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SIJJIN – Sumerian Promises

~ 2021 (Sepulchral Voice Records) – Stil: Death Thrash Metal ~


Als Mors Dalos Ra vor zwei Jahren die wohl wichtigste, weil ihr ganz eigenes Genre prägende, zeitgenössische deutsche Okkult-Death/Doom/Black Metal-Band endgültig zu Grabe trug, war der schmerzerfüllte Aufschrei der Fans gross. Schliesslich hatte zu diesem Zeitpunkt keiner auch nur annährend das schwergewichtige, labyrinthische 2018er Drei-Platten-Monument, das ´Domedon Doxomedon´ nun einmal darstellt, auch nur annähernd musikalisch, geschweige denn spirituell verdaut. Doch da es ein innerer Logik folgendes Ende mit langer Ankündigung war und genauso klar, dass es irgendwie anders weitergehen muss, dauerte es folgerichtig nicht lang, bis ein neuer schwarzer Stern am Death Metal-Himmel aufging: SIJJIN!

Das 4-Track-Demo ´Angel Of The Eastern Gate´ kündigte uns schon im selben Jahr Malte Gerickes Rückkehr auf die Bühne an, mit Ex-NECROS CHRISTOS-Kollege und Drummer Iván Hernández sowie dessen altem Kumpel Ekaitz Garmendia (beide u.a. EXTINCTION und LEGEN BELZA) im Gepäck. Die beiden Basken bringen entsprechend ihrem gemeinsamen Hintergrund eine mächtige Ladung Thrash mit in dieses Powertrio, und Multiinstrumentalist Malte bleibt natürlich am Mikro, hat jedoch von der Gitarre zum Bass gewechselt, was zusätzlich ein interessantes neues Flair erzeugt. Zudem kennt man sich schon von früher, in Ekaitz‘ BlackStorm Studios wurde ´Domedon Doxomedon´ aufgenommen, und es diente nun auch als Homebase für die anspruchsvolle Entstehung von ´ Sumerian Promises´. Denn SIJJIN haben sich der grossen Herausforderung gestellt, alles gemeinsam und vor allem live, ausschliesslich in vollständigen Takes einzuspielen: „No cuts, no edits, no bullshit.“.

 

 

Sicher, es handelt sich bei diesem Baskisch-Deutschen Projekt um eine deutlich straightere, aggressivere und schnellere, eben traditionelle Death Metal-Version als NC, aber gleichzeitig ist klar: wer im Albumtitel Sumerisches verspricht, huldigt seinen Göttern im Folgenden wie zuvor an den Altären des Wahnsinns, seien diese auch auf Sieben Kirchen verteilt. Es ist also eine Reise zurück in die glorreichen, vor allem nordamerikanischen Achtziger, zur Geburt des Death Metal aus dem hier vor allem Westküsten-Thrash (´Dagger Of A Thousand Deaths´, ´Darkness On Saqqara´…), und zurück zum alles niederknüppelnden OSDM, wie ihn damals neben den bereits Genannten vor allem DEATH, MASTER, SLAUGHTER, aber auch HELLHAMMER zelebrierten. Und diese Hinwendung zu Tradition, Brutalität und Direktheit macht SIJJIN selbst extrem viel Spass.

Aber, Obacht! Das soll keineswegs heissen, dass es sich um anspruchsloses Geknüppel handelt. Die Drei brettern zwar völlig unbeeindruckt von allen Genreschranken und Geschwindigkeitsbegrenzungen einfach los, lassen den Songs jedoch in der Folge viel Raum, sich zu entwickeln, spannungsmässig an- und anzuschwellen, zwischen mächtiger Harmonie und knochenzerfräsender Dissonanz ständig den Pfad des Neuen und Unbekannten zu finden (die Geschichtsstunde ´Condemned By Primal Contact´, das brilliant tödlich-treibende bis hymnische ´White Mantras Bleed From Black Magic´ oder die wunderbar orientalische Wüstenreise ´Outer Chambers Of Entity´) – eine Platte der durchgehenden Kontraste und Brüche, Stops and Gos, die deutlich mehr Dimensionen enthält als man beim ersten Durchgang vernehmen mag. Es handelt sich hier ja sämtlich um exzellente Musiker und Songwriter, und gerade was Ekaitz da an der Gitarre abzieht an abgefahren-komplexem Riffing und exaltierten Leads ist einfach nur der Wahnsinn, von Iváns Geblaste brauchen wir gar nicht zu sprechen, und Malte spielt dazu einen wunderbar trockenen und trotzdem groovenden Bass. Aber darüber liegt eben diese unverwechselbare und vor allem charismatische ultratiefe Stimme, die die okkulten Texte mit einer Autorität und Befehlsgewalt herausspeit, dass man schon beim Zuhören daheim nur in respektvollster Habachtstellung bangt.

Doch auch die verwöhnte NC-Anhängerschar bekommt einiges geboten, allein schon das damalige Titelstück fand aus gutem Grund vom Demo aufs Debütalbum, ´Angel of the Eastern Gate´ (Sic!, es geht eben doch nicht ohne Gates & Temples…) ist das längste und verspielteste Stück, eine Bestie, die ihre Spannung daraus bezieht, dass sie auf genial-vetrackte Weise an der kurzen Leine gehalten wird zwischen Highspeed und Midtempo, immer bereit sich endgültig loszureissen, aber doch im eisernen Griff zurückgehalten; zudem sind Maltes stakkatoartige Gewehrsalvenvocals hier noch eine Stufe hypnotisierender (Klingt widersprüchlich? Hört selbst!) als sonst, und die Harmonien winden sich noch eine Stufe hymnischer ins Ohr. Und wenn ich hier sage: auch SIJJIN muss sich erst in vielen Umläufen erarbeitet werden, meine ich damit auch die Begegnung mit alten Bekannten, die man so kunstvoll in die Songs eingearbeitet hat, dass der Aha-(oder Ugh?)-Effekt oft erst durch mehrmaliges konzentriertes Zuhören entsteht. Eine Hommage an die Pioniere und moderne Eigeninterpretation der Anfangstage des Death Metal zugleich, ist ´Sumerian Promises´ das beste (und wenn man das extrem ästhetische Logo betrachtet auch noch schönste) Weihnachtsgeschenk, das sich der gepflegt gealterte, sprich nicht nur nostalgische, sondern sich mit dem Genre weiterentwickelte Fan machen kann –  es wird ihn den bevorstehenden Winter über in der Man-Cave bestens unterhalten.

(8,5 Punkte)

https://sijjin.bandcamp.com/

https://www.facebook.com/Sijjin-102605617799602


(VÖ: 12.11.2021)