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KULT KOMPASS Januar 2022

Welcome im neuen Jahr mit dem Kompass Januar, willkommen zum KOMPASS JANUAR 2022.

Kurz bevor der Veröffentlichungswahnsinn wieder auf den quantitativen Rausch des Vorjahres anschwillt, herrschte über den Jahreswechsel hinweg erst einmal eine kurze Entspannungsphase. Nichtsdestotrotz haben wir noch einiges aus 2021 und schon aus 2022 gefunden, das für den Schnelldurchlauf dieses Kompasses mehr als zwei Worte verdient.

Somit bleibt Euch auch in diesem Monat nichts anderes übrig, als Stift und Zettel parat zu halten, um Euch Notizen für das weitere Ausschwärmen im musikalischen Schlaraffenland machen zu können.

Viel Freunde beim Lesen.

 

 

 

M o n a t s h e r r l i c h k e i t

 

 

 

 

 

Q u i c k – R e v i e w s


ARKETS – Dark Light
2022 (M&O Music) – Stil: Alternative Rock

Sie bezeichnen sich als explosive Gruppe der alternativen Rockbewegung. Sie fügen zu ihrem Rock noch leichten Jazz, Progressive Rock, Elektro und Weltmusik hinzu. Das Ergebnis ist schlichtweg ARKETS.

Auf ihrem Album ´Dark Light´ finden sich tatsächlich Licht und Schatten wieder, Finsternis und Helligkeit. In der ersten Hälfte fühlen sie sich im Progressive Rock und Jazz wonnig wohl, während sie in den restlichen Kompositionen in die Schwärze von Tod und Verfolgung hinabsteigen.

Im Mittelpunkt steht natürlich Sänger Romain Frati (am Klavier, an der Akustikgitarre und den Keyboards) sowie Gitarrist Mathieu Marie (den Bass von Loïc Turpin und Apollo Munyanshongore sowie das Schlagzeug von Jean-Marc Robin nicht zu vergessen). ARKETS sind eine äußerst interessante Entdeckung aus Frankreich.

(Michael Haifl) – https://www.facebook.com/ARKETSMUSIC


BRNS – Celluloid Swamp
2021 (Louis Records/Yotanka Records) – Stil: Indie-Rock / Electro-Pop

Die nächste Band auf dem Weg in die Zukunft heißt BRNS. 2011 veröffentlichten sie ihre erste Single (´Mexiko´), 2012 ihre erste EP (´Wounded´) und 2014 ihren ersten Longplayer (´Patine´). Dabei ist es zu ihrem Markenzeichen geworden, dass sie ihre elektronischen Klänge hemmungslos auch in andere musikalische Bereiche führen.

Selbst auf ihrem vierten Werk ´Celluloid Swamp´ finden sich neben Vintage-Synth-Klängen auch welche des Indie-Pop-Rock. Abermals von Alexis Berthelot (FRANK OCEAN, MOSES SUMNEY) produziert, sind der Gesang von Nele De Gussem sowie von Schlagzeuger Timpthée Philippe der weitere große Vorteil von BRNS. Da die zehn Songs als Tagebuch eines siebentägigen Roadtrips durch New York verfasst wurden, aufgenommen im „Studio G“ in Brooklyn, darf ´Celluloid Swamp´ gerne als ´Clutching At Straws´ für Elektro-Popper angesehen werden.

(Michael Haifl) – https://www.facebook.com/BRNSmusic


CLOSURE IN MOSCOW – The Penance And The Patience
2008/2021 (Bird’s Robe Records) – Stil: Alternative/Prog Rock

CLOSURE IN MOSCOW standen 2008 plötzlich mit der EP ´The Penance And The Patience´ auf der Showbühne. Dieses ausgezeichnete Schmuckstück erbrachte ihnen auch außerhalb von Australien großen Respekt. Die aktuelle Wiederveröffentlichung erscheint natürlich im Rahmen der Feierlichkeiten ihres Labels und sogar erstmals auf Vinyl. Dass die Band dereinst etwas zwischen den Stühlen saß und die intelligente Form des Pop und Prog, des Modern Rock darstellten, sollte ihnen auf ihrer weiteren erfolgreichen Karriere nicht im Wege stehen. CLOSURE IN MOSCOW waren jung, waren ein Quintett aus Melbourne, liebten Falsettgesang á CIRCA SURVIVE oder COHEED AND CAMBRIA und schenkten melodischen, modernen und progressiven Avantgarde-Rock der Extraklasse aus.

