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LIQUID TENSION EXPERIMENT – 3

~ 2021 (InsideOut / Sony Music) – Stil: Prog Metal ~


Verständlich, den einzigen Druck verspürten die Musiker während ihrer Aufnahme-Sessions bei der Bestellung des Abendessens. Schließlich versammelte sich nach weit über 20 Jahren wieder einmal das LIQUID TENSION EXPERIMENT.

Die Supergroup fand sich erstmals 1997 mit dem damaligen DREAM THEATER-Schlagzeuger Mike Portnoy (TRANSATLANTIC, SONS OF APOLLO), dem DREAM THEATER-Gitarrenkünstler John Petrucci, dem zukünftigen DREAM THEATER-Keyboarder Jordan Rudess sowie dem Bassisten und Chapman Stick-Gott Tony Levin (KING CRIMSON, STICK MEN) zusammen. Sie veröffentlichte mit ihrem Debüt 1998 und ´LTE2´ 1999 ihre ersten beiden Meilensteine. Gleichwohl führte letztlich der Einstieg von Jordan Rudess bei DREAM THEATER und der Ausstieg von Mike Portnoy zum vorläufigen Ende des LIQUID TENSION EXPERIMENT.

2020 fand das LIQUID TENSION EXPERIMENT wieder zusammen. Ein Zeitfenster öffnete sich und das Quartett begann sich wieder gemeinsam einzujammen. Den Bann brach John Petrucci Anfang des Jahres, als er Mike Portnoy einlud, auf seinem Solo-Album mitzuwirken. Die beiden fühlten sich hernach, gemeinsam in einem Raum mit Jordan Rudess, glatt zehn Jahre jünger. Und im Verbund mit Tony Levin schien es, als wäre die Zeit stehen geblieben und sie arbeiteten einfach in derselben Art und Weise wie vor über 20 Jahren weiter. Das endgültige Ergebnis liegt jetzt mit ´LTE3´ vor. Vier epische Kompositionen, zwei Duette, ein schneller Jam sowie eine behutsame Adaption dürfen begutachtet werden.

Hyperaktiv, nicht wie der TEE, sondern eher wie der ICE, startet der LTE mit einem gewohnten Eröffnungsüberroller namens ´Hypersonic´. Viel Geschwindigkeit und viel Spielwitz darf sogar von den vier Herrschaften in ihrem Alter – Petrucci (53), Portnoy (53), Rudess (64), Levin (74) – erwartet werden, die es im Anschluss mit dem Feel-Good-Song zum Überstehen der Gegenwart, ´Beating The Odds´, äußerst Prog Rockend und im bekannt schwelgerischen Traumtheater sowie tastenwirbelnden Klange angehen lassen. Leichtfüßig schellen die Töne im kurzen, dreiminütigen und jazzigen ´Liquid Evolution´ ins Ohr, das den Einfluss von Tony Levin und seinen experimentelleren Kompositionen hineinträgt. Die A-Seite beendet die erste, seit 22 Jahren zusammen geschriebene Nummer ´The Passage Of Time´, die viel Prog Metal-Expertise, aber auch welche aus eigenem Haus bereithält.

Die B-Seite beginnt mit dem avantgardistischen Duell zwischen Portnoy & Levin in Form von ´Chris & Kevin’s Amazing Odyssey´ für alle, die immer aus der ersten Reihe auf deren Finger starren. Gefühlvoll und behutsam, aber auch energisch widmen sich LTE der ´Rhapsody In Blue´ des US-amerikanischen Broadwaykomponisten George Gershwin. Sodann setzen sich LTE in den frühen Morgenstunden nochmal an die Bar, lassen für ´Shades Of Hope´ die Gitarre elegisch erschallen und den Fingern am Klavier ihren freien Lauf. Sanft spielt sich das Quartett in das finale, dreizehnminütige ´Key To The Imagination´ hinein, um sich sogleich mehr und mehr im Rhythmus-Wirrwarr und in der solistischen Rallyefahrt so richtig aufzugraben.

Nach ´LTE´ und ´LTE2´ stellt sich ´LTE3´ in der Reihung auf, obwohl sich der dritte Express bereits jetzt direkt zum Überholmanöver an seinem Vorgänger vorbeidrängeln will. Zudem haben LIQUID TENSION EXPERIMENT für No. 3 einen Extra-Anhänger mit Jam-Material angekuppelt. Ist der Zug dann erst einmal abgefahren, stellt sich im dahinratternden Speisewagen die Frage, welches Menü der Bordgastronomie zu welcher Komposition am heutigen Tage am besten mundet.

(8 Punkte)

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