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WINTEREVE – October Dark

~ 2020 (Independent) – Stil: Gothic Doom ~


Eigentlich ist es eine Schande als Pfälzer mit jeweils 30 Minuten Distanz in zwei Himmelsrichtungen zu Frankreich, so wenige Metalbands aus unserem direkten Nachbarland zu kennen. Dabei dürfte zumindest den Comicjüngern des HEAVY METAL bewusst sein, dass französische Kunst einst durch die gleißende Flugbahn des METAL HURLANT ihren Siegeszug über Kanada in die Staaten und von dort zurück in der damaligen BRD erst zu SCHWERMETALL verarbeitet wurde. Glücklicherweise muss anno 2020 harte, akustische Kunst diesen Umweg um die halbe Welt nicht antreten, bis sie erhört wird.

Musikfan: „Einmal recht traurig, bitte. Ich suche etwas so richtig schön doomiges mit Frontsirene und passendem Growling dazu, so wie damals die guten Gothic-Metalbands wie 3RD AND THE MORTAL oder alte THEATRE OF TRAGEDY und frühe THE GATHERING, die in einem besseren Zeitalter dem PARADISE LOST entsprungen sind.“

SC: „Dann schließt eure Augen, nehmt furchtlos meine Hand und kommt mit mir zu WINTEREVE, die fernab des Sinfonik-Powerträllerns in würdiger, alter Tradition tiefe, nachdenkliche Düsternis mit elegischen Gitarren verbreiten. Dort werdet ihr die Dunkelheit und den Geist lang vergangener Zeiten verspüren, die einst euer Zuhause waren…und der Schmerz hört endlich auf.“

Now close your eyes and walk with me
Take my hand, have no fear
Death will kill the pain at last

I feel the dark
Soon to fall down the sky

Chaos spawned demise
Ghosts of a past long dead and gone
Once my home
Now a forest of tears and woe

Es ist einfach wohltuend, mal wieder in diese melancholischen Gefilde vergangener Zeiten abzutauchen und sich seinen slowen, deepen und harten Gefühlen hinzugeben. Das Duo WINTEREVE besteht aus Mary, die neben ihrem fragilen cleanen, gefallenen Engelsgesang unglaublicherweise auch die übernatürlichen Growls aus dem dunkelsten Innern ihres Körpers heraufbeschwört und Armand, der außer dem Schlagzeug alle anderen Instrumente meistert. Die „Drums of Doom“ wurden auf diesem zweiten Longplayer nach einer EP von Seeklone eingedonnert und verstärkt wird das Duo live am Bass von Sébastien, der auch Backings zu ´October Dark´ beisteuerte, dessen wunderbares Titelstück mit seinem ewig im Gedächtnis verankerten Refrain alle dunkelschönen Facetten der Musik und Lyrik von WINTEREVE in sich vereint:

In the arms of deathlike wait
Heavy lies the frosty crown she wears
Lying in a cold void embrace
Under bare trees she will stare
At this world now gone insane

 

 

Zusammen ergibt dies meist reflektive, unheimlich intensive Doom-Epen, die mit Piano, akustischer Gitarre, schleppenden Drums als auch Doublebass abwechslungsreich gewürzt werden und euch zwischen fünf und sieben Minuten aus dem Alltag entführen. Schon der gefühlvolle Beginn des Openers ´Olima´ hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Die Atmosphäre wird verstärkt durch passende, sehnsuchtsvolle Lyrics und Titeln wie ´Sea Of Suffering´, die das Ertrinken in tiefster Trauer stilvoll machen:

So, what will thus remain
When you have gone?
Nothing but an empty shell
That will leave without a trace
Lest we forget

Like shadows without a face
Oblivion is now your name

Sailing the sea of suffering

Die Dynamik zwischen leisen Tönen und emotionalen Ausbrüchen könnte nicht packender sein. Oft reduziert auf das melancholische Wesentliche führen wunderschöne Akustikgitarren, schwere Akkorde, Riffs und trauernde Gitarrenmelodien über sieben stimmungsvolle Lamente wie dem famosen, dynamischen ´Call Of The Void´ – welches an ein mächtiges „Dune – der Wüstenplanet“-Thema denken lässt – zum elfminütigen Finale – ‚Down The Path To Perdition‘.

 

 

Seit dem Comback von SARCASM SYDROME hatte ich keine so wohlige Gänsehaut mehr im abgedunkelten Raum beim Schwelgen in Erinnerungen an „echten“, ursprünglichen Gothic Metal, der hier von einer wahren Göttin des Doom und ihrem Partner-in-Crime gefeiert wird und der wohl auch den großen Dan Swanö beim Mastern bewegt hat.

Gefühlsausbrüche wie dieser lassen sich schlecht in Punkten ausdrücken, wer das Gleiche beim Hören fühlt wie ich, nimmt einfach einen Punkt pro Monat und lässt die Sommermonate Juni, Juli und August weg, dann kommen wir mathematisch in die richtige Richtung. Also taucht auch ihr ein in den Himmel der Verlassenheit und werdet eins mit ´October Dark´, dann braucht ihr keine Tränen zu vergießen und euer Leben lohnt sich mit WINTEREVE an eurer Seite.

To dive in
Dive in the empty sky
And make me
One with thee at last
To help me
Hold back the tears I cry
Is it worth living
Without you by my side ?

 

www.facebook.com/winterevemusic