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RAZOR – Cycle Of Contempt

~ 2022 (Relapse Records) – Stil: Thrash Metal ~


Es soll ja einige Helden geben, die sehen in RAZOR den Inbegriff der „Monotonie im Thrash Metal“. Alles was nach ´Executioner`s Song´ kam ist für jene Spezies indiskutabel. Das trifft mein Herz als RAZOR-Fan Boy schwer. Keine Frage, in der Discografie der Kanadier gibt es zwei/drei Hänger, die nicht wirklich überzeugen. Für mich sind das z.B. ´Violent Resititution´ oder ´Decibels´. Aber auch mit ´Malicious Intent´ werde ich nicht so richtig warm. Wohingegen ´Shotgun Justice´ mit dem unfassbaren Songmonster ´Miami´ alles zertrümmert. Dass sich RAZOR durch ihren unverkennbaren Stil auch musikalisch einschränken, muss man nicht diskutieren, das ist einfach so. Uffta-uffta Drums, Saiten-Akrobatik in recht sturer, gleichbleibender Manier, durchziehen die Alben. Aber es hat seinen Reiz. Was also kann man von einem neuen RAZOR-Studioalbum 2022 erwarten? Dem ersten seit ´Decibels´ von 1997.

´Cycle Of Contempt´, das kann man vorab schon sagen, ist pure RAZOR. Keine Experimente, keine Neuerungen, sturer RAZOR Pragmatismus im Jahre 2022. Und das macht dieses Album dann wieder so exotisch. Sicher wird das Album nicht in der Top-3 RAZOR Discografie landen, das ist schon einmal Fakt. Aber es beweist, die Kanadier um Gitarrist und Bandgründer Dave Carlo gehen einer gewissen Weiterentwickelung konsequent aus dem Weg und machen „Ihr Ding“. Und das ist nun einmal Thrash Metal in seiner eher schlichten Form, ohne den Drang nach „Übergefrickel“ und „intellektuellem Songwriting“. Hier gibt’s auf die Fresse – und sonst nix.

Zeitmaschine. ´Cycle Of Contempt´ hätte auch Ende der Achtziger erscheinen können. Songs, Produktion – im Musikuniversum von RAZOR ist die Zeit stehengeblieben. Ebenso unkaputtbar in diesem Zusammenhang, das fiese Shoting von Sänger Bob Reid. Roh, blutig, fies mit Mittelfinger-Attitüde.  Schon im Opener ´Flames Of Hatred´ realisiert man den musikalischen Stillstand und die radikale Spielweise innerhalb von Sekunden. Wie ein automatisierter Tacker hackt sich die Gitarre mit einem wüsten Takt durch den Song. Die ersten vier Songs unterscheiden sich nur minimalst. Pure RAZOR`sche Prügelorgie. Mehr braucht es für mich als RAZOR-Jünger nicht. Nur schwerlich lässt das Grinsen nach, man überlegt welchen Song man schon einmal mit einem anderen Titel auf früheren Alben gehört hat. RAZOR, die AC/DC des Thrash Metal! Kniefall. ´First Rate Hate´ ist das ´Miami´ von ´Cycle Of Contempt´! Punkt!

´All Fist Fighting´ hat diesen kleinen Hardcore-Einschlag, der perfekt in den RAZOR`schen Sound passt. Man sieht sich selbst wie ein Irrer vor der Bühne durchdrehen. Nach diesem Massaker meint man sich im falschen Film. ´Darkness Falls´ beginnt melodisch anspruchsvoll, geht dann aber in eine Old-schoolige Speedbombe über, die dennoch irgendwie immer eine zarte Nähe zu einer Melodie bereithält. Selbst die Soli irritieren einen, das ist sooooo ungewohnt. Aber scheissgeil und bringt mich nach x-Durchgängen zur Feststellung, dass diese Nummer auch auf der legendären EP ´Armed And Dangerous´ gut funktioniert hätte. Mit dem albumschließenden ´King Shit´ stellt man dann wieder klar, wer hier zum Thrash-Dance aufspielt: RAZOR.

Viele werden es hassen, verdammen, schlicht langweilig finden, aber dieses Album ist mit Abstand das ehrlichste, was eine Band 25 Jahre nach dem letzten Studioalbum liefern kann, um ihrem Ruf gerecht zu werden. Das Riffing auf diesem Album ist das gleiche wie vor 30/35 Jahren und man muss sich nicht wundern, dass Herr Carlo einen Eimer Eis seitlich am Bühnenrand stehen hat, um die Hand zu kühlen.

´Cycle Of Contempt´ wird den Thrash Metal weder revolutionieren noch wird dieses Album zum Benchmark in der History der Kanadier. Aber das war auch nicht zu erwarten. Ich für meinen Teil hatte weniger erwartet und wurde positiv überrascht. RAZOR gegen die Stirn und sonst nix. Danke.

(8,5 Punkte)

https://razorband.bandcamp.com/album/cycle-of-contempt


(VÖ: 23.09.2022)