(Michael Haifl) – https://www.facebook.com/closureinmoscow


CUMBIA CHICHARRA – El Grito
2022 (Cumbia Chicharra) – Stil: World / Cumbia / Latin

Seit 2008 vereinen CUMBIA CHICHARRA Moderne und Tradition. Die achtköpfige Gruppe begeistert Menschen von Chile bis Russland, von Deutschland bis Kroatien mit großen Bühnenshows und üppigen Tanzchoreographien.

In ihrer Heimat bereits äußerst beliebt, soll nach ´Ya Va A Empezar´ (2009), ´Sudor´ (2013) und ´Hijo De Tigre´ (2018) das vierte und aktuelle Werk ´El Grito´ die Cumbia-Formation CUMBIA CHICHARRA auch fern von Marseille auf der Beliebtheitsskala ganz nach oben tragen.

Lateinamerikanische Rhythmen begegnen auf acht Kompositionen Afrobeat, Funk, Rock, Psychedelia, Dub, Electronic und Hip-Hop. Rhythmuswechsel und Rhythmusvariationen regen an und sind für tänzerische Einlagen erschaffen. Ein echte Verführung aus Marseille.

(Michael Haifl) – https://www.facebook.com/CumbiaChicharra/


CURSE OF LONO – People In Cars
2021 (Submarine Cat Records) – Stil: Americana, Folk

Zu spät für die Jahresbestenlisten, aber nicht zu spät für den Kompass: ´People In Cars´ von CURSE OF LONO.

Das Solo-Projekt von Felix Bechtolsheimer lässt auf dem dritten Werk den persönlichen Verlust und die persönliche Trauer real werden, so dass Songs randvoll mit emotionalen Geschichten entstanden sind. Musikalisch darf der Hörer an Leonard Cohen, an Nick Cave oder Tom Waits, im Indie und Alternative Rock-Umfeld an THE NATIONAL denken. Felix Bechtolsheimer musste hingegen an seinen Vater, seinen Onkel und seine Ex-Lebenspartnerin denken, die innerhalb eines Jahres verstarben.

Trauerbewältigung kann dermaßen schön sein, wenn sie sich nur auf Seiten des (Zu-)Hörers abspielt.

(Michael Haifl) – https://www.facebook.com/curseoflonoband/


FEED THE SHARKS – s/t
2022 (M&O Music) – Stil: Metalcore

Nein, heute heißt es nicht FEED HER TO THE SHARKS, sondern schlicht FEED THE SHARKS.

Die Gruppe aus Genf spielt auf ihrer selbstbetitelten EP melodischen Metalcore, der auch klare Vocals aufzubieten hat, auf den Spuren von KILLSWITCH ENGAGE und ATREYU. Sie lassen zudem auch Sounds der Marke HOLLYWOOD UNDEAD und PAPA ROACH in ihre fünf Kompositionen, die Freunde dieser Stilistik aufhorchen lassen sollen.

Hört mal rein.

(Michael Haifl) – https://www.facebook.com/feedthesharksband/

 

 


HARPYIE – Blutbann
2022 (Metalville Records/Rough Trade) – Stil: Folk-Metal

HARPYIE schauen nicht zurück. Im Gestern liegt das Coveralbum aus Megalopolis Knight City. Im Heute steht das neue Studioalbum.

HARPYIE haben auf ihrer siebten Studioscheibe die Geige eingemottet und die Drehleier entmottet. Allein diese kleine Veränderung macht sich im Sound der Ostwestfalen bemerkbar. Sie rufen Blut und Tod, Angst und Tod, Tod und Liebe und erzählen schaurige Geschichten über Mörder, Vampire und Geister, haben natürlich auch vertraute Köpfe wie Jack the Ripper im Vers. Und der Folk-Metal kracht zum alten Slogan „Mörder saufen Blut“ natürlich noch aufgebrachter und hitziger aus den Speakern.

