Livehaftig

XIV. POUNDING METAL FEST 2022

~ 21.05.2022, Sala Shôko, Madrid ~


Selbst für madrilenische Verhältnisse sind 36 Grad an einem 21. Mai sehr außergewöhnlich. Aber das hat die Fans des klassischen Heavy Metal nicht davon abgehalten, in den Veranstaltungsort im Zentrum Madrids zu pilgern, der bereits im letzten Jahr als Austragungsort des PMF diente. Wie immer haben die Organisatoren der „Pounding Metal Union“ eine bunte musikalische Mischung zusammengestellt, die dieses Mal die Bandbreite von Epic Heavy Doom, NWoBHM, Heavy Metal über Heavy/Power Metal und Heavy/Speed Metal bis zu Speed/Thrash Metal abdeckt, womit für jeden angereisten Fan etwas dabei sein sollte, was ihm oder ihr mundet.

Da ich hier bereits nach der 13. Ausgabe im Jahr 2019 ausgiebig über dieses Festival von Fans für Fans berichtet habe, erspare ich mir und euch nun nähere Erläuterungen dazu und gehe gleich in medias res.

 

 

Im Jahr 2019 drückte mir ein spanischer Freund eine CD-R mit den Worten in die Hand, dass ich da mal reinhören solle, denn die fünf Stücke darauf würden mir bestimmt gefallen…und er sollte Recht behalten.

Was ich damals in den Händen hielt war die zweite, damals noch selbstproduzierte EP der bereits 2012 von Philip Graves in Barcelona gegründeten Band. Nun, drei Jahre und eine Pandemie später, haben die fünf Jungs endlich ihr Debüt herausgebracht, das bei den Franzosen von „Listenable Records“ Ende April dieses Jahres sogar auf Vinyl erschienen ist. Die LP ist in den hiesigen Printmedien überaus positiv aufgenommen worden und auch bei mir war die Freude groß, als ich vernehmen durfte, dass sie den Opener auf dem diesjährigen Pounding Metal Fest geben würden.

 

 

Leider ist bereits nach wenigen Minuten klar, dass der Sound einem ungetrübten Hörgenuss im Wege steht. Das ändert sich leider auch im weiteren Verlauf des Gigs nicht wesentlich. Um genau zu sein, bei den ersten vier Bands nicht.

Aber auch der seit der oben zitierten zweiten EP als Sänger fungierende Pau Correas (vorher stand Philip Graves persönlich am Mikro) kommt mit seiner leicht krächzenden Stimme nicht so kraftvoll und variabel rüber, wie man es von der aktuellen Scheibe gewohnt ist und ich habe irgendwie das Gefühl, dass die Band mit gebremstem Schaum, ich würde sogar behaupten, eingeschüchtert agiert. Auch wenn REDSHARK zu diesem Zeitpunkt bereits von rund 350 Metal Fans gefeiert werden und dies ihr erster Auftritt in Madrid ist, sollte das eigentlich nicht der Grund dafür sein. Schließlich hatten sie nur einige Wochen zuvor bereits die Gelegenheit, auf dem „Taunus Metal Festival“ vor einer ebenfalls großen Menschenansammlung aufzutreten.

 

 

Das Potential der Katalanen ist aber auch live klar zu erkennen und ich bin mir sicher, dass wir sie bereits bald bei einem der einschlägigen Underground Metal Festivals in Deutschland auf dem Line-Up wiederfinden werden, denn diese Art des gekonnt gemachten klassischen 80er Metal á la METAL CHURCH, EXCITER und natürlich immer auch einem Schuss MAIDEN, PRIEST und ACCEPT, hat die Besucher dieser Festivals schon immer begeistert. Dann aber hoffentlich mit einem besseren Sound.

 

 

Die größte Überraschung des Abends gibt es jedoch, als die aus Athen stammenden DEXTER WARD die Bühne betreten. Wo ist Mark Dexter, besser bekannt als Marco Concoreggi?

