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MORDRED – The Dark Parade

 ~ 2021 (M-Theory Audio) – Stil: Thrash Metal ~


Ich kann sie hören, die Stimmen. Es sind jene Stimmen, die Dinge rufen wie, das ist kein Thrash mehr, MORDRED sind lahm und langweilig geworden. Ja, ich habe sogar Verständnis für diese Stimmen. Es ist doch einiges passiert in den 25 Jahren seit dem letzten Album. Die Band hat sich verändert. Wir haben uns verändert. Der eine wünscht sich dann eben von so einer alten Band genau den Sound, den er von früher kennt. Andere hingegen können dieser Entwicklung folgen.

Anfang der Neunziger gab es so eine Phase, als einige Bands der härteren Gangart begannen mit Rap- und Hip Hop-Elementen zu experimentieren. Oder es wurden Scratches eingebaut. Grenzen wurden niedergerissen. Zumindest wurde es versucht. So kamen dann plötzlich LIVING COLOUR oder 24-7 SPYZ ans Licht. Ganz großes Kino war das Debüt von RAGE AGAINST THE MACHINE. MORDRED gehörten zu jener Zeit dazu. Unter Vertrag bei „Noise Records“ war der Sprung vom 1989er Debüt ´Fool’s Game´ und dem 1991er ´In This Life´ beachtlich. Samples, Scratches, funkenschlagende Rhythmen machten den Zweitling zu einem Höhepunkt des Jahres. Mir persönlich gefielen hier genannte auch eher als der größte Teil der Grunge-Szene.

Und was ist aus diesem Crossover geworden? LIVING COLOUR sieht man nur noch sporadisch auf der Bühne. 24-7 SPYZ scheinen vergessen. RAGE AGAINST THE MACHINE haben ihre Wut nicht überstanden und wurden von der Maschine zermalmt. Und die RED HOT CHILLI PEPPERS machten ihren Weg in die arenentaugliche Popmusik. Dafür sind MORDRED nach 25 Jahren Pause wieder da. Erst 2020 mit der EP ´Volition´ und die bekommt nun ein Album an die Seite gestellt.

Mit ´Demonic #7´ beginnt die Jagd. Es ist nicht die wilde Hatz, wie die Fuchsjagd im adligen England. Eher gehen MORDRED drückend vor, ohne übermäßige Eile, dafür konsequent und mit dem Ziel vor Augen. Das ist nicht der Sprint auf den Champs-Élysées, das ist die Schlacht am Mont Ventoux. Wie heißt es im folgenden ´Malignancy´? „This is not for the light hearted!“ Dieser Song lässt eine treibende Strophe auf einen großen Chorus treffen.

Mit Schüssen und Polizeisirenen startet ´I Am Charlie´. Es dürfte klar sein, worum es hier geht. Stark ist die Umsetzung. Wut, Verzweiflung, Zorn, aber am Ende auch Hoffnung, vielfältig die Gefühle, die angesprochen werden. So geht es von „Why do you do that?“ zu „Nous sommes Charlie„. Zum Hüpfen verlockt dann ´Dragging For Bodies´. Damit ist schon genug gesagt.

Ausgepowert? Dann ist ein guter Zeitpunkt, mal durchzuatmen. Der Titelsong kommt mit Bläsern. Man stelle sich eine Marching Brass Band vor. Diese führt eine Parade an aus Geistern und Untoten, Voodoopriestern und Tierwesen. Wie Karneval, nur in Böse. Wie BLAAS OF GLORY (wer die kennt, weiß, dass Metal Songs mit Bläsern funktionieren) nur wütend. So zieht sie vorbei, die dunkle Parade. Ist dann das Geheul der Werwölfe verklungen, wird der Dampfdruck auf dem Kessel erhöht. ´All Eyes On The Prize´ dürfte wohl der crossoverigste Track des Albums sein, der dieses Album ziert. Wenn vorhin schon ein großer Refrain zu finden war, hier gibt es nun ein klassisches Guitar-Hero Solo.

Bei allem Wohlwollen, ´Dented Lives´ schafft es nicht, aus seiner Monotonie auszubrechen. Kein Stinker, aber es ist auch kein Höhepunkt. Da ist das hitverdächtige ´Smash Goes The Bottle´ mit seinem Southern Einschlag gleich ein anderes Kaliber.

