MeilensteineVergessene Juwelen

UFO – Misdemeanor

~ 1985 (Chrysalis) – Stil: Hard Rock ~


Klar, die (70er Jahre-) Veröffentlichungen von UFO mit Michael Schenker sind nicht nur für mich ein hervorragendes Beispiel für eine Band auf dem Zenit ihres Schaffens und von ihrer Bedeutung über allen anderen Veröffentlichungen der Band einzuordnen. Aber UFO haben eine unheimlich lange Reihe absolut starker bis genialer Alben eingespielt. Ob jetzt zu Beginn der 70er Jahre mit Songs wie ´Boogie´ oder dem ´Space Rock´ des zweiten Albums oder auch die Veröffentlichungen mit Paul Chapman, ja gar die ersten mit Vinnie Moore. Liebt man den Gesang von Phil Mogg und diese Mischung aus harten Riffs, umwerfenden Melodien und Melancholie, dann gibt es wirklich kaum ein Album, das nicht hörenswert wäre. Erst mit Pete Ways bedauerlichem und nunmehr leider auch endgültigem Ausscheiden ist dann doch die „Seele“ etwas verloren gegangen und auch mein Interesse an einer meiner absoluten Lieblingsbands. Auch auf dem hier besprochenen Album fehlte Pete Way – das nur am Rande…

Als Gitarristen hatten UFO immer sehr spannende, wenn auch nicht sehr einfache Persönlichkeiten, die immer jeder Veröffentlichung ihren Stempel aufgedrückt haben und sich im Scheinwerferwettbewerb mit Phil Mogg befanden, was der eine oder andere der Legende nach von Hobbyboxer Phil auch physisch zu spüren bekam. Für einige war UFO nur eine kurze Station. Neben dem Philip Lynott-Mitkämpfer (GRAND SLAM) und permanent unterschätzten Laurence Archer gab es noch Atomik Tommy „M“ (alias Tommy McClendon – was für ein absolut genialer Künstlername 😀 ), sicherlich mit Laurence der Gitarrist, der am wenigsten in Erinnerung geblieben ist.

Allerdings völlig unverdient, denn ´Misdemeanor´ ist eine dieser (vielen) unterschätzten UFO-Platten, die jetzt nicht als Meilensteine wie ´Phenomenon´, ´Force It´ oder ´Lights Out´ zu bewerten sind, aber trotzdem ein reichhaltiges Menü an musikalischen Perlen bieten. Beginnt die Band mit ´This Time´ noch erschreckend AOR-lastig, so kann schon ´One Heart´ oder noch mehr ´Nightrun´ und ´The Only Ones´ voll überzeugen. Hervorstechend ist für mich bei diesem Album diese Melancholie in Melodie, Gesang und den Texten. Das war sicherlich nicht die beste Lebenszeit von Mr. Mogg. Dankenswerterweise hat er dies aber musikalisch gewinnbringend für die UFO-Fanschar verarbeitet. ´Blue´, ´Heaven’s Gate´, ´Wreckless´, das Album ist wirklich reichlich mit starken Titeln gesegnet.

Neben dem fast immer glänzend gesanglich aufgelegten Phil Mogg ist es gerade die Gitarrenarbeit von Mr. Atomik-Tommy, die das Album auszeichnet. War man visuell – wie die Bilder belegen – auch vom 80er Jahre Hairspray-Poser-Virus befallen, so ist ´Misdemeanor´ gottseidank das Stück Knoblauch gegen die zu dieser Zeit um sich greifenden Poser-Vampire, die sich gegenüber UFO so verhalten, wie ein laues Lüftchen im Vergleich zu einem Orkan. Kommerziell war das aber alles – natürlich – nix (trotz AOR-US-Remix EP für den amerikanischen Markt). Atomik Tommy „M“ war dann nach der schlecht abgemischten, aber auch sehr netten EP ´Ain’t Misbehavin’´ (Restbestände aus der ´Misdemeanor´-Zeit, erst 1988 veröffentlicht) Geschichte (er ist übrigens dann bei so Hard Rock-Klassikern wie Janet Jackson als Producer und Songwriter wiederaufgetaucht) und UFO machten erst einmal eine mehrjährige schöpferische (oder vielleicht eher gesundheitliche) Pause, bevor sie mit Pete Way und dem oben genannten Laurence Archer 1992 einen neuen (kommerziell ebenso vergeblichen) Anlauf nahmen. Absolut empfehlenswert.