Blow your speakers, blow your Badewanne.

(Michael Haifl) – www.facebook.com/harpyien


HOLLOW – The Infinite Cycle
2022 (M&O Music) – Stil: Metal

Der Multiinstrumentalist Chuc Bawol ist als Schlagzeuger von LITIGE und als Sänger/Gitarrist von TRASH HEAVEN kein Unbekannter mehr. Mit seinem ersten Werk unter dem Projektnamen HOLLOW nimmt er sich dem melodischen Heavy Metal an, fügt allerdings auch Death-Growls und bisweilen eine thrashige Härte ein.

Somit müssen sich wirklich fröhliche Metaller mit der Freude am Tanzen und Luftgitarren-Schwingen zum Genuss von ´The Infinity Cycle´ einfinden, die bei diesem vielleicht sogar italienisch klingenden Werk aus Frankreich auch mal ein paar wütende Ausbrecher verkraften können.

Nette Mischung für den Sonntagnachmittagstee mit Ur-Oma Lisbeth.

(Michael Haifl) – https://www.facebook.com/Hollow-201181419965863


KAUAN – Sorni Nai – Live
2021 (Artoffact/Membran) – Stil: Extreme/Post Rock

Nach dem noch aktuellen Studioalbum ´Ice Fleet´ widmen sich KAUAN erst einmal wieder der Vergangenheit in Form ihres 2015er Werkes ´Sorni Nai´. Das Studioalbum über das „Unglück am Djatlow-Pass“, wie der ungeklärte Tod von neun Skiwanderern in der Nacht vom 1. auf den 2. Februar 1959 im nördlichen Ural in der Sowjetunion bezeichnet wird, stand der rätselhaften Aura von KAUAN gut zu Gesicht.

Jetzt veröffentlicht die ehemalige russische Band, die in die Ukraine und dann nach Estland übergesiedelt ist, einen Live-Mitschnitt der ´Sorni Nai´-Aufführung vom 26. Februar 2016 aus Kiew und beweist, dass KAUAN auch in der Atmosphäre einer Bühne ihren Black-Extreme-Metal in die Ebenen des Folk, Prog und Post Rock verlustlos schweben lassen können.

Für die Die-Hard-Anhängerschaft von KAUAN.

(Michael Haifl) – https://www.facebook.com/kauanmusic


TILL KERSTING – Circuskind
2021 (Bear Family) – Stil: Rock

Würde Marius Müller-Westernhagen noch die Freiheit leben und nicht nur zur Bereicherung seines Bankkontos die Freiheit besingen, könnte er als moderner Rock-Künstler der Gegenwart manchmal wie Till Kersting tönen. Denn dieser erzählt schlicht Geschichten aus dem Leben und lässt dazu seine Telecaster dröhnen.

Dennoch kommt Till Kersting nicht aus der Gosse, er hat die 50er bis 70er Jahre seiner Väter und Mütter schwer verinnerlicht, so dass von seinen Liedern nicht unbedingt der Dreck der Straße tropft. Ein ´Uschi Obermaier´ könnte vielmehr aus der Produktionsstätte von Stefan Raab und Guildo Horn stammen. Nicht unerwartet, schließlich ist Till Kersting musikalischer Leiter bei „Pussy Terror TV“ in der ARD und unterstützt Carolin Kebekus in ihrer TV-Show „DCKS“. Immerhin hat sich Till Kersting auch für zwei Bandmitgliedschaften entschieden, bei Tommy Engel und dem Rockabilly Dreigestirn THE BASEBALLS ist er ebenfalls involviert.

Daher tönen seine Kompositionen immer dann am stärksten, wenn der Singer-Songwriter-Muff vom uramerikanischen Rock-Geist durchflutet wird sowie die Gitarre kratzt und jault.

(Michael Haifl) – https://www.facebook.com/tillkerstingofficial


JACK KEROUAC – 100 Years Of Beatitude
2022 (Bear Family) – Stil: Word Jazz/Beat

Neben dem in der Musik revolutionären Rock’n’Roll, agierten auch zeitgleich Schriftsteller als Vertreter der Beat Generation. Zu den bedeutendsten, als Keimzelle der Beat Generation zählten Jack Kerouac, Allen Ginsberg und William S. Burroughs. Sie agierten von den späten 40s bis in die 60s hinein.