 

 

Dem Vernehmen nach ist der aus Venedig stammende ehemalige Sänger von BATTLEROAR und (offiziell noch?) aktuelle Sänger von DEXTER WARD nicht gegen Corona geimpft und hat sich auch einem PCR-Test verweigert, was sein Erscheinen auf dem diesjährigen „Pounding Metal Fest“ unmöglich gemacht hat. An seiner Stelle steht ein nicht weiter vorgestellter Sänger auf der Bühne, der seine Sache aber sehr gut macht. Dies erwähne ich explizit, da er offensichtlich im Vorfeld des Auftrittes nicht allzu viel Gelegenheit gehabt hat, um mit der Band zu üben, was ich von seinen regelmäßigen Blicken auf den Bühnenboden (und den vermutlich dort abgelegten Lyrics) ableite. Bereits vor diesem Auftritt war verkündet worden, dass der nun im Juni folgende Auftritt auf dem „Up The Hammers Festival“ in Athen der letzte von DEXTER WARD sein werde. Eine Aussage, die hier und heute von Bandleader Manolis Karazeris durch das eingeschobene Wort ‚vermutlich‘ relativiert wird. Ich meinerseits vermute allerdings, dass dies bei einer eventuellen Weiterführung der Band, mit dem neuen Sänger erfolgen wird. Mark bastelt scheinbar an einer Solo-Karriere. Zumindest verfügt er mittlerweile über eine eigene Bandcamp-Seite, auf der er bereits einen ersten eigenen Song zum Kauf anbietet.

 

 

Ach ja…der Auftritt. Unaufgeregter und trotzt aller Umstände souverän dargebotener klassischer Heavy Metal. Da mich der letzte Output aus dem Jahr 2016 nicht vollumfänglich überzeugt hatte, war ihr drittes und schlicht mit ´III´ betiteltes Album unbemerkt an mir vorbeigezogen. Nach diesem Auftritt kann ich aber nicht umhin, eine der wenigen mitgebrachten limitierten LPs in geflammtem Gelb, Rot und Orange am Merch zu erwerben.

In Summe also ein sehr unterhaltsamer Auftritt.

 

 

Irgendwie ist ein „Pounding Metal Fest“ ohne Beteiligung einer deutschen Band kaum denkbar. Egal ob METAL INQUISITOR, SCANNER, IRON ANGEL, KETZER oder PARADOX, germanischer Stahl gehört irgendwie dazu und dieses Mal übernehmen die Dortmunder Speed/Thrasher von VULTURE nicht nur diesen Part, sondern sind auch für den extremen Programmteil des Abends zuständig. Gleich von Anfang an machen sie daher deutlich, dass sie ihren Auftrag verstanden haben und legen los, als wenn es kein Morgen gäbe.

 

 

Ich muss mich meinem gesetzten Alter entsprechend schon bald an den Bühnenrand begeben, um nicht in den alsbald entstandenen Mosh-Pit hineingezogen zu werden. Nach meinen Erfahrungen aus dem Jahr 2019 bin ich dann aber freudig darüber überrascht, dass die stets humorlose Security der Diskothek nicht einschreitet, um die ausgelassen moshenden Fans der Band voneinander zu trennen. Vermutlich haben die Organisatoren des PMF dem Betreiber im Vorfeld der Veranstaltung einen entsprechenden Hinweis gegeben.

 

 

Obwohl ich neben dem ersten Demo auch die beiden ersten Alben in meinem Regal als LPs stehen habe, kann ich jetzt nicht wirklich verlässlich angeben, welche Stücke zum Besten gegeben werden…mit Ausnahme des den Gigs abschließenden ´Metal Militia´ 😉 .

 

 

Was ich allerdings bestätigen kann ist, dass VULTURE ihren Auftrag vollumfänglich erfüllen und auch die härtere Fraktion unter den anwesenden Fans auf ihre Kosten kommt.

 

 

Während des Gigs unterhalte ich mich kurz mit der Freundin des Sänger Leo. Marina, Bassistin der LIZZIES und ebenfalls PMU-Mitglied, erzählt mir dabei stolz, dass VULTURE im Juni EXCITER und BÜTCHER auf Tour begleiten werden und fragt mich, ob ich denn auch hingehen werde. Es geht also weiter bergauf mit VULTURE und ob ich hingehen werde…mal schauen, aber vorher muss ich mir wohl noch einige Songtitel einprägen.

 

 

EASY RIDER ist in Madrid eine echte Institution und auch wenn sie vor langer, langer Zeit mal in Deutschland einige Auftritte absolviert haben, so ist es für mich neben REDSHARK die einzige Band, die ich vorher noch nie live gesehen habe. Ich bin eigentlich kein großer Freund des europäischen Power Metal, aber der (Heavy-)Power Metal von EASY RIDER hat es mir schon immer angetan und so verwundert es nicht, dass sich alle sechs CDs der bereits 1988 in Madrid gegründeten Band in meinem Regal wiederfinden.

