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AZITA – Glen Echo

~ 2021 (Drag City) – Stil: Rock/Soul/Rhythm’n’Blues ~


Azita Youseffi, die Gründerin von BRIDE OF NO NO und SCISSOR GIRLS, kehrt nach rund acht Jahren Pause mit einem weiteren überzeugenden Album zurück, das erneut ihre seltsame Mischung aus Fackel-Songs und launischen Klagen enthält. AZITA spielte jede einzelne Musiknote auf `Glen Echo` ein und ist somit der Dreh- und Angelpunkt, von der Song-Komposition über die Keyboards bis hin zum Gitarrensound – ein Hybrid aus nervösem Rock, Soul und R’n’B.

Das seelenvoll schwankende `Shooting Birds Out Of The Sky` beispielsweise bietet nahezu klassischen Rhythm’n’Blues und wurde bereits im vergangenen Frühjahr als eigenständige Single veröffentlicht.

Die aktuelle Auskopplung `Online Life` spielt jedoch eher in der Liga von Indie-Rock und rumpelt entlang der Zeitachse von VELVET UNDERGROUND über PAVEMENT bis hin zu neueren Acts dieser Kategorie. Der Song handelt nicht nur davon, wie soziale Medien unser Gehirn neu verdrahten, sondern auch davon, wie unsere Selbstzufriedenheit dies ungehindert zulässt.

Der Song `Bruxism` hingegen vermittelt ein rohes Kellerambiente und führt schwere Gitarrenriffs und Handklatschen ein, die das Gefühl erzeugen, die Straße entlang zu rasen – oder eben im eigenen Gehirn.

 

 

Insgesamt gesehen ist `Glen Echo` eben auch eine zutiefst persönliche Ansammlung von Stücken, die sich auf Bilder aus Youssefis Vergangenheit stützen, und die Angst dokumentieren, mit ihnen in der Gegenwart zu überleben. Die „Echos“ aus dieser Zeit (siehe Albumtitel) finden sich vor allem auf `Don’t`, dem einzigen, vollständig von einem Piano getragenen Song des Albums. Azita scheint sich darauf selbst anzusprechen und darauf zu bestehen, dass sie ihre eigenen Gefühle noch viel stärker zu spüren bekommt: „As you are slipping away / Don’t shut down,“ singt sie darauf. „Don’t fight it / Don’t make it go all quiet.“

Die unerwarteten Wendungen und stellenweise merkwürdigen Gesten der Musik sorgen jedenfalls dafür, dass sie auch nach mehrmaligem Hören aufregend bleibt. Youssefi erweitert dabei häufig Wörter oder Phrasen, um sie noch länger flackern zu lassen und eine maximale Wirkung zu erzielen.

AZITAs Popmusik klingt anno 2021 jedenfalls gerade deswegen so lebendig, weil sie an den Rändern rauer ist, und weil sie nach der Wahrheit sucht, anstatt davon auszugehen, diese zu liefern. Im Altersprozess neigen Menschen ja oftmals dazu, Antworten auf die Fragen des Lebens als weniger eindeutig und eher mehrdeutig zu betrachten – und auch ihre Musik kann auf die gleiche Weise reifen.

(8 Punkte)

www.facebook.com/AZITAMUSIC