Da Jack Kerouac im kommenden Monat seinen 100. Geburtstag feiern würde, gehört in diesen Tagen auch der Popliteratur gedacht, um diesen Festtag musikalisch zu begleiten.

Auf zwei Silberlingen im Digisleeve schenkt uns die „Bear Family“ 52 Lieder und historische Dokumente aus der Beat-Epoche, aus 1946 bis 1963. Wir hören Be Bop Jazz (mit Chet Baker, Dizzy Gillespie, Charlie Parker u.a.), Word Jazz (mit Oscar Brown, Jr., Don Morrow und Jack Kerouac selbst mit Steve Allen), Rhythm ’n‘ Blues (Big Jay McNeely, Babs Gonzales u.a.), Popmusik und Rock’n’Roll sowie satirische Novelty-Nummern. Hinzu kommen eine Jack-Kerouac-Lesung, ein Interview, eine Allen Ginsberg Rezitation, zwei Lesungen aus dem Film „High School Confidential“ erstmals auf CD sowie Sounds aus dem 1959er Film „The Beat Generation“.

(Michael Haifl)


KOSMODOME – Kosmodome
2021 (Karisma Records/Plastic Head) – Stil: Alternative/ Psychedelic Rock

Wer gerne die Nostalgie in ein zeitgemäßes Alternative und Psychedelic Rock-Kostüm gepackt haben möchte, ist bei den Brüdern Sandvik genau richtig aufgehoben.

KOSMODOME machen die Landschaften Norwegens mit der Atmosphäre aus den Sechzigerjahren und den Prog-Elementen der Siebzigerjahren sichtbar. Sturle und Severin Sandvik halten dabei auch nicht die gewohnt nordische Melancholie unter Verschluss.

Wer im ersten Moment an MOTORPSYCHO oder an ARABS IN ASPIC denkt, wird schnell merken, dass sich hinter KOSMODOME auch Hinweise zu HAWKWIND, LED ZEP, QOTSA, AMPLIFIER, MAGIC PIE und MASTERS OF REALITY sowie noch vielen anderen Bands der Historie ausmachen lassen.

(Michael Haifl) – https://www.facebook.com/Kosmodome


LES YEUX D´LA TETE – Bonne Nouvelle
2021 (Fais & Ris) – Stil: Sinti-Swing / Balkanbeats 

2006 gründeten Balkan-Musiker Benoit Savard und Rock-Musiker Guillaume Jousselin die Formation LES YEUX D´LA TÊTE. Doch nicht erst seit ihrem Durchbruch mit dem 2016er Werk ´Liberté Chérie´ und den Auftritten auf dem „Burg-Herzberg-Festival“ oder dem „Afrika Karibik Fest“ sind die Pariser auch in Deutschland schwer angesagt.

Der französische Geheimtipp eroberte sich mit Bass, Schlagzeug, Percussion, Kontrabass, Altsaxophon, Sopran, Akkordeon, Trompete, Akustik- und E-Gitarre zu Chanson und Sinti-Swing, zu Poetik-Punk, zu Rock, Folk und Jazz, zu Balkanbeats und zu Walzern die Herzen ihrer Live-Zuhörerschaft. Wer einmal zu den Rhythmen von LES YEUX D´LA TÊTE getanzt hat, wird den Spaß und die Freude am Leben nicht mehr vergessen.

Mit dem brandneuen und fünften Studioalbum ´Bonne Nouvelle´ erobern sie abermals alle Herzen, auf Französisch.

(Michael Haifl) – https://www.facebook.com/lesyeuxdlatete


OMAR PENE – Climat
2022 (Contre Jour/Diamono Production/Safoul) – Stil: World Africa / Afrobeat

Omar Pene ist eine Legende der westafrikanischen Popmusik. Der Senegalese feierte mit der zehnköpfige Band SUPER DIAMONO in den Siebzigerjahren erste große Erfolge und startete seit den Achtzigerjahren als Solo-Künstler mit inzwischen 15 Scheiben durch.

