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CRYSTAL PALACE – Still There

~ 2022 (Progressive Promotion Records) – Stil: Prog Rock ~


Der wundersame Crystal Palace mit der größten in einem Gebäude zu sehenden Glasfläche wurde zwischen 1850 und 1851 unglaublicher Weise ohne automatische Glasherstellung in England gebaut. Der deutsche CRYSTAL PALACE, eine Progressive Rock-Band, existiert immerhin seit 1991. Wundersame Dinge geschehen auf dieser Welt. Die in Berlin beheimateten CRYSTAL PALACE können in diesen Tagen sogar bereits ihr neuntes Studioalbum präsentieren und es ist ein hervorstechendes Konzeptalbum geworden, wie es in dieser Intensität ansonsten nur MARILLION hätten erzählen können.

 

 

Im März 2014 kritzelt eine Frau an einen Aussichtsturm im Süden von Berlin einige geheimnisvolle Wörter. Die Geschehnisse, die zu diesem Augenblick führen und die sich hernach ergeben, dürften auch eigene Gedankengänge präzise ausmalen können. Ein junges Mädchen, ein Außenseiter in einem englischen Dorf, setzt sich mit seinem Freund nach Berlin ab, in die Großstadt der Träume. Doch die Fahrt über den Ärmelkanal erfüllt nicht die Sehnsüchte. Sie stürzt, nachdem sie von ihrem Freund verlassen wird, in Depressionen und sieht für sich in der hektischen Konsumgesellschaft keinen Platz mehr. Eines Tages klettert sie auf den Berliner Aussichtsturm. Dabei werden jedoch auch schöne Erinnerungen wach und sie schreibt die Worte „8. März, 16 h … immer noch hier“ an die Wand. Am nächsten Tag besteigt sie wieder den Aussichtsturm. Sie spürt jetzt allerdings nur noch eine innere Leere. Sie ist verloren und sucht sich ein offenes Fenster.

„126 Gründe, von hier zu fliehen, 126 Gründe, nicht zurückzublicken, 126 Gründe, diesen Ort zu finden, 126 Schritte sind noch zu gehen“ sind die ersten Worte im sphärischen ´126 Steps´ von CRYSTAL PALACE und ebnen den Weg zur Rückblende auf die Fahrt von England. Das neunminütige ´Leaving This Land´ ist ein kraftvoller Neo Prog-Song mit wunderbar elegischen Gitarren. Das beinahe zehnminütige ´A Plan You Can’t Resist´ fügt sogar einige Tupfer Elektronik und die Härte des Prog Metal hinzu. Mit Klaviertasten wird die Stimmung dank ´Winter’s End On Water´ langsam melancholisch, der zweite Abschnitt von ´Dear Mother´ ist sogar allein erzählerisch. Mächtige Keyboards füllen sodann ´Planned Obsolescence´ auf und machen den Weg für ein Gitarrensolo frei. Die Dunkelheit zieht alsbald in ´Shadows´ und etwas IQ-Aura ein, begleitet von einer gewissen Heavyness, die in ´A Scream From The Wall´ anhält. Im zehnminütigen ´The Unquite Window´ setzt erst die Akustikgitarre ein und bemüßigt sogar die ersten Tränen, die spätestens beim achtminütigen ´Still There´ in der Gewissheit des Kommenden fließen.

(8 Punkte)

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