PlattenkritikenPressfrisch

G.O.L.E.M. – Gravitational Objects Of Light, Energy And Mysticism

~ 2022 (Black Widow Records) – Stil: Heavy Psych/Prog ~


Neben den unglaublichen Finnen IRON GRIFFIN gibt es noch eine zweite komplett aus der Zeit gefallene Band mit 70er Spirit, GOLEM aus Italien, bei denen der umtriebige und nimmermüde, von den großartigen WICKED MINDS bekannte Keyboard-Zauberer Apollo Negri seiner Liebe zum Orgelrock und Symphonic Rock der 70er freien Lauf lässt. Ihm zur Seite steht mit Emil Quattrini ein Mann für Piano, elektrisch wie akustisch, sowie Mellotron, während Apollo die Hammond röhren und allerlei Synthesizer zwitschern lässt. Grande! Bass und Schlagzeug, zudem ein Leadsänger vervollständigen die Band. Gitarren? Fehlanzeige. Braucht keiner, die Riffs übernimmt Apollo.

Das Cover außen ist geil düster und gleichzeitig versponnen, in blau, rot und schwarz gehalten, ein Totenkopf, der zwischen Blumen hervorlugt. Ein kraftvolles Bild. Innen im geilen Klappcover sieht man den Kosmos, mehr Totenköpfe und die Band auf einem Foto in einer Eruption an Rot – und Orangetönen. Auch wenn heuer viele tolle Coverartworks am Start sind, bei „Black Widow Records“ stechen sie immer heraus.

Ähnlich mehr als 50 Jahre zuvor die genialen QUATERMASS aus England oder die US ATTILA mit Billy Joel pendelt die Musik zwischen Hardrock und zumindest damals progressiven Strukturen, verspielt, mit packenden, eindringlichen Melodien und leicht kratzigem Gesang. Die fehlende Gitarre fällt nicht auf. Orgeln, Synthesizer und Rhythmusinstrumente machen alles doppelt wett. Die Musik hat etwas vom Progrock Italiens der 70er, wenn nicht der englischsprachige Gesang ohne merklichen Akzent mit Peter Gabriel (GENESIS natürlich) bzw. sogar eher noch MARILLION-Fish Stimmfall wäre.

LE ORME und IL ROVESCIO DELLA MEDAGLIA machen gemeinsame Sache mit Fish und das ca 1970. Dabei klauen sie einige Riffs bei URIAH HEEP. Derartig vertraut klingt die Musik, dass man sich eigentlich die Frage ob der Sinnhaftigkeit dieses Albums stellen muss. Aber dann ist es so leidenschaftlich, voller großer Songs, sie gehört werden wollen. Die alte Seele des 70er Rock wird komplett ins Jetzt gebracht. Wie Apollo diese gemeine Zerre in die Orgel gebracht hat, ist schon grandios. Spielerisch sind hier Topleute am Werk, die aber immer lebendig aufspielen, die Stücke atmen lassen und bei aller Lust am Jammen doch den Song als solchen im Auge behalten.

Los geht die Platte mit ´Devil’s Gold´, feurigem Hardrock treibender Natur, bei denen schöne Synthesizerläufe die Orgel auch mal überlagern. Und dann bricht der Song ein und wird zu einer spacig schwebenden Symphonicrocknummer mit betörend singendem Moogsynthesizer. Es setzt Gesang ein, sanft auf den Wellen aus Orgel und Moog reitend. Tragische, pseudoklassische Orgelromantik leitet einen dann wieder in den schnellen Hardrocker über, welcher der Song am Anfang ja war. ´Five Obsidian Suns´ wird von dunklen Orgel- und Synthesizerläufen eingeleitet, dann setzt ein rituell-perkussiver Beat zusammen mit dem Bass ein, der schöne Melodien spielt. Immer wieder dringen Pianoschläge durch dieses mystisch morbide Klanggemälde. Aber es entwickelt sich. Eine getragene, verträumte und mit überbordender Melancholie gesegnete Rockmusik ergibt sich. Sogar hier und da mit zauberhaften Mellotronriffs. Pompös wird der Solopart für den Moogsynthesizer. Alles analog übrigens. 1972 lässt grüßen? Durchaus! Die Musik hier ist schwelgerisch und üppig in ihren Arrangements. Aber auch tobende Orgelläufe und kleine altproggige Verspieltheit en finden sich in der Nummer.

Ganz allein mit zerbrechlichem Gesang, den dann in der zweiten Strophe ein Bass begleitet, beginnt ´The Logan Stone´, wird dann zu einem euphorischen Hardrock, dessen folkige Melodien gut zu diversen britischen und irischen Bands passen könnten. Immer noch 1971 oder 72. Der Song knickt wieder ein und eine volle, warme Orgelpassage mit Synthieblubbern setzt ein, darunter natürlich der Rhythmusteppich. Die Melodien sind voller tragischer Anmut, voller trauriger Schönheit. Als nächstes donnert es wieder mit kräftigen Orgeln auf groovigem Unterbau. Wer hier nicht ausgelassen tanzt, hat wohl kein Herz und keine Seele im Leib. Erste Seite vorbei.

´The Man From The Emerald Mine´ beginnt mit herbstlich düsterer Stimmung und entsprechend in die Tasten gehauenen Klaviertönen, was aber nur ein Intro ist. Hardrock mit epischem Ausdruck und tollen, zuweilen Euphorie versprühenden Melodien wird geboten. Gerade wenn nur Orgel und Gesang mit gelegentlichen Einsetzern der ganzen Band das Bild bestimmen. Das wilde Orgelsolo ist dermaßen ergreifend dargeboten in seiner Melodik, dass Du förmlich emotional überkochen möchtest. Fast zum Ende hin zwitschern noch die analogen Synthesizer dazwischen und geben dem Stück eine entrückt kosmische Aura, was aber wieder durch den grimmigen Hardrock verdrängt wird. Das grandiose Finale lässt einen dann wieder an der Aktualität der Platte zweifeln.

Orgeln und melodische Synthesizer dominieren den versponnenen Progger ´Marble Eyes´. Entspannt schwebt die Nummer mit ihren schweren melancholischen Melodien und ihrer beinahe erdrückenden Erhabenheit aus den Boxen. Selten kommt ein Gefühl von Leichtfüßigkeit auf bei einigen tänzelnden Progparts. Hier wird der MARILLION-Fish Ausdruck beim Gesang besonders deutlich. Marco Vincini heißt der Mann am Mikro. Brachial stampft dann wie eine düstere Prozession der Titelsong aus den Rillen, ist heavy, makaber, unglaublich heimsuchend und betörend. Eine nachdenklich stimmende Schweberpassage bildet den zweiten Teil. Dann rockt die Nummer mit voller Wucht und irrsinnig intensiven Orgelläufen drauflos. Gerne auch etwas disharmonischer. Wenn dann aber der Synthesizer die Leitung an sich reißt, wird der Rhythmus treibender. Die Melodien bleiben lebensfroh und mitreißend.

Diese Platte ist eine Hommage an eine vergangene, aber immer noch in den Herzen vieler Menschen brodelnde Epoche. Der düstere Hardrock setzt wieder ein und bringt tieferen Grusel als viele Blackmetal Bands aktuell. Der melancholische, hoch emotionale Orgelrock übernimmt nochmal…und auf einmal ist die Platte fertig. Ja, das ist packend, kurzweilig und doch ungewöhnlich. Das macht schlichtweg große Freude. Top 10 2022 locker bei mir geknackt. Nur an IRON GRIFFIN kommen sie nicht ganz vorbei.

(9 Punkte)