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NAPALM DEATH – Resentment Is Always Seismic – A Final Throw Of Throes

~ 2022 (Century Media) – Stil: Grindcore/Experimental/Noise ~


Nach mehr als 30 Jahren und zahlreichen Besetzungswechseln klingen NAPALM DEATH, die Grind-Pioniere aus Birmingham, immer noch wie das musikalische Äquivalent zu einer Elektroschocktherapie. Ihr Sound gleicht einem belebenden Aufrütteln unseres Systems, der bei aller scheinbaren Barbarei, eine positive Transformation herbeiführen soll.

Dieser quasi-therapeutische Aspekt spiegelte sich bereits im Titel ihres letzten Studioalbums ´Throes Of Joy In The Jaws Of Defeatism´ wider, wobei die Band im Laufe der Jahre ihren humanistischen Prinzipien ohnehin stets treu geblieben war – und mit ´Resentment Is Always Seismic – A Final Throw Of Throes´ behaupten sie sich einmal mehr als eine bärenstarke Kraftnahrung fürs Leben. NAPALM DEATH sind jedenfalls auch anno 2022 eine konsequente Herangehensweise an die Herausforderungen zeitgenössischer Musik, mit ihren viszeralen, elektrifizierenden Live-Auftritten, und die aktuelle Besetzung besteht mittlerweile nur noch aus dem Trio Mark „Barney“ Greenway, Shane Embury und Danny Herrera.

´Resentment Is Always Seismic – A Final Throw Of Throes´ ist ein rund 30-minütiges Mini-Album, das auf Material zurückgreift, das zur gleichen Zeit wie das letzte Album geschrieben und aufgenommen wurde, und es enthält auch einige Experimente, die zweifellos zu überraschen verstehen.

 

 

Der Opener ´Narcissus´ ist geradezu überwältigend in seiner Wildheit – ein hämmernder, aggressiver Tritt in den Arsch, der das Album in ihrem typischen explosiven Stil einleitet. Beim folgenden ´Resentment Always Simmers´ verlangsamen die Briten die Dinge hingegen deutlich mit einer sludgigen Doom-Atmosphäre, und Greenways Gesang funktioniert auch bei den tieferen Tönen einfach wunderbar. Auf ´By Proxy´ erreicht die Band schon nahezu Warp-Geschwindigkeit, was das Schreien und Brüllen Barneys wieder deutlich auf einen erkennbareren Standard anhebt.

Eine wirkliche Überraschung findet sich jedoch schließlich vor allem bei der Wahl der Cover-Versionen. Die Neuinterpretation von SLABS` ´People Pie´ beispielsweise besticht vor allem durch Emburys gutturale Basslinien, die dem Song einen fetten Industrial-Vibe verleihen. Die darauf vertretenen Backing-Vocals und der ansteckende Groove unter schleppenden, klaren Vocals, ist zudem etwas Neues und gänzlich Frisches im Repertoire der drei Birminghamer.

Mit ´Man Bites Dogged´ kehren sie schließlich zu ihrem zügellosen Thrash-Stil zurück, dem das darauffolgende, knapp einminütige Knüppeln von BAD BRAINS` ´Don’t Need It´ aus deren Debütalbum in nichts nachsteht.

Man gewinnt den Eindruck, als ginge es NAPALM DEATH im Jahr 2022 auch darum, ihre charakteristische Bö auf die eine oder andere Weise zu optimieren – und so teilt sich ihr halsbrecherischer Grind mittlerweile, zumindest hin und wieder, den Raum mit Groove-Elementen, Crustpunk sowie Slowcore im Industrial-Style.

(8,5 Punkte)


(VÖ: 11.02.2022)