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BLIND ILLUSION – Wrath Of The Gods

~ 2022 (Hammerheart Records) – Stil: Hard Rock/Metal/Thrash Metal ~


BLIND ILLUSION aus der Bay Area wurden zwar schon 1979 gegründet, konnten jedoch erst 1987 ihr erstes Album ´The Sane Asylum´ vorlegen. Rückblickend gibt es zu diesem Album allerdings festzustellen, dass Presse wie Hörerschaft überfordert waren, die untypischen Songkonstruktionen für die damalige Zeit voll zur Kenntnis zu nehmen. Die Reviews waren, aus einer Erwartungshaltung heraus auf typischen Bay Area-Thrash hoffend, mittelmäßig bis irritierend. Denn grundsätzlich hat man den Reviewenden enttäuscht, der doch was gänzlich anderes erwartete. Hier gab es kaum Berührungspunkte zu den typischen Thrash Metal-Bands, die der Bay Area damals zum Fame verhalfen.

Erst im Laufe der folgenden Jahrzehnte offenbarte sich immer mehr Metalfans die Klasse dieses Albums, zumal sich auch das musikalische Verständnis und die Hörgewohnheiten änderten. Heutzutage wird ´The Sane Asylum´ als ein brillantes, aber verkanntes Statement einer Band angesehen, welches seiner Zeit weit voraus war. Was allerdings heute wie damals gleichgefühlt geblieben ist, ist ein katastrophaler Sound.

Kein Wunder dann auch, dass aus BLIND ILLUSION sich zwei Musiker hervortaten, die später mit PRIMUS zu Weltruhm gelangten: Les Claypool sowie Larry LaLonde (seinen Einsatz bei POSSESSED sieht er nicht gerne erwähnt). Nach deren Ausstieg verloren BLIND ILLUSION den musikalischen Faden, den Marc Biedermann (V,G) nicht mehr in der Lage war aufzunehmen. Zwar existierte die Band, mit Mittelpunkt Biedermann, mal mehr, mal weniger, veröffentlichte 2010 ein lausiges Album unter dem Titel ´Demon Master´ und fing 2017/18 erst wieder richtig an, mit neuem Line-up aktiv zu werden. Im aktuellen Line-up finden sich nun Bay Area-Musiker Doug Piercy (ex-ANVIL CHORUS, ex-HEATHEN, ex-ULYSSES SIREN, etc.) und ex-DEATH ANGEL/ THE ORGANIZATION-Drummer Andy Galeon wieder. Mit Biedermann als treibende Kraft hat man es nun tatsächlich geschafft, ein neues Album einzuspielen. Auslöser war u.a. die 2019er Europa Tour unter dem Titel „The Slam Asylum Tour 2019“, wo die Truppe bewies, dass sie noch kräftig Feuer unter dem Arsch hat, um auch ein neues Album zu liefern.

Drei Jahre später liegt nun ´Wrath Of The Gods´ vor, das erneut kein klassisches Bay Area-Album darstellt und sich als gut geschüttelter Mix aus Hard Rock, Metal und etwas mehr Thrash Metal-Elementen präsentiert. Was allerdings auf jeden Fall bei diesem Album deutlich wird, ist die Tatsache, dass Marc Biedermann ein total begnadeter, technisch hochkarätiger, allerdings unterbewerteter Flitzefinger ist und zusammen mit Doug Piercy ein höllisches Gitarrendoppel darstellt.

´Wrath Of The Gods´ ist irgendwie gut, hat tolle, hervorragende, überzeugende Momente. Diverse Schwächen zeigen sich allerdings auch, wobei “Schwäche” nicht wirklich die richtige Definition für den “Faden verlieren” darstellt. Man hat das Gefühl, die Herren bzw. Biedermann will so viel wie möglich in die neuen Songs packen um auch nur annähernd an das Debüt heranzureichen. Vielleicht ist das dann auch die „Schwäche“ des Albums, das man zu viel möchte und sich in einigen schrägen Nummern verheddert. Man kann 34 verlorene Jahre zwischen zwei Alben nicht aufholen – unmöglich.

Die Vinyl-Variante des Albums hält sieben Songs parat, während es zwei mehr auf die CD geschafft haben. Was passiert also auf diesem Album? Einiges. Die beiden ersten Tracks des Albums, ´Straight As The Crowbar Flies´ sowie das überragende ´Slow Death´ sind knackige Thrash Metal-Nummern mit enormem Old School-Spirit. Biedermanns Gesang ist irgendwie cool, aber auch streitbar. Hate und Love liegen wie bei Mustaine nahe beieinander. Mit der dritten Nummer ´Protomolecule´ wird man deutlich progressiver, jedoch zeigt sich hier überdeutlich, wie perfekt und technisch überragend das Gitarrendoppel Biedermann/Piercy funktioniert. Das folgende ´Spaced´ macht seinem Titel schon alle Ehre. Eine eher schlichte Hard Rockige Nummer, die weniger durch Spielwitz wie mit einer gewissen Eingängigkeit glänzt. Hätte auch in den Siebziger Jahren gefunzt. Mit dem Titeltrack fährt man wieder etwas einfacher gestrickten Heavy Metal auf, wobei einige Passagen einen MEGADETH-Touch aufweisen. Generell aber eine weniger interessante Nummer. Wieder markant progressiver geht es bei ´Behemoth´ zu, wobei der Gesang aber nervig rüberkommt und man versucht, hier zu viele Tempo- und Rhythmuswechsel unterzubringen. Insgesamt auch kaum Thrash Metal relevant, sondern eher dem Metier des kauzigen Heavy Metal nahe stehend. Das knapp siebenminütige ´Lucifer`s Awakening´ hält wieder einiges an MEGADETH-Elementen parat. Ein Stück, das deutlich mehr Aufmerksamkeit benötigt und erst mit der Zeit zündet.

Die beiden Bonussongs der CD, ´Amazing Maniacal Monolith´ und ´No Rest`Til Budapest´, sind eher schräg und exzentrisch zu nennen. Deutlich Siebziger beeinflusst und somit eher Mucke für Heavy Metal-Retro Fans. Letztgenannter Song hat sogar einen unüberhörbaren, gesanglichen Nervfaktor. Cool allerdings in der zweiten Hälfte, die BLIND ILLUSION Interpretation ungarischer Melodien. Stellt man diese beiden Stücke den ersten beiden Stücken des Albums gegenüber, könnte man meinen, zwei verschiedene Bands zu hören.

´Wrath Of The Gods´ ist eher ein Album für Fans gepflegter Vielschichtigkeit als für sture Bay Area Thrasher. Und ganz klar auch ein Album, dass für zum Nebenbeihören viel zu schade ist. Wie im Falle RAZOR, auch hier Respekt vor der musikalischen Leistung nach über 30 Jahren seit dem letzten Album.

(7,5 Punkte)

 

https://www.facebook.com/officialblindillusion/


(VÖ: 7.10.2022)