 

 

Nach mehreren spanischen Sängern und dem in den 2000ern am Mikro agierenden US-Amerikaner Ron Finn hat die Band für ihre dritte Schaffensphase die Sängerin Desirée „Dess“ Diaz in ihren Reihen aufgenommen, mit der sie auch bereits eine EP veröffentlicht haben. Diese EP enthält Neuaufnahmen von sieben Stücken, die im Original auf den ersten drei Alben von EASY RIDER zu finden sind. Diese Wahl verwundert nicht, denn die Stimmlage des dort zu vernehmenden Eugenio Garañeda ist gar nicht so weit weg von der, die Dess einsetzt.

 

 

Während ihre Sprechstimme erstaunlich dünn ausfällt, kann man das von ihrer Singstimme wahrlich nicht behaupten. Kraftvoll und sehr variabel, mit einer beeindruckenden Souveränität und Bühnendominanz knallt sie der versammelten Zuhörerschaft Songs um die Ohren, die natürlich zumeist ebenfalls aus der Schaffensperiode von 1997 bis 2000 stammen.

 

 

Unter anderem werden somit Klassiker wie ´Lord Of The Storm´, Seven´, ´Tiempo´ und ´Changes´ auf Spanisch und Englisch intoniert und auch ein neues Stück mit dem Titel ´The Deal´ zum Besten gegeben, das sich dann auch auf dem im Herbst erscheinenden neuem Album der Band wiederfinden wird. Anders als z.B. MURO haben sich EASY RIDER durch den Austausch des Sängers durch eine Sängerin nicht neu erfunden, lassen mich aber dennoch sehr gespannt auf das neue Album sein.

 

 

Über die Schweden SORCERER existieren durchaus zwei unterschiedliche Meinungen. Ich für meinen Teil fand ihre Musik immer schon klasse und erfreue mich auch ganz außerordentlich an ihren Werken aus der ‚Neuzeit‘. Ja, SORCERER bedienen perfekt die Bedürfnisse ihrer Klientel und liefern Musik ohne Ecken und Kanten. Aber wenn man derart göttliche Melodien liefert und auch noch mit einem Sänger wie Anders Engberg gesegnet ist, dann kann man als Liebhaber des epischen Heavy Metal/Doom gar nicht genug davon bekommen.

 

 

Ich habe oben bewusst von Werken aus der Neuzeit geschrieben, denn obwohl die Band bereits 1988 in Stockholm gegründet wurde, stammen ihre drei Alben aus den Jahren 2015, 2017 und 2020. Allerdings darf dabei nicht unerwähnt bleiben, dass sich SORCERER bereits 1992 auflösten und erst 2010 reaktiviert wurden. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn Anders bereits zu Beginn des Gigs einen Abend mit Songs aus den Jahren 2015 bis 2020 ankündigt. Allerdings kann dies auch der Tatsache geschuldet sein, dass die Running Order aufgrund eines ausgiebigen Soundchecks von DEXTER WARD bereits gehörig in Verzug ist und Herr Engberg daher gegen Ende verkündet, die Setlist reduzieren zu müssen. Nichtsdestotrotz dürfte man mit ´Sumerian Script´ und ´The Dark Tower Of The Sorcerer´ vom Debüt, ´Siren´ und ´Unbearable Sorrows´ vom Nachfolgewerk sowie ´Dance With The Devil´, ´Lamentig Of The Innocent´ und ´The Hammer Of Witches´ des letzten Outputs die Wünsche der meisten anwesenden Fans ausreichend bedienen.

 

 

Zumindest schaue ich nur in glückliche Gesichter, zu denen auch das von Anders gehört, der sichtlich erfreut darüber ist, erstmalig in Spanien auftreten zu dürfen und dies auch deutlich Kund tut. Sowieso ist der äußerst sympathische Sänger an diesem Abend alles andere als der wortkarge Schwede. So gibt er unter anderem auch Kunde darüber, dass sie ja die Wickinger aus dem Norden seien, wo im Sommer gerade mal 15 Grad herrschen und einem im Winter die Eier wegfrieren. Das sei die Hölle auf Erden. Nach kurzer Überlegung berichtigt er sich allerdings und gesteht, dass sich eigentlich gerade in Madrid die Hölle aufgetan hätte…zumindest, was die Temperaturen anginge.

