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ADAMASCHEK & SHIREGREEN – Deutsch LAND Reise

~ 2020 (DMG Records/Broken Silence) – Stil: Singer-Songwriter ~


Zu einer Deutschlandreise lädt Liedermacher, Sänger und Gitarrist Klaus Adamaschek ein. Der Jahreszeit angemessen könnten all die wehmütigen Kompositionen dieser ´Deutsch LAND Reise´ eine Winterreise thematisieren. Süße Wehmut begleitet Fernweh im Einklang mit Heimweh. Das rastlose Herz steht im steten Willen zum Erkunden des ureigenen Niemandslandes in einer diffizilen Ambivalenz zur menschlichen Seele, die erst in ihrer Verbundenheit mit der Heimat friedlich ruhen kann.

Wir erleben keine Winterreise mit 24 Liedern im Sinne von Franz Schubert und keine abermalige Verbeugung vor den Folk-Rock-Helden Klaus Adamascheks wie auf SHIREGREENs 2019er Werk mit seinen ´References´ zu Bob Dylan, CROSBY, STILLS, NASH & YOUNG, CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL oder Townes van Zandt. Nach einer Auslandsreise durch den Westen der Vereinigten Staaten von Amerika vertonte Klaus Adamaschek 2019 seine Eindrücke mit SHIREGREEN unter dem Titel ´Fifty Days On The Road´. 2020 wird der 62-jährige noch persönlicher und widmet die ´Deutsch LAND Reise´ seiner eigenen Heimat. Aber im Heimatgedanken nagt an Klaus Adamaschek wie bereits bei seinem Vater eine innere Zerrissenheit. Die Liebesbeziehung zum Vaterland, aufgrund der Vergangenheit, der Judenverfolgung und dem Zweiten Weltkrieg, Deutschsein als Last zu empfinden, und gleichzeitig die Zuneigung in diesem Land zu Freunden und Familie sowie der Natur als höchstes Gut zu verspüren, ist nicht leicht.

„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen…“, stellte bereits der deutsche Dichter Matthias Claudius vor zweihundert Jahren fest. Die in den Jahren 2018 und 2019 auf Reisen durch Deutschland komponierten Songs führen uns daher an das Grab von Klaus Adamascheks Vater (´Deutschlandreise´), in die Stadt, in die Straßen seiner Kindheit (´In diesen Straßen´) und in das unbekannte Niemandsland, das in aller Rastlosigkeit heutzutage nicht mehr aus der Stadt heraus, sondern vom Lande aus erkundet wird (´Unterwegs´). Derart persönlich komponiert, musste das zwölfte Studio-Album vom Klaus Adamaschek unvermeidlich als drittes nach ´Neue Pfade´ (2015) und ´Traumwandler´ (2017) in deutscher Sprache vorgetragen und unter dem Banner ADAMASCHEK & SHIREGREEN veröffentlicht werden.

Die ´Deutschlandreise´ hält diesem Land, das Klaus Adamaschek von Jahr zu Jahr kritischer sieht, einen Spiegel vor das Gesicht. Es gab in den 70 Jahren selbstredend auch schöne Zeiten, in denen wir dachten, „wir wären die Guten“, doch diese scheinen in diesen immer undurchsichtigeren Tagen vorbei. Die Worte „Deutsch bleibst Du Dein Leben lang“ klingen infolgedessen anklagend, trotzig verbissen und resignierend zugleich.

Die Städtereise ´Über die Wupper´ führt uns vom Hofbräuhaus, über den Herkules zur Reeperbahn, und natürlich nach Wuppertal. Klaus Adamaschek klagt die deutsche Abschottung aus ihren reichen Villen heraus gegenüber Fremden an (´Niemandes Land´). Dabei bräuchten wir viel mehr Lummerland, viel mehr ein offenes Wunderland wie bei Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer (´Wunderland´ gesungen von Marisa Linß). Dennoch darf die viel zu große Kluft zwischen arm und reich nicht vergessen werden, etwa die zwischen ´Gerd und Tom´. Gemeinsam gingen sie zur Schule, ehe der eine nach dem Bankrott zum Bettler wird und der andere als Bankier reich und an dessen Ruin nicht ganz unschuldig ist.

Die Rattenfänger des Nationalsozialismus dürfen derzeit ebenfalls nicht unter den Teppich gekehrt werden (´Denk doch lieber nochmal nach´) sowie die fadenscheinige Glorifizierung einer nicht gegebenen Kulturgeschichte (´Germanische Hochkultur´). Für die Zukunft zu kämpfen ist aktuell wichtiger als in den vergangenen Dekaden, eine Hymne für Fridays for Future im Gepäck daher unerlässlich (´Was sind denn das für Zeiten´).

Niemand sollte sich zudem selbst erhöhen (´Bussard´). Im Zweifel sollte jeder lieber die schwerelosen Stunden des Lebens, etwa am Meer (´Die kleine Charlie und das Meer´), die Ruhe vor der ganzen um sich herum tobenden Welt genießen (´Wir werden schon sehn´) oder sich zeitlos vom Wind treiben lassen (´Wenn die Goldammer singt´). Dann erblickt man auch einmal eine einsame Rose am Straßenrand, die von der großen Liebe erzählt (´Kurz vor Fulda´ im Duett mit Marisa Linß). In inniger Liebe übersteht man ohnehin jeden Sturm, selbst die großen des Lebens (´Mit dir bei mir´) – und kehrt von jeder Reise durch das Land heil zurück.

(8,25 Punkte)

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