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XIXA – Genesis

~ 2021 (Julian Records / The Orchard) – Stil: Mystic Desert Rock ~


Tucson, Arizona, erwartet uns. Einst von den Spaniern als Militärfestung erbaut, tummeln sich heutzutage eine Millionen Menschen in Stadt und Umgebung. Tucson ist heiß, schon immer. Die Hälfte aller Tage überschreitet im Schnitt die 30° Celsius-Marke. Schließlich befindet sich die Stadt und ihre Umgebung in einer Ebene der Sonora-Wüste und wird von fünf kleinen Gebirgszügen umgeben. Allein hier gedeiht der Saguaro-Kaktus, der bis zu 200 Jahre alt und 12m in die Höhe ragen kann. Hier blüht auch Musik auf, wenn sich die Nachttemperaturen auf unter 20° Celsius abkühlen. Doch das Feuer ist Tag und Nacht zu spüren.

XIXA, das sechsköpfige Wüstenungeheuer aus Tucson, hat wieder Feuerwasser sprechen lassen. Nach dem 2016er Debüt ´Bloodline´ entspringt derzeit ´Genesis´ aus einem trippigen und teuflischen Feuerloch. XIXA nehmen Kontakt aus einer düsteren Spelunke auf, falls sie nicht noch in dem eigenen „Dust and Stone Recording Studio“ sitzen. 

 

 

Zur Illustration des Tucson‘schen Feuers schuf ihr Kumpel Daniel Martin Diaz, ein nicht gerade unbekannter Künstler aus Tucson, Bilder, die sich neben der Astronomie und Anatomie christlicher Überlieferungen bedienen und künstlerisch Freimaurer-Symbole sowie Science-Fiction miteinbeziehen. Haben Zuschauer und Zuhörer hierzu passender Weise ihren Breitwandbildschirm auf den Modus „Ennio Morricone“ eingestellt und sich an das Inka-Szenario gewöhnt, schmeckt das Feuerwasser umso besser.

Mit den von XIXA gewohnten Latin-Rhythmen eröffnet ´Thine Is The Kingdom´ mit lieblichem Gesang und epischen Gitarrenläufen den hymnischen Reigen. Die dunkle Gothic-Aura bleibt nicht aus. Nachts ist es angenehmer als im Studio. Raumumgreifende Soundcapes vermischen sich in ´Genesis Of Gaea´ mit Psychedelic Rock und lassen die Aura der Siebzigerjahre Spaghetti-Western einfließen. Etwas Western-Flair zeigt ebenso ´Soma´, eine verwunschene Ode an Soma, den Rauschtrank der Götter. Purer Italowestern ist der Beginn von ´May They Call Us´, doch dann ziehen XIXA den Hut vor den Chicha-Göttern und reiten in der bandtypischen Komposition mit Single-Coil-Gitarre durch die Wüste. Die einfache und massentaugliche Verbeugung vor LOS SHAPIS, ´Eclipse´, bittet zum Tanz durch die ganze Nacht und legt den Anteil des Chicha- und Cumbia Andina-Stils, der ursprünglich aus Peru stammt, im Sound von XIXA gänzlich offen. Die Rhythmen werden eindringlicher, so als würden CLASH ´Rock The Casbah´ spielen. Obwohl XIXA eher an ´Cry Little Sister´ (aus dem „The Lost Boys – Soundtrack“) dachten, wenn im nächsten großen Freudenfeuer ´Land Where We Lie´ der grönländische Kinderchor aus Uummannaq zum Ausklang einsetzt. Der Chor war schließlich während der Aufnahmen nur zufällig in der Stadt. Aus der manischen Idee BANANARAMAs ´Cool Summer´ mit dem Wort „Velveteen“, also Samt, zu verknüpfen, entsprang der dengelnde Song ´Velveteen´. Breitet sich wie gewöhnlich in der Schwärze der Nacht die von Edgar Allan Poe ebenfalls in der Wüste aus, ist es gar Zeit für ´Nights Plutonia Shore´. Orientalisch tönt es dagegen aus den Boxen, wenn das Sextett bei  ´Eve Of Angnes´ seine geniale zweite Kollaboration, nach ´World Goes Away´ von ´Bloodline´, mit dem algerischen Tuareg-Wüstenrockquintett IMARHAN eingeht. Im episch tönenden Breitwand-Format endet das Werk mit ´Feast Of Ascension´ unter der nochmaligen Unterstützung durch den Uummannaq-Chor.

Die Wüste lebt. Nicht Ennio Morricone, nicht THE GUN CLUB, nicht CALEXICO und nicht GIANT SAND, der göttliche Rauschtrank, das Feuerwasser verleiht Gabriel Sullivan (Gesang, Gitarre), Brian Lopez (Gesang, Gitarre), Hikit Corbel (Bass), Jason Urman (Keyboards), Winston Watson (Schlagzeug, Percussion) und Efrén Cruz Chávez (Timbales, Percussion) Flügel, um ihren „Mystic Desert Rock“ und „Dark Latin Psych“ derart zu spielen.

(8,5 Punkte)

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Pic: Puspa Lohmeye
(VÖ: 19.02.2021)