Auf dem Album stecken, wie man es schon von früher kennt, ein paar Scratches. Die sind gelungen und harmonisch eingefügt, ohne zu nerven. Eher sorgen sie für zusätzliche Effekte. Da mögen die Gralshüter der reinen Lehre noch so schimpfen, ´The Dark Parade´ ist ein starkes Album, ein starkes Thrash-Album. Man braucht nicht immer Highspeed. Etwas langsamer ist oftmals viel wirkungsvoller. MORDRED können nach 25 Jahren Pause immer noch mit FLOTSAM & JETSAM oder anderen mithalten. Man sollte eben nur kein zweites ´Reign In Blood´ erwarten.

(8 Punkte – Mario Wolski)

 

 

Auch wenn ich mit einigen Aussagen meines Vorredners bezüglich Veränderungen, Zeit, Perspektivwechsel etc. pp. konform gehe, nein, das neue MORDRED-Album überzeugt mich nicht. Ich war schon bei der EP der Meinung, die Herren hätten den Bandnamen ändern und einen Neustart wagen sollen. MORDRED waren mit ´In This Life´ und ´Vision´ schon kontrovers und nicht wenige Fans der ersten Stunde wendeten sich von der Band ab. Nachvollziehbar.

So sehr man sich auf das Comeback der Bay Area-Band freuen konnte, nach der letztjährigen ´Volition´-EP habe ich für das angekündigte Album meine Erwartungen komplett zurückgeschraubt. Und das war gut so, denn ´The Dark Parade´ wirkt wie ein Schlag in die Magengrube. Dabei orientiert man sich musikalisch ganz deutlich an den beiden erwähnten Alben vor dem Bandsplit. Allerdings wirkt das Material weniger spritzig, was wohl wiederum an der etwas dumpfen Produktion liegt, die ganz klar viel Power eliminiert. Die Gitarren hätten eine Tonlage höher zudem eine ganz andere Wirkung. Der Gesang von Sänger Scott Holderby ist, wie schon im Review der EP erwähnt, einige Tonlagen tiefer, dunkler geworden, was den Gesamtsound eher in Richtung „Leck-mich-am-Arsch-Depri“ gehen lässt.

Grundsätzlich sind die Stückle ideenreich aufgebaut, haben interessante Passagen und Effekte, aber es finden sich einfach zu wenig klassische Thrash Metal-Gitarren und Tempo der frühen Tage in den neuen Stücken und das ist das eigentliche Problem. Man macht teilweise auf ziemlich experimentell und weniger „Fistful of Metal“!

Nehmen wir den Titeltrack, der klingt doch glatt wie nach den holländischen DE STAAT zu ´I_Con´ Zeiten. Freakig und durch die Bläsereinsätze sogar innovativ. Aber ob das als MORDRED durchgehen kann? Meine Antwort ist: Nein. Trotz des coolen Grooves. Mit ´Demonic #7´ haben sie clevererweise einen der härtesten Tracks mit einem unglaublich fetten Groove als Referenz an den Anfang des Albums gestellt. Zudem geben sie immer wieder mächtig Gas und jagen den Spannungsbogen nach oben. Das Schlagzeug klingt aber in den schnellen Passagen bescheiden bis beschissen. Hier verbinden sich aber alte und neue MORDRED recht eindrucksvoll. Allerdings schreit mir auch hier der kleine fiese Teufel ins Ohr: „Fuck it, das ist nicht MORDRED wie man sie sich wünscht“- und hat da nicht ganz Unrecht.

´Dragging For Bodies´ ist für meine Begriffe im Sinne des Songwriting, der Gitarren und des gesamten Songkonstruktes noch am meisten späte MORDRED. Sehr schöne Gitarren. ´Malignancy´ erinnert mich in Passagen, zumindest in der ersten Hälfte des Songs nicht wenig an MUCKY PUP. Generell eine ziemlich harte Nummer mit dezenter Hardcore-Attitüde. Nett gemacht. Dagegen wirkt ´Smash Goes The Bottle´ recht handzahm und harmlos, trotz einem kurzlebigen THIN LIZZY-Gitarrenlauf bevor man „reinscratcht“. Schon die Verwendung von THIN LIZZY und „Scratchen“ in einem Satz ist verwirrend und sagt dann viel über die Bandbreite des Albums aus.

Gut, wirklich warm werde ich mit dem Teil nicht, auch wenn man hier und da ansprechende Songpassagen „entdeckt“. Aber ein MORDRED-Flair will sich irgendwie nicht einstellen. Deswegen wäre eine Namensänderung das Cleverste gewesen.

(5,5 Punkte – Jürgen Tschamler)

 

https://www.facebook.com/MordredBand/