Nach acht Jahren erscheint ein neues Solo-Werk des Sängers und Komponisten: ´Climat´. Drei Jahre benötigte er, um zwischen Dakar und Paris keine Rallye zu fahren, sondern die Aufnahmen zu vollenden. Dabei beschäftigt sich Omar Pene mit dem Klimawandel und fordert für junge Menschen mehr Bildung, um der Rekrutierung durch dschihadistische Bewegungen zu entgehen.

Neben einem Duett mit dem Rapper/Sänger und Produzenten Faada Freddy fühlt sich Omar Pene im Soul, Pop und Funk sowie im Afrobeat wohl, aber ebenso im Mix aus Gitarrenklängen und traditionellem Mbalax, einer vor allem im Senegal und Gambia populären Musikrichtung aus Rhythm and Blues und Soca.

Ein Hochgenuss für Weltmusik-Genießer.

(Michael Haifl)


OTTONE PESANTE – …And The Black Bells Rang
2022 (Aural Music) – Stil: Brass Metal

Zum letzten Album ´DoomooD´ der italienischen Brass Metaller haben wir hier auf den Seiten des SaitenKult viele lobende Stimmen gesammelt. Nun lassen sie zwei Jahre später eine vierstückige EP folgen. Vorfreude. Vorfreude, die abgelöst wird durch leichte Enttäuschung. Einzig ein Stück vermag dem Album inhaltlich wie kompositorisch zu folgen. Ein vibrierend schwingender Dauerton der übergeht in eine kurze Anmutung einer Melodie. Diese als Loop, sich dauernd wiederholend, steigert sich unablässig. Lauter und wilder, bis hin apokalyptischen Erlösung. ´Die Ewige Wiederkunft Des Gleichen´ ist für sich ein 10-Punkte-Track. Leider sind die drei anderen nur leise Schatten dieser Genialität, so steht zu befürchten, dass dieser eine auch kaum zur Wirkung kommt. Schade.

(Mario Wolski) – http://www.ottonepesante.it/


PRIMAL RAGE – Awakening The Masses
2021 (M&O Music) – Stil: Thrash/ Core

Nachdem es PRIMAL RAGE zwischen 1988 und 1998 nur zu drei Demo-Produktionen gebracht haben, sind die Franzosen seit ihrer Reaktivierung im Jahre 2017 hoffnungsvoller gestimmt. Denn 2021 erscheint endlich ihr Debüt ´Awakening The Masses´, auch wenn jetzt die Zeiten weltweit nicht die besten sein mögen.

PRIMAL RAGE waren frühen ein Thrash-Monster. Nun haben sie das Monster noch mit Metalcore gefüttert, um so die aktuelle Hitze des Gefechts auszuhalten. Tatsächlich muss man sich nur die Songtitel übersetzen: etwa „Keine Heilung für Hass“, „Freiheit ist eine Lüge“ und „Erwachen der Massen“ – und weiß, was die Stunde geschlagen hat. Aggressiver und wütender Gesang sind bei dieser musikalischen Ausrichtung und diesen Aussagen nur noch Mittel zum Zweck.

(Michael Haifl) – https://www.facebook.com/primalrageFR/


THE QUILL – Live, New, Borrowed, Blue
2022 (Metalville/Rough Trade)

Auch THE QUILL hatten in diesen trostlosen Tagen der Gegenwart Zeit, sich der Vergangenheit zu besinnen und in Erinnerungen zu schwelgen. Dabei fiel ihnen der eine oder andere Song ein, der es nicht auf ein reguläres Studioalbum geschafft hat.

Daher trugen sie als erstes die Songs zusammen, die bislang nicht auf dem letzten Studioalbum ´Earthrise´ zu finden waren. Als nächstes suchten sie die Songs von ihnen zusammen, die auf all den beliebten Tribut-Alben Ende der Neunzigerjahre zu finden waren: ´S.O.S.´ von AEROSMITH, ´Where Eagles Dare´ von IRON MAIDEN, ´Mount Everest´ von NOVEMBER und ´Frozen Over´ von CAPTAIN BEYOND. Als letztes fügten sie dieser Kompilation noch zwei Live-Songs vom „Sweden Rock Festival 2019“ hinzu: ´Keep It Together´ und ´Hole In My Head´.