 

 

Der Auftritt erfüllt alle an ihn gesetzten Erwartungen, Gott sei Dank auch endlich soundtechnischer Art, und bietet wieder mal das gewohnt eingespielte Team, bei dem Justin Bings, der kanadische Neuzugang am Bass, nicht nur durch seine bereits beim letzten Album dezent eingesetzten Growls eigene Akzente setzt.

 

 

Ein Gig von SORCERER ist immer einen Besuch wert und ich freue mich bereits jetzt auf ihren nächsten Auftritt, bei welchem sie dann vielleicht auch wieder Songs von ihren beiden ersten Demos spielen.

 

 

Anders als SORCERER bieten die TYGERS OF PAN TANG dem Publikum Werke aus ihrer gesamten Schaffensphase dar. Das klingt einfacher als es ist, denn wie Anders Engberg zu Beginn seines Auftrittes mit SORCERER verkündet hatte, existieren die Tygers bereits ewig. Naja, fast. Aber wenn eine Band als Inbegriff des NWoBHM gelten darf, dann gehört die 1978 in Whitley Bay (das liegt östlich von Newcastle Upon Tyne am Meer) gegründete Band mit Sicherheit dazu.

 

 

Meiner Ansicht nach passt auch der seit 2004 aktive italienische Sänger Jacopo Meille zur Band, wie die Faust aufs Auge. Professioneller kann man sich sicherlich kaum noch geben. Obwohl er am Vortag ausgeraubt und damit auch aller seiner Ausweispapiere verlustig gegangen war, lässt er sich an diesem Tag nichts davon anmerken. Ganz im Gegenteil. Mehrfach betont er an diesem Abend, wie froh er darüber ist, nach zweieinhalb Jahren endlich wieder auf der Bühne stehen zu dürfen. Interessant ist dabei, dass er dafür sein Hemd als Maßstab nimmt, welches er nach eigenem Bekunden das letzte Mal für ein Konzert in Düsseldorf übergezogen und dieses seitdem in seinem Schrank gewaschen und gebügelt auf diesen Auftritt gewartet hat.

 

 

Seine Spielfreude ist immens und so werden unter der zunehmenden Freude der Fans nicht nur die Songs aus der Frühphase der Band, sondern auch die unter seiner Mitwirkung entstandenen interpretiert. Der Siegeszug der Tygers wird von einem massiv zunehmenden Stage Diving begleitet, das erst von der Security beendet wird, als Meille um ein wenig mehr Ruhe (auf der Bühne) bittet. Konzentriertes Singen ist zu diesem Zeitpunkt auch tatsächlich nicht mehr möglich.

 

 

Neben dem Gründungsmitglied Robb Weir, der ebenfalls sichtlich Spaß am Aufritt hat, bewähren sich auch die neuen Mitglieder, nämlich der Sarde Francesco Marras an der Gitarre und der Brite Huw Holding am Bass.

 

 

Wieviel Spaß die Band an diesem Abend hat, beweist auch der Umstand, dass sie kaum ein Ende findet. Nach einer Stunde und zwanzig Minuten, um genau 22:30 Uhr sollte eigentlich Schluss sein, aber die Band spielt trotz aller Hinweise. zum Schluss zu kommen, unbeeindruckt weiter und ich befürchte bereits, dass man ihr den Strom abdreht. Da der Veranstalter mit seinem Diskobetrieb im Anschluss pünktlich beginnen will, ist diese Befürchtung auch nicht ganz unberechtigt. Aber nach den drei Zugaben ´Hellbound´, ´Don’t Touch Me There´ und dem Cover ´Love Potion Nr.9´ ist dann auch gegen 22:40 Uhr wirklich Schluss und alle sind mit dem Auftritt der Tygers und mit dem Festival insgesamt, mehr als zufrieden.

 

 

Im Anschluss an das Festival verteilten sich die ortsansässigen und angereisten Fans zum Plausch in den angrenzenden Bars und Metal Clubs und feiern das Wiedersehen nach einer langen Zeit der Pandemie mit Tapas und einigen Kaltgetränken bis in die frühen Morgenstunden.
Ein frühes Festivalende hat somit auch seine Vorteile.

Ich freue mich bereits jetzt auf das PMF XV im nächsten Jahr. Vielleicht reisen dann ein paar Leute mehr aus „Good Ol‘ Germany“ an, denn nicht nur das Festival, sondern auch Madrid ist immer eine Reise wert.