PlattenkritikenPressfrisch

TREST (D) – Ordalium / Chambre Ardente

~ 2022 (Amor Fati Productions) – Stil: Witch Black Metal ~


Was ist davon zu halten, wenn Männer sich auf Black Metal mit Hexenthemen spezialisieren? Okay, bei den komplett mysteriösen TREST weiß man ja nicht mal, ob es sich sämtlich um Männer handelt, doch zumindest beim Sänger gehe ich mal schwer davon aus. Zudem waren Hexen nicht ausschließlich, doch zum allergrössten Teil weiblich, es wurden, war die Folter nicht allein erfolgreich, teils bis ins 19. Jahrhundert Menschen jeglichen Geschlechts und Alters den Ordalia, also Gottesurteilen, unterworfen, die scheinbar über ihren Tod entschieden, deren Ausgang jedoch immer vorbestimmt war. Die „Wasserprobe“ lief zum Beispiel folgendermaßen ab: wirft man eine an Händen und Füssen gefesselte Hexe (oder auch Kinder als Stellvertreter von Angeklagten) in einen Teich und sie geht unter, war sie unschuldig (ist aber leider ertrunken…), schwimmt sie an der Wasseroberfläche, ist ihre Hexerei bestätigt und sie wird auf dem Scheiterhaufen bei lebendigem Leibe verbrannt. Es gibt kein Entkommen.

Wer darin Parallelen zur heutigen Zeit sieht – ganz richtig, täglich werden vor unseren Augen unschuldige Opfer verbrannt auf den stetig glühenden Scheiterhaufen der Social Media, sind ein gefundenes Fressen für die Sensations(geile)presse sowie deren gierendem Publikum, oder leiden so lange unter dem steten Gift von Mobbing aus ihrem Umfeld, bis sie irgendwann zusammenbrechen. Schlechte Nachrede, das Arsen der Moderne…womit wir bei der eigentlichen Thematik wären, der sich die ominösen Deutschen widmen. In den Liedern von ´Ordalium´, benannt „1st“ bis „5th Witch:“ und dem jeweiligen Namen, geht es bei den ersten vier um die jeweils letzten Prozesse wegen Hexerei und magischer Kräfte sowie die darauf folgenden Hinrichtungen in Schottland, Dänemark, Ostpreußen/Polen und Frankreich. Die Geschichte der Giftmörderin Gesche Gottfried (´5th Witch: Gesche´), die zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Bremen 15 Menschen durch arsenikhaltige „Mäusebutter“ umbrachte, leitet jedoch schon zur bisher unveröffentlichen EP ´Chambre Ardente´ über, die sich mit der Marquise de Brinvilliers befasst, bekannt für ihre Morde am Vater und ihren zwei Brüdern, und der daraufhin von Ludwig XIV. als Sondergericht eingerichteten Chambre ardente (franz., „glühende Kammer“ wegen des durch Fackeln erhellten Raumes, in dem meist der Feuertod verhängt wurde) sowie der nachfolgenden „Giftaffäre“ innerhalb des französischen Adels, die zu zahlreichen Hinrichtungen führte.

 

 

Aber zur Musik: während TRESTs Demo ´Ordalium´ bereits 2019 von „Caligari Records“ als Tape mit zwei unterschiedlich produzierten Versionen der fünf Songs (sehr naheliegend „Ordeal“ für die etwas klarere und „Pyre“ für die komplett rohe Produktion benannt…) herausgebracht wurde, ist ´Chambre Ardente´ eine neue EP mit zwei stilistisch deutlich fortgeschritteneren Songs. Beides zusammen wird nun durch „Amor Fati“ zusammen auf Vinyl veröffentlicht, wobei der ´Ordalium´-Teil die ´Ordeal´-Versionen umfasst. Wer jedoch nun einen klaren, polierten Sound erwartet, täuscht sich, entsprechend dem aktuellen Trend ist er roh, kalt, auf LoFi getrimmt, gerade was das Schlagzeug angeht, das wie in einem gekachelten Eiskeller aufgenommen klingt. Klirrender Hall überall, straight outta Kolbotn sozusagen. Ebenso unterirdische, monoton knurrende, grollende Vocals erzählen von Gottesurteilen und für ihre ungewöhnliche Lebensweise grausam Hingerichteten. TREST walzen schwergewichtig und zermürbend über einen hinweg, und zermahlen die noch übriggebliebenen Reste in einer nie stoppenden Blastbeat-Knochenmühle. Die Rettung naht allein durch die Gitarren, die nicht nur flirrend das Klangbild füllen, sondern es vor allem immer wieder durch teils überirdische Schönheit in den Gitarrenlinien kontrastieren. Hypnotisch, in die Zukunft weisend und tröstlich ist ihr Klang warm und einnehmend, gerade wenn sie zweistimmig spielen, es gesellen sich sogar hymnische Chöre dazu (´1st Witch: Horne´).

Lässt man sich ein auf diese zuerst so abweisende, doch auch mystische Musik, entdeckt man bald, wie individuell die einzelnen „Hexen“ beschrieben werden, durch unterschiedliche Songstrukturen, variierte Geschwindigkeit und raffiniert aufgebaute Stimmungen. So durchweht die Atmosphäre der von Pater Louis Debaraz angeblich zelebrierten Schwarzen Messen das melancholisch-bedrohliche ´2nd Witch: Debaraz´, bei ´3rd Witch: Zdunk´ meint man die vermeintlich von ihr angesteckte Stadt brennen zu hören, zudem erklingen Samples aus Horrorfilmen, und ´4th Witch: Palles´ führt zurück zu den üblichen Hexenphantasien von eintreffenden Flüchen, übersinnlichen Reisen und Teufelspakten. Die Komposition wird üppiger, nimmt galoppierend mehr Raum ein, was beim längsten Track auf ´Ordalium´, ´5th Witch: Gesche´, noch mehr ausgebaut wird. Diese ausführlich erzählende Spielweise findet sich in den neuen, nochmals deutlich vielschichtigeren und emotionaleren ´Chambre Ardente´-Stücken wieder, beide Longtracks spielen durch grosse, vibrierende Soundwälle und beschwörende Aufbauten mit beängstigender Atmosphäre und starker emotionaler Wirkung, man vermeint bei ´Brinvilliers´ himm- oder höllische Posaunen zu hören, bevor schliesslich der Scheiterhaufen unter übersteuertem Kirchengesang knistert. Auch der zur Aufklärung der Giftmorde eingerichtete ´Cour Des Pois´ kann, dissonant und unterirdisch hämmernd, die Geschichte zu keinem guten Ende bringen, auch wenn schliesslich unter festlichen, fast schon epischen Walzerklängen Rückschau gehalten wird.

TREST begeistern mit gross-, weil andersartigem, ungewohntem Düster-Black Metal aus Deutschland, und lassen nach dieser Vorlage, gerade der ´Chambre Ardente´-Songs, auf baldige weitere Alben hoffen. Für heute gibt es

8 um überführte Kirchenfürsten lodernde Scheiterhaufen.

 

Full Album Stream bei Season of Mist: https://youtu.be/omWAvZrmHBk

www.trest-parish.bandcamp.com


VÖ: 28.01.2022