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SONIC YOUTH – In/Out/In

~ 2022 (Three Lobed Recordings) – Stil: Noise Rock/Avantgarde/Post Punk/Experimental ~


Die große Qualität von SONIC YOUTH lag schon von jeher in ihrer ausgewiesenen Vielseitigkeit. Ihre Vorliebe für Experimente, seltsame Strukturen und Stimmungen, ihre Fähigkeit, trotz ihrer chaotischen Instinkte klassische Songs zu schreiben, und der schiere Ehrgeiz ihrer Arbeit sind alles Markenzeichen der Band – und obwohl das alles nahezu untrennbar miteinander verbunden zu sein schien, vermittelten sie auch stets ein Gefühl der Unberechenbarkeit.

Während ihrer 30 gemeinsamen Jahre waren die New Yorker Noise-Avantgardisten jedenfalls nie vorhersehbar, von ihrem Major-Label-Sprung in den 90er Jahren über die Gründung ihres eigenen experimentellen Labels „SYR“ bis hin zu der Tatsache, dass sich keine ihrer Live-Shows bei der Songauswahl ähnelten.

Auch rund 10 Jahre nach ihrer wohl endgültigen Trennung fällt es schwer, einen Abschluss zu finden, und sie trösten uns nun mit dieser neuen EP, einer Sammlung größtenteils unveröffentlichten Materials aus den Nuller-Jahren. ´In/Out/In´ dokumentiert insofern den Übergang der gemeinsamen Jahre mit Jim O’Rourke zu denen mit Mark Ibold, ist weniger kakophonisch, dafür aber freifließender und psychedelischer. Musik für Leute, die vor allem den ausladenden Klang von Gitarren lieben, wobei die fünf Stücke weder den disharmonischen No Wave der frühen 80er noch den klobigen Noise Rock ihrer 90er-Alben widerspiegeln.

 

 

Der Opener ´Basement Contender´ etwa, wurde 2008 im Heimstudio von Kim Gordon und Thurston Moore aufgenommen und ist ein rund neunminütiger, instrumentaler Krautrock-Jam voll an psychedelischer Zauberei, mit seinen lässigen, sauberen Gitarrenriffs und marschierenden Drum-Beats. Danach folgt mit dem hypnotischen ´In & Out´ der einzige Song mit Gesang, und Gordon stöhnt dabei melodisch trocken und schmerzhaft über ein gänzlich anderes Marschtempo und klirrende Gitarren hinweg. Bemerkenswert vor allem, dass das Stück teilweise während eines Soundchecks in Kalifornien als auch im bandeigenen „Echo Canyon“-Studio in NYC aufgenommen wurde.

´Machine´ hingegen beginnt mit einem hüpfenden Schlagzeug-Intro, das ein wenig an ´Bullet In The Heather´ erinnert, und fährt fort mit den typischen abgezupften Akkorden und unorthodoxen Harmonien. Der attraktive Abrieb des Songs dient erneut als Erinnerung dafür, dass SONIC YOUTH vor allem dann eine ausnahmslos schöne Sache sind, wenn sie an knorrigen und umfassenden Dissonanzen herumschrauben.

Es folgt das Eintauchen in die avantgardistischen Klanglandschaften von ´Social Static´, einem knapp 12-minütigen Ensemble aus pulsierenden Pieptönen, Feedback, und Rauschen, wobei überall in diesem elektrischen Boogaloo auch jazzige Drumbeats eingestreut sind.

Der Abschluss-Track ´Out & In´ fasst die Dinge schließlich zusammen und ist als erneuter Jam die stärkste Darstellung der Drei-Gitarren-Dynamik der Band. Zerknirschte Riffs in Kombination mit hängenden Slide-Leads und wechselnden Effekten dominieren hier eindeutig und entfesseln wiederum eine mehr als 10-minütige Reise, bei der einem wehmütig warm ums Herz wird.

(8 Punkte)

https://www.facebook.com/sonicyouth


Pic: Giotas