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GHOST – Meliora

~ 2015 (Loma Vista Recordings) – Stil: Heavy Metal ~


Hüte Dich vor den Geistern, war im Review zum zweiten Album ´Infestissumam´ (Review hier) die erste getroffene Aussage, die GHOST wörtlich genommen, lateinisch übersetzt, als neuen Albumtitel verwandt haben. Meliora, Papa! Hüte Dich, Papa! Denn der aktuelle Sängername (Papa Emeritus III.) wird beim nächsten Album ohne Frage erneut ein anderer sein, rollen doch zu jedem Album angeblich die Köpfe – singt nun beim dritten Album der dritte Papa Emeritus, obwohl es wohl ein und derselbe Papst ist.

Ein anderer Wunsch, ein Album komplett in lateinischer Sprache vorgetragen, erfüllt sich mit ´Meliora´ leider nicht. Dennoch hat sich auch ohne lateinische Lyrics die gelobte Dreifaltigkeit im Sound von GHOST ungeteilt vereint, Papa sei Dank. Hier sind es nicht Gottvater, Gottsohn und der Heilige Geist, sondern BLUE ÖYSTER CULT, KING DIAMOND und die gewisse Prise POMP.

Mit einem gereiften Stil scheint es nunmehr, als ob die frühen Reminiszenzen Richtung King Diamond in frohlockiger Variante wieder zum Vorschein kommen, inklusive der Melodieseligkeit der Blauen Auster. Letztlich ist der Sound mit diesem dritten Album von GHOST klar definiert und als solcher obendrein zu erkennen. Dass Klas Frans Åhlund, ein schwedischer Songwriter und Produzent, bereits mit Kylie Minogue, Britney Spears, Katy Perry und Madonna gearbeitet hat, offenbart sich in keinster Weise. Womöglich hat er den bereits zuvor angedeuteten Drang in Richtung Pomp Rock nur verfeinert. Richtig progressive Songaufbauten sind selbstverständlich nicht auszumachen. Die Lieder sind grundsätzlich einfach gehalten. Hervorzuheben sind dabei insbesondere das bereits vorab veröffentlichte ´Cirice´ und das wunderschöne ´Deus In Absentia´. Die gewisse Düsternis, mit einem Schuss ALICE COOPER, entfaltet sich in ´From The Pinnacle To The Pit´ und ´Mummy Dust´, dürfen aber beide nicht unbedingt zu den ganz großen Momenten gezählt werden; der eingängige Opener ´Spirit´ und ´Absolution´ dagegen gewiss.

Zudem holt die schwedische Hit-Fabrik immer mal wieder gerne einen richtiger Kracher aus der Hinterhand. Und der wird in diesem Jahr mit dem kleinen Akustiksong ´Spöksonat´ eingeleitet, so dass anschließend so richtig die Sonne aufgehen kann. Purer Wohlklang-60s-Folk-Rock erstrahlt in ´He Is´ unter strahlend-blauem Himmel – mit einem edlen Schuss Pomp Rock. Es scheint, als wäre Nick Garrie ein Verhältnis mit STYX eingegangen. Ein Wolkenvertreiber allererster Klasse.

GHOST erreichen zwar mit `Meliora` nicht die Hitdichte und Genialität des überragenden Debüts, präsentieren freilich einen aus dem Rahmen fallenden Überhit, der ihnen vielleicht gerade in Amerika, die vollkommen verrückt nach dem schwedischen Mummenschanz sind, zum Durchbruch auf breiter Ebene verhelfen könnte.

(8,5 Punkte) Michael Haifl

 

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Über das Konzept von GHOST kann man streiten. Die Geheimniskrämerei ist nicht jedermanns Sache und so stellt sich schon die Frage, warum machen das Musiker? Klar, dadurch wir der Hype angefeuert, was wiederum clever ist. Aber, hat das eine Band nötig, die mit außergewöhnlicher Musik zu überzeugen weiß?

Aktuell ist `Meliora` eines der Alben, welches in der Metal-Szene gespannt erwartet wird. Mit Spannung konnten in den vergangenen Wochen vorab die News der Band zum kommenden Album verfolgt werden. Da entstanden schon Gedanken, wieso GHOST einen Starproduzenten wie Klas Frans Åhlund, der u. a. mit Katy Perry, Kesha, Taio Cruz, Britney Spears, Madonna arbeitete, für ihr drittes Album anheuerten. Nicht Wenige, der Rezensent eingeschlossen, runzelten da die Stirn.

Dass sich im Bandgefüge Veränderungen vollzogen hatten, sorgte auch für eine gewisse Unruhe. Die Spekulationen nahmen ihren Lauf. Doch wer das Album nicht gehört hat, sollte einfach schweigen! Konzentrieren wir uns nun auf das naheliegende, das vorliegende Werk `Meliora´ – und kurz gesagt, es ist bisher das melodischste und härteste GHOST Album zugleich.

Der Grad zwischen Kitsch und großer Kunst ist so schmal, was schon wieder bewundernswert ist. Bereits nach dem ersten Durchgang wird deutlich, die Band hat ihre musikalischen Grenzen so weit wie es geht ausgereizt und dabei Songs kreiert, die man in manchen Fällen nur einmal gehört haben muss, um tagelang verfolgt zu werden. Die Hitdichte, die Überrefrains sind unglaublich. Aber diese Songs als kommerziell abzutun, ist der schlimmste Fehler überhaupt. Das ist einfach ganz großes Kino mit Unmengen an Details, die einem erst nach einigen Durchgängen auffallen und dadurch die Songs noch interessanter machen.

