~ 2022 (Thrill Jockey) – Stil: Post Metal/Noise Rock/Experimental ~
Seit ihrem Debütalbum von 2015, ´The Deal´, ist die „Supergroup“ SUMAC eine Band, die kontinuierlich Grenzen überschreitet und schwere Musik in neue und interessante Gebiete führt. Angesichts der Lautstärke und der minimalistischen Natur mögen die Bezugspunkte Doom oder Post Metal sein, aber mit einer Besetzung, die aus einigen der innovativsten Künstlern des Undergrounds besteht – Aaron Turner (ISIS, OLD MAN GLOOM), Brian Cook (BOTCH, RUSSIAN CIRCLES) und Nick Yacyshyn (BAPTISTS, GENGHIS TRON) – haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, stets neue Wege zu gehen, wie etwa auf ihrem 2020 veröffentlichtes Album ´May You Be Held´, auf der das Trio die Techniken der freien Improvisation einfließen lässt, die sie bereits zuvor in Zusammenarbeit mit dem experimentellen Künstler Keiji Haino demonstriert hatten.
Oberflächlich betrachtet wirken Haino und SUMAC zunächst als eher inkompatible Kollaborateure, mit den Vorlieben der Kanadier für das Monolithische und ihre riesigen Wände aus flüchtigem Sound, wohingegen Hainos Musik eher von den kleinen Gesten dominiert wird, denn bei all seinen klanglichen Extremen neigt er deutlich stärker zur Subtilität.
Die Musik des japanischen Multiinstrumentalisten und -komponisten vermittelt Konflikte, er konfrontiert sie, verstärkt Widersprüche und verkörpert sie klanglich. Ich wage zu behaupten, dass es nicht so sehr die gewaltigen Ideen an sich sind, die seinen Sound so unendlich fesselnd machen, sondern dass er den Kampf mit ihnen hörbar macht. Es ist das Geräusch von jemandem, der ins Leere blickt und versucht, sich mit all dem abzufinden, was es über uns aussagt, und SUMAC bieten den perfekten Partner für diese Reise.
´Into This Juvenile Apocalypse…´ wurde 2019 live im Astoria Hotel in Vancouver aufgenommen, einem Veranstaltungsort, der in den Veröffentlichungsnotizen als „schmuddelige Hotelkneipe in einer schlechten Nachbarschaft“ beschrieben wird. Die Sounds wurden hier auf ungewöhnliche Weise gemischt, die Drums sind an manchen Stellen übermäßig groß, an anderen seltsam begraben, und es erzeugt ein schwankendes Ungleichgewicht, ein Gefühl, am Abgrund zwischen Vernunft und Wahnsinn zu stehen – eine äußerst knorrige Verkörperung von Noise Rock, an den Rändern ausgefranst, fast schon gebrochen.
In diesem Quartett-Arrangement nähert sich das Kollektiv der Musik jedenfalls mit einer rein spontanen Haltung und betritt den Aufnahmeort frei von vorgefassten Konstrukten oder Kompositionen, und als Katalysatoren für das Unbekannte nähren sie sich dabei gegenseitig, handeln und reagieren, um sowohl ätherische als auch beängstigende Klanglandschaften zu erschaffen.
Hainos Präsenz scheint dabei jedoch weniger ausgeprägt und wesentlich besser in das Gesamtbild eingearbeitet zu sein, insofern wirkt ´Into This Juvenile Apocalypse…´ eher wie eine Gruppenleistung als eine Kollision von Ideen. Vielleicht liegt es an einer gewachsenen Vertrautheit unter den Musikern und einem stärkeren Gefühl des Gebens und Nehmens – aber selbst in den härtesten Momenten klingen SUMAC und Haino vollkommen beherrscht, mit einem gemeinsamen Ziel für ihre verstörenden Klangwelten.
(7,5 Punkte)
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Pic: Kazuyuki Funaki