Jetzt hatten THE QUILL wieder ein breites Grinsen auf dem Gesicht, ein Bier in der Hand und ´Live, New, Borrowed, Blue´ dröhnend in der Anlage.

(Michael Haifl) – www.facebook.com/thequillsweden


BIANCA STÜCKER – De Alchemia
2022 (Eygennutz Records) – Stil: Dark Folk/Pop

Bianca Stücker ist als Schriftstellerin (2007er Debüt „Schaulaufen für Anfänger“) sowie Musikerin und Sängerin (VIOLET, THE VIOLET TRIBE, MARK BENEKE) bekannt. Aber auch als Solo-Künstlerin wagt sie Sprünge zwischen Pop und Kirchenmusik.

Mit ihrem neuen Album ´De Alchemia´ versetzt sie ihre Hörerschaft in Trance, nutzt Nyckelharpa, Cornamuse, Rauschpfeife und Tagelharpa sowie Hackbrett, Cembalo und Flöten im Verbund mit Bässen und Beats. Sie präsentiert deutsche, lateinische, französische, spanische, finnische und englische Texte. Zudem schließt sie an den Vorgänger ´Fate & Wisdom´ an, indem sie erneut Texte aus dem mehr als 300 Jahre alten „Chymischen Lustgärtlein“ vertont.

Wer „Dark witchy Folk“ hört, an FAUN oder DEAD CAN DANCE denkt, ist bei Bianca Stücker goldrichtig.

(Michael Haifl) – https://www.facebook.com/biancastuecker/


SCHRAT – Seelenfresser
2021 (Folter Records) – Stil: Black Metal

Germaniens SCHRAT widmen sich nach den drei Vorgängern ´Bestimmung – Raserei´, ´Schattenwahn´ und ´Alptraumgänger´ erstmals einem roten, besser schwarzen konzeptionellen Faden, um den ´Seelenfresser´ rauszulassen.

SCHRAT fühlen sich weiterhin als misanthropische Waldgeister und Beschützer der Natur, allerdings auch als Feinde der menschlichen Rasse, die sie wie Parasiten gerne bekämpfen würden. Entgegen der Heiligen Dreifaltigkeit beschwören sie die unheilige Dreifaltigkeit, die blasphemische dreiköpfige Kreatur. Wer an das Eine glaubt, bekennt sich schließlich auch zum Anderen.

Dabei erhoffen sie sich den Untergang der Menschheit und kommen im Jahre 2022 geradewegs zur rechten Zeit bei der Durchführung der apokalyptischen Zerstörung. SCHRAT rasen schnell, zerstörerisch, präzise und schwarzseherisch durch die Apokalypse, die Menschheit torkelt daneben in den Untergang. Guten Abend.

(Michael Haifl) – https://www.facebook.com/Schratstahl


SVARTSOT – Kumbl
2021 (Mighty Music) – Stil: Folk Metal

Es ist was faul im Staate Dänemark. Zumindest hat man da wohl ein kleines Aggressionsproblem. Anders ist es nicht für mich erklärbar. Da freue ich mich auf ein Folk Metal-Album, das altes dänisches Liedgut ins Heute überträgt. Ich bekomme Folk Metal.

Instrumental ist das auch sehr nachmeinem Geschmack. Es ist tatsächlich in erster Linie Metal, bisweilen ein wenig kauzig, tolles Riffing, zarte Akustikpassagen und passendem Geflöte und Gefiedel. Das ist bis hierhin nahe an den Ungarn DALRIADA. Es erinnert aber auch an die glorreichen frühen Zeiten von SUBWAY TO SALLY oder IN EXTREMO.

Muss aber dieser andauernde, sinistre und monotone, ja, viel zu böse Grunzgesang sein? Das nimmt zumindest mir den Hörgenuss. Dabei habe ich so gehofft, dass mir ´Kumbl´ gefallen könnte. Schade. Fans von Growls dürfen auf die 6 Punkte gerne noch aufschlagen.

