flenser) – Stil: Black Metal/Ambient/Psychedelic/Experimental ~


„Aveilut“ bedeutet im Judentum die Trauerzeit nach dem Tod eines geliebten Menschen, und auf ihrem Debütalbum zeigt das New Yorker Zwei-Mann-Projekt SCARCITY diese Trauer nicht etwa in Form von feierlicher Melancholie, sondern als Erfahrung von wahnsinniger Qual. Das Duo setzt sich zusammen aus Sänger Doug Moore, der sein ständig wachsendes Arbeitspensum nun um ein fünftes Projekt erweitert hat, neben seinen bestehenden Rollen in WEEPING SORES, GLORIOUS DEPRAVITY, SEPUTUS und vor allem PYRRHON. Sein Kompagnon, Brendon Randall-Myers, ist ein in Brooklyn lebender Komponist, der mit seinen experimentellen, gitarrenbasierten und klassischen Arbeiten wie INVISIBLE ANATOMY und MARATECK seine Vorliebe für das Unorthodoxe bewies. Nach mehreren persönlichen Verlusten in einem kurzen Zeitfenster wollte Randall-Myers diese Gefühle der Trauer auf eine ursprünglichere und intensivere Weise erforschen, und so entstand schließlich ´Aveilut´.

SCARCITY nun als bloßen „mikrotonalen Black Metal“ zu definieren, ist sicherlich nicht zutreffend, aber die Einbeziehung von Mikrotönen in den Schwarzmetall hat weniger eine neue Grenze geschaffen als vielmehr einen nebulösen Abgrund an Dissonanz und Kuriosität. Randall-Myers schafft es, Lichtfäden in die verdrehte, aufgewühlte Dunkelheit von ´Aveilut´ zu werfen, das technisch gesehen ein 45-minütiger Song ist, unterteilt in fünf Teile. Im Gegensatz zu den hyperaktiven, surrealen Angriffen der artverwandten KRALLICE und deren Beharren darauf, zwei Riffs gleichzeitig zu spielen, verwenden SCARCITY jedoch weit mehr an Wiederholungen, um die Zuhörer in ihren klanglichen Aufruhr zu entführen.

 

 

Der Lärm, das Dröhnen und die dissonanten Strömungen, die durch das Album fließen, verzerren das Black Metal-Grundgerüst jedoch erheblich, und in gewisser Weise bietet die verdrehte Natur des Sounds auch Anreize für Liebhaber von ALUK TODOLO oder ORANSSI PAZUZU, allerdings fehlen deren unorthodoxen Grooves. Stattdessen bilden die Gitarren eher Texturen als klare Riffs oder Muster, wobei das Endergebnis in seiner ängstlichen Natur gleichwertig ist.

Die fünf Tracks, die schlichtweg von ´I´ bis ´V´ benannt sind, schwanken und schwinden an Intensität, und werden vorwiegend getrieben durch die verzerrten Gitarren auf einer frenetischen, hämmernden Percussion-Performance. Moore gibt zudem mit seinen gespenstisch geschwärzten Schreien die Rohheit der Emotionen auf beeindruckende Weise wieder.

In einigen Abschnitten drängen die Noise/Drone/Ambient-Aspekte deutlich in den Vordergrund und verzichten gänzlich auf Percussion, um stattdessen ein Ensemble aus dissonanten und scheinbar richtungslosen Gitarrenschichten zuzulassen, die wie in einem Wirbelwind verängstigender Geräusche zusammenprallen.

´Aveilut´ ist zweifellos kein Album, mit dem man sich leicht beschäftigen kann, und viele werden seine strukturelle Lockerheit und seinen „Black Ambient“-Stil als etwas undurchdringlich empfinden. Es vermittelt jedoch ein atemberaubendes Gefühl von Endgültigkeit und Transzendenz, und Randall-Myers und Moore nähern sich dabei dem herkömmlichen Black Metal aus der Perspektive eines Außenstehenden, nein, beinahe schon wie Außerirdische.

(9 Punkte)

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