PlattenkritikenPressfrisch

CHILD SAINT – Anthology

~ 1985/2022 (Lost Realm Records) – Stil: US Metal ~


CHILD SAINT heben die beiden Lead-Gitarristen John Spectre und Brian Scott 1984 aus der Taufe. Kevin DuBrow von QUIET RIOT gibt ihnen für ihre anvisierte Musikerkarriere sogar noch wichtige Ratschläge, die US Metal-Formation professionell aufzubauen, mit auf den Weg. Gemeinsam mit Brian Scotts Sandkastenkamerad Rick Rayl als Manager mieten sie daher umgehend ein Studio und schalten Anzeigen, um Mitmusiker zu finden.

Zuerst treffen sie auf Steve Hardin, dessen Bassspiel sie an IRON MAIDEN erinnert. Eines Tages steht dann Gary Schultze mit einem monströsen Drumkit vor ihrem Proberaum und begeistert sie vom Fleck weg. Letztendlich entdecken sie Rudy Grey für den lang vakanten Posten am Mikrofon und versuchen sich in der Folgezeit an Eigenkompositionen sowie Coverversionen, etwa von ´Victim Of Changes, ´2 Minutes To Midnight´ oder ´Free Wheel Burning´.

Als Steve Hardins Vater während der Nordamerikatournee von THE FIRM die Privatmaschine von Jimmy Page fliegen darf und er ihm von CHILD SAINT erzählt, möchte dieser unbedingt deren Musik hören, doch CHILD SAINT haben immer noch keine Aufnahmen produziert. Mit dem geliehenen Geld eines lokalen Mafiosis gehen sie schließlich in die “Gopher Baroque Studios” von Michael Mikulka in Garden Grove und nehmen die ersten Songs ´Child Saint´, ´To Die In The Sun´ und ´Maid Of Metal´ auf.

Es bleiben jedoch auch die letzten Lieder mit Rudy Grey, da der Sänger bereits nach der ersten Show die Gruppe in Richtung ENTICER verlässt. Nur wenige Wochen lang heißt ihr nächster Sänger John Russel, ehe Bob McCormack das klassische CHILD SAINT-Lineup vervollständigt. Viele Jahre, bis 1989 bleibt er der Band treu. Dennoch müssen sie eines Tages wieder auf die Suche gehen und finden Tim Winchester, mit dem sie die wohl besten Live-Shows ihrer Karriere spielen. Sie eröffnen für RACER X, HERETIC, SAXON, SAVATAGE, KEEL und Jimmy Crespo (AEROSMITH). Erst 1991 trennen sich endgültig die Wege aller Mitglieder von CHILD SAINT.

Immerhin feiert der Kern der Band 2017 nach dem Tod von Brian Scott ein Jahr zuvor eine kleine Wiedervereinigung.

 

 

In diesen Tagen veröffentlichen “Lost Realm Records” eine vollständige ´Anthology´ von CHILD SAINT, die nicht nur die Lieder der “Headway Studio Records” mit Rudy Grey und Bob McCormack enthält, sondern auch fünf weitere, dereinst unvollendete Studio-Aufnahmen, die Sänger Tim Winchester mit seinem Sohn Shayne im Sommer 2021 fertiggestellt hat, um die Werkschau zu komplettieren. Dadurch erhöht sich die Anzahl der Songs von sechs auf insgesamt elf.

Zusätzlich enthält die ´Anthology´ einen Silberling mit den Live-Aufnahmen vom “Waters Club” in Los Angeles aus dem Jahre 1988 mit Bob McCormack am Mikrofon sowie eine DVD mit eben jenem Konzert. Diese Live-Aufnahme vom 21. Mai 1988 dürfte dem einen oder anderen von der Live-Veröffentlichung ´Live In Los Angeles´ bekannt sein. Sie klingt rau, aber natürlich. Die Wiedergabe auf DVD ist natürlich optisch nicht besser geworden als die von YouTube bekannten Video-Aufnahmen, die es hier vollständig anzuschauen gilt.

 

 

CHILD SAINT sehen sich selber schwer von JUDAS PRIEST und IRON MAIDEN beeinflusst. Doch wie immer in der Geschichte heben US-amerikanische Gruppen ihre Musik mit Einflüssen aus Europa auf ein neues Level.

´Maid Of Metal´ ist eine echte Metal-Bombe, nicht nur aufgrund der unermüdlichen Schlagzeugarbeit, die zusammen mit ´To Die In The Sun´ und dem Instrumental ´The Voyage´ von den 1985er Aufnahmen in den “Headway Studios” mit Rudy Grey am Mikrofon stammt. ´To Die In The Sun´ besitzt sogar aufgrund des Gesangs einen feinen Hauch von INNER STRENGTH.

Denn CHILD SAINT tönen wie klassischer US Metal, der Jahre später mit etwa den mittleren STEEL PROPHET seine Progressivität entschlackt, hier aber noch in seiner Entdeckungsphase steckt, die bereits weitschweifiges wie ´Child Saint´ und heroisch-getragenes wie ´I Am Future´ abliefert. Das Hauptriff von ´Child Saint´ soll nebenbei bemerkt von Dave Mustaine stammen, der es jedoch nicht mochte und es an John Spectre abtrat. Dieser schrieb um dieses den angesprochenen Song. Als Dave Mustaine das Lied hörte, musste er das Riff schließlich doch noch bei MEGADETH in ´Polaris´ verarbeiten. ´Child Saint´ und ´I Am Future´ sind in jedem Fall den Aufnahmesessions mit Bob McCormack entsprungen, so wie auch ´The Horsemen´, das sich grandios schlagkräftig peu à peu steigert.

Überraschenderweise treten in späteren Songs mit Tim Winchester am Mikrofon die Einflüsse von etwa IRON MAIDEN in einem Song wie ´Blood For Gold´ deutlicher hervor. Dies ist die wunderbare Blaupause nach der hernach jahrzehntelang Heavy Metal-Songs geschrieben werden. Durch den Gesang von Tim Winchester schweben Songs wie ´Wrath Of Man´ ohnehin bisweilen in einer europäischen Atmosphäre. CHILD SAINT lassen sich aber, nach all den großartigen Songs wie ´That Was Then´ zu urteilen, auch Ende der Achtzigerjahre nicht aus ihrem US-metallischen Konzept bringen.

Dass allerdings bis zum heutigen Tag nur die mega-rare Zwei-Song-EP ´Child Saint´/´I Am Future´ aus dem Jahre 1988 das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat, ist mehr als erschreckend, da die ´Anthology´ vorzüglich offenlegt, welch riesige Talente in CHILD SAINT schlummerten. Denn die Songs sind augenscheinlich äußerst …

(Kultverdächtig)

 

 

Bandaufstellung:
John Spectre – Gitarren
Brian Scott – Gitarren
Steve Hardin – Bass
Gary Schultze – Drums
Bob McCormack – Gesang
Rudy Grey – Gesang
Tim Winchester – Gesang

facebook.com/lostrealmrecords

https://www.facebook.com/ChildSaintMetal/

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"