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SPELLBOOK – Magick & Mischief

~ 2020 (Cruz Del Sur Music) – Stil: Retro Rock / Proto Metal ~


Nehmt das, ihr alleskönnenden Schweden! SPELLBOOK make America great again – in Classic Hard & Heavy! Auch wenn ich in Sachen Music-History öfter das Verlangen verspüre, auf altbewährte Originale zurückzugreifen, setzt sich immer wieder mal ein neues Album dermaßen in den Gehörgängen fest, dass es in monatelanger Dauerrotation abgenudelt wird, bis ich mich frage, ob diese frischen, aber wohlbekannten Klänge nicht schon über vier Jahrzehnte lang meine Sammlung bereichern.

So auch die ehemaligen WITCH HAZEL aus Pennsylvania, die unter diesem Namen bereits drei Longplayer rausgezaubert haben und ihre Zukunft und Identität in den späten Siebzigern gefunden haben. Was wäre wohl passiert, wenn BLUE ÖYSTER CULT und THIN LIZZY sich zusammengeschlossen, den jungen, vor Energie sprühenden OZZY ins Boot geholt, ans Mikro gestellt und zusammen die kurze Punk-Phase miterlebt hätten? Das wäre wohl wahrhaft mehr ´Magick´ als ´Mischief´ geworden… und so entpuppt sich dieses Album als Zeitreise in eben jenes Paralleluniversum mit einer unbekümmerten und grenzenlosen Spielfreude, die man von HORISONT kennt.

 

 

Andy Craven (Gitarre), Selbert Lowe Jr (Bass) und Nicholas Zinn (Schlagzeug) fackeln nicht lange, erheben ihre Instrumente wie magische ´Wands To The Sky´ und zaubern damit sogleich eine punkige ÖYSTER-LIZZY-Melange mit dem frechsten, ungestümsten OZZY seit es OZZY gibt – nur dass dieser Nate Tyson heißt. Danach würdigt man als eine der wenigen Bands dieser Stilrichtung endlich die eigene, heimische Geschichte mit einem ´Black Shadow´ von dickstem KISS und entschwebt druckvoll riffend in ´Ominous Skies´ – ein Ritt auf dem geflügelten Stahlross in die Sphären klassischster Gitarrenarbeit.

Düstere, schwer-doomige Atmosphäre verkündet das erste, über achtminütige Kernepos ´Not Long For This World´ und schaltet einen Gang zurück, pusht jedoch die Emotionen hoch mit einer bluesigen Tiefe, die GRAVEYARD in den letzten Jahren für sich gepachtet hatte. Hierbei zeigt Nate eindrucksvoll, was noch alles an Magie in seiner variablen Stimme steckt. Die Band schließt sich dem wunderschönen, mantrahaften Basslauf an und entschwebt kraftvoll und explosiv wie einst HAWKWIND in Proto-Sphären mit Nates kraftvollem, kehligen Gesang. Ein kurzer Schluck an Lemmys Jackyflasche genommen und die ´Motorcade´ rattert los, um dich zwischendurch schön wegzugrooven und in eine bassgesteuerte Instrumentalfahrt zu manövrieren. Yeah!

Jetzt eröffne ich die Diskussionsrunde, ob der Name DIE TOTEN HOSEN in diesem Kontext fallen darf – aber ihr ahnt schon, dass ich mich nicht davon abhalten lasse. Denn wer die hymnischen Gitarrenthemen so manch‘ eines alten Songs der Düsseldorfer kennt, wird zu Beginn von ´Amulet / Fare Thee Well´ unweigerlich an goldene Zeiten denken, bevor ihr im Refrain über gewisse ´Desert Plains´ eines PRIESTs namens JUDAS reitet. Was für eine geile Mischung!

 

 

Als ob das alles an Abwechslung noch nicht genug wäre, wagen sich SPELLBOOK mit Unterstützung eines guten, alten Bekannten auf sehr interessantes, ungewohntes Terrain. Niemand geringeres als unser alter Zauberer Tom Phillips (WHILE HEAVEN WEPT) half beim Grande Finale ´Dead Detectives´ an Gitarre und Keyboard aus, um die Atmosphäre dieser unglaublichen, akustischen „Film-Noir-Crime-Story“ in elfeinhalb Minuten entstehen zu lassen. Somit empfehle ich dringend, diesen Song in entspannter, leichter Rückenlage in eurem Lieblings-Sessel mit oder ohne Zigarre im Mundwinkel, Whisky in der Hand und abgedunkelten Jalousien zu genießen. Ihr werdet es nicht bereuen. In regnerischem Ambiente mit Klavieruntermalung klang selten ein Rocksong drei Minuten lang so arschcool jazzig-relaxt bis die Gitarren losschrammeln und die Geschichte Fahrt aufnimmt…um sich wiederum als Background zum gesprochenen Wort zurückzunehmen, zu Nates „Oh Yeah!“ Akzente zu setzen, grandiose Epik aufzufahren, um den Kreis mit der Rückkehr zum lässigen Anfangsfeeling zu schließen.

Dazu strahlt euch ein Cover an, bei dem jeder Italo-Horrorfan ein Grinsen von einem Ohr zum anderen bekommt. Also keine Angst vor drohendem Unheil, wenn SPELLBOOK ihre Magie entfalten, denn diesem fetten Cocktail an gepflegter Heavyness, Spontaneität und Ideenreichtum fehlt nur noch eines: Die Livedarbietung!

 

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