(Mario Wolski) – https://www.facebook.com/svartsot


TEMPLE OF EVIL – Apolytrosis
2021 (Folter Records) – Stil: Black Metal

Auch in Zypern finden sich finstere Gesellen, die sich dem Black Metal verschrieben haben. TEMPLE OF EVIL heißen sie und nehmen sich für ihre atmosphärischen Rituale ausreichend Zeit. Denn nach der Gründung ihres Bundes anno 2008 dauerte es bis zum Jahre 2015, ehe das Debüt ´The 7th Awakening´ aus dem Schlund der Hölle geboren wurde, und weitere sechs Jahre, um ´Apolytrosis´ aus den schwarzen Händen des Quartetts zu gebären.

TEMPLE OF EVIL beschwören die Finsternis in einer unheilvollen Atmosphäre, nutzen eine gewisse monogame Brachialgewalt mit Blastbeatattacken, besitzen allerdings auch melodische und doomige Abschnitte, um ein Riff-Feuer zu Abstieg und Aufstieg, zu Verzweiflung und Selbstverleugnung sowie zur Erlösung in griechischer Sprache auszulegen.

´Apolytrosis´ ist die große Erlösung und vollständige Rettung aus der unfreiwilligen Gefangenschaft. Die Freiheit zeigt fesselnden Space und Doom in Eintracht mit tiefem Black.

(Michael Haifl) – https://www.facebook.com/templeofevilband


THE SEA SHALL NOT HAVE THEM – Debris
2021 (Independent) – Stil: Post Rock

Träumer der Traumstadt mussten tatsächlich seit 2012 auf ein weiteres, abendfüllendes Lebenszeichen von THE SEA SHALL NOT HAVE THEM warten, während die Zeit für berühmten australischen Post Rock mit den Korallenriffs dahinstarb.

Nun sind Curt Emerton (Gitarre, Bass, Keyboards) und Mat Wilton (Drums, Percussion, Field Recordings) wieder zurück, um ihren cineastischen Post Rock wiederzubeleben. Damit sie auch einen Fuß in die gewöhnliche Musik-Szene setzen können, haben sie für einen Song namens ´Lower The Sky´ sogar Ed Fraser (HEADS./CUT) ans Mikrofon gezerrt.

Ansonsten ist die in den „Airlock Studios“ in Brisbane aufgenommene und von Steve Kempnich gemischte Scheibe ein echter Traumfänger für alle Post Rock-Gourmets geworden. Nicht nur, weil sich noch Ian Haug (POWDERFINGER, THE CHURCH, THE PREDATORS) als Gastgitarrist bei ´Everything Melts´ auszeichnet.

(Michael Haifl) – https://www.facebook.com/tssnhtband


PIERRE VERVLOESEM GROUP – 30 Years Of Success
2022 (Off Recordlabel) – Stil: Jazz / Experimental / Prog Rock

Pierre Vervloesem blickt zurück und nach vorne. Zusammen mit Bruno Vansina (TEUN VERBRUGGEN, RAT), Nicolas Dechêne (UNIVERS ZERO) und Renaud van Hooland bilden sie die Gruppe PIERRE VERVLOESEM GROUP.

´30 Years Of Success´ bietet außergewöhnlichen Improvisationsreichtum, der eine gelungene Zusammenstellung eines Live-Sets ergäbe. Pierre Vervloesem blickt auf die Songs des 2019er Werkes ´Artiste International´ zurück und stürzt sich bei den insgesamt zwölf Instrumental-Stücken auch auf ´Undeletable´ (2014) und ´Sketches Of Pain´ (2010).

Dass Pierre Vervloesem eine ungewöhnliche Karriere hinter sich hat, soll dem Neueinsteiger nicht vorenthalten bleiben. Er war Mitglied bei einigen experimentellen Rock- und Avantgarde-Bands wie X-LEGGED SALLY und produzierte mit Peter Vermeersch die ersten beiden DEUS-Veröffentlichungen. Doch die Vorlieben des Frank Zappa-Liebhabers sind vielfältig und erstrecken sich über Jazz und Rock bis hin zu Metal und Avantgarde.

(8,5 Punkte – Michael Haifl)


 

 

Bis zum nächsten Klick.
Euer
Michael und das gesamte SaitenKult-Team

 


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