PlattenkritikenPressfrisch

NILÜFER YANYA – Painless

~ 2022 (ATO) – Stil: Indie Rock/Pop/Trip Hop ~


Die britische Künstlerin Nilüfer Yanya begann bereits 2014 im Alter von nur 19 Jahren, Musik zu veröffentlichen, aber der Durchbruch gelang ihr erst 2017 mit der Single ´Baby Luv´. Ihre technisch beeindruckenden und emotional ausdrucksstarken Rocksongs mögen zwar auf den ersten Eindruck eher unscheinbar klingen, sind jedoch makellos konstruiert, mit ihren hypnotischen Schlaufen, die sich mit der Zeit immer fester im Kopf einnisten. Yanyas zweites Album ´Painless´ wurde nun offenbar ganz absichtlich minimalistisch gehalten, und es macht Lust darauf, immer wieder neu in ihre Klangwelten einzusinken.

Im Vergleich zu ihrem Debütalbum ´Miss Universe´ von 2019 hat sich ihre Formel nicht drastisch verändert und beinhaltet nach wie vor unwiderstehlich ineinandergreifende Gitarren, trockene Percussion und eine Stimme, die zwischen gedämpft und gequält moduliert – nur wirkt der Sound nun noch etwas zurückhaltender und zugleich deutlich fokussierter. Es fühlt sich beinahe so an, als wäre die Britin inzwischen wesentlich selbstsicherer, und womöglich vermeidet sie gerade deshalb die poppigeren Momente, die einen erheblichen Teil ihres Debüts geprägt hatten.

Speziell was die Textur betrifft, ist ´Painless´ ein höchst beeindruckendes Album, bei dem der Sound zwar klar, und dennoch wie von einem weißen Rauschen überzogen ist. An manchen Stellen erinnert das ein stückweit an ´In Rainbows´ von RADIOHEAD oder die besseren SMASHING PUMPKINS, wie gleich beim Opener ´The Dealer´, der auf einem Breakbeat aufbaut, aus dem sich eine schimmernde Gitarre entspinnt, während Yanya mit ihrem wunderbaren Gesang dazu begleitet – ein luftiger, im Soul verwurzelter Ton, bei dem sie mit ihrer Phrasierung genau den passenden Groove findet. Andere treibende Songs wie ´Stablise´ und ´The Mystic´ etwa funktionieren ganz ähnlich und bewegen sich ebenfalls mit hektischer Energie.

 

 

Die Singleauskopplung ´Stabilise´ ist zweifellos einer der besten Popsongs, den Nilüfer Yanya je geschrieben hat, zugleich zuckend und explosiv, mit sich schlängelnden Gitarren und hektischen Drums, die sich zu einem lauten Refrain aufbauen: „There’s nothing there out/ For you and me/ I’m going nowhere/ Until it bleeds.“ Aber das exquisite Drama dieses Moments wird durch die Verse ausgeglichen, in denen sie davon flüstert, erwachsen werden zu müssen und sich ihrer selbst immer noch nicht sicher zu sein.

´Painless´ ist alles in allem gedämpfter und sanfter als sein Vorgänger, die Songs sind gleichzeitig berauschend und abgeschottet, und klingen oftmals wie ein innerer Monolog, in dem Yanya versucht, ihre Handlungen und Gefühle vor sich selbst zu rechtfertigen. ´Trouble´, ´Try´ und ´Company´ etwa sind voller schwerer Texturen und berauschender Texte und gehören zweifellos zu den meditativsten Werken der Londonerin.

Die Songs verharren nie am selben Ort und werden stets von brillanten, jedoch eher flüchtig wirkenden Ideen bevölkert. Nehmen wir nur die schmuddelige Gitarre in ´Midnight Sun´ oder ´Belong To You´, das von einem jazzigen Wirbel schließlich in einem statischen Rauschen aufblüht.

Nilüfer Yanya verfolgt auf ihrem neuesten Werk eindeutig einen Weniger-ist-mehr-Ansatz, wobei sich jeder Ton absolut beabsichtigt und wie auf den Punkt gebracht anfühlt. Es ist ein Schaufenster für ihre enormen Talente, und ein Moodboard dafür, auf wie viele verschiedene Arten sie ihre Gefühle und vor allem ihren Schmerz wiedergeben kann.

(8 Punkte)

https://www.facebook.com/niluferyanya

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"