Schon im Opener `Spirit` arbeiten eingängige Gesangslinien und eine tighte Rhythmuseinheit Hand in Hand. Der Rhythmus wirkt altbekannt und treibt den Hörer vor sich her. Die epische Breite des Songs ist phänomenal. Durch die Tempo- und Melodiewechsel, mit grandioser Unterlegung einer präzise eingestreuten Orgel, und diesem Kirchenchor-ähnlichen Refrain, mutiert das Stück zu einer übergroßen Hymne. Eingängigkeit und Abwechslungsreichtum fast perfekt kombiniert!

Das folgende `From The Pinnacle To The Pit` ist härter und wirkt deutlich verproggter. Insgesamt haftet dem Song eine KING DIAMOND-Atmosphäre an. Zwischen den harten Riffs und dem drückenden Rhythmus finden sich auch in diesem Track eingängige Chöre und gute Soloeinlagen. Einer der härteren Songs des Albums, mit einigen interessanten Passagen.

Das folgende `Cirice` wurde ja schon vorab veröffentlicht und ist sicher einer der Songs, der die ganze musikalische Spannbreite des Albums wiederspiegelt. Viele Rhythmuswechsel, eine dunkle Grundstimmung, die nur durch die melodischen Gesangsparts ins positive umgeleitet wird. Auch hier sollte man explizit wieder auf die Gitarrenarbeit achten!

`Sp­öksonat` ist nur eine kurze Akustiknummer, die als Vorspiel zu `He Is` anzusehen bzw. -hören ist. Mit `He Is` haben GHOST dann die Übernummer des Albums geliefert! Ein Song, der sich dermaßen im Gehör festsetzt, einen tagelang verfolgt, dessen Melodie und Refrain konstant präsent ist. Ein unfassbarer Ohrwurm, der ansatzweise eine Halbballade darstellt, sich episch steigert, eine Melodie bereit hält, die einen umgehend an die ganz großen Hits von ASIA zu deren `Heat Of The Moment`-Zeiten erinnert! Gigantisch. Gerade wenn man mit dem englischen Text in spanische Verse übergeht, die Melodie mit dieser überprägnanten Gitarre aufpumpt und dann der Refrain wie ein Torpedo ins Gehör reindonnert! Das ist magisch!

Gleich darauf der nächste Überflieger-Song: `Mummy Dust`. Wieder eine deutlich härtere Nummer, die wieder KING DIAMOND-Vergleiche zulässt. Was für eine mächtige Riffwand, was für ein geiler Rhythmus – und wenn die Leadgitarre in einer Art Echo sich im Hintergrund verliert und dabei die Chöre die Oberhand gewinnen und von einem treibenden Takt nach vorne gezogen werden, ist das nur grandios! Das hitverdächtige Ende rundet einen Übersong ab! Schlicht ausgedrückt, eine epische Bangerhymne.

Auch `Majesty` mit einem schweren DEEP PURPLE-Groove beginnend, lebt von einer tighten Härte, geschmeidigen Chören mit Ohrwurmcharakter sowie einem simplen, aber effizienten Rhythmus. Auch hier ASIA-ähnliche, fette Refrains mit Langzeitwirkung! Ein Song, der auch nach mehreren Durchgängen das Interesse wach hält..

Das folgende `Devil Church` ist für GHOST Verhältnisse eher eine durchschnittliche Nummer, obwohl man auch hier mit eingängigen Melodien sehr gefälliges Liedgut vorsetzt. Dafür ist der Track relativ kurz.

`Absolution` geht dann wieder in die MERCYFUL FATE/KING DIAMOND-Richtung und glänzt mit einer gesunden Härte, die aber im weiteren Verlauf durch große Chöre und melodische Zwischenparts ausgehebelt wird – nur der harte Groove der Gitarren bricht immer wieder mal durch. Weniger Ohrwurm-kompatibel, allerdings mit einer brillanten Seventies Passage á la KANSAS im hinteren Teil des Songs! Schöne Chöre, fette Melodie und arschgeile Gitarren!

Das Albumschließende `Deus In Absentia` kann dann fast auf eine Stufe mit `He Is` gestellt werden! Was für eine simple, aber durchschlagende Melodie und übermächtige ASIA-like Chöre. Ein weiterer Ohrwurm ohne auch nur in einer Sekunde kommerzielle Ambitionen zu offenbaren. Das ist Kunst! Das sind Songs, die einen tagelang verfolgen, die man immer und immer wieder hören will! Auch in diesem Stück beweist die Band ihr eindringliches Gefühl, spannende Songkonstrukte und sich keinerlei musikalische Grenzen zu setzen. Superb!

„Neusänger“ Papa Emeritus III. wurde gut integriert und gibt dem gesamten Konzept wesentlich mehr melodische Aspekte, was sich in einer markant größeren Vielseitigkeit der Songs auswirkt.

`Meliora` ist ein präzises, nichts dem Zufall überlassenes Album – mit einer Vielzahl von Ohrwürmer und brillanten, harten Metalhymnen, deren Stärken die vielen Details im Songwrting sind. Mit wenig Vorfreude bin ich an das Album heran gegangen, das mich dann innerhalb weniger Durchgänge geradezu gefangen genommen hat. Eines der ganz wenigen Alben, die konstant laufen und mit `He Is` einen Song beinhaltet, der wohl auch noch am Ende des Jahres zum Besten gehören dürfte, was an Ohrwürmern in 2015 abgeliefert worden sein wird!

(9 Punkte) Jürgen Tschamler