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MERZBOW – Venereology

~ 1994/2019 (Relapse Records) – Stil: Noise ~


MERZBOW aus Japan. König des Krachs. Talentierter Tausendsassa. Vorbild für viele. Für nicht wenige sorgt er aber nur für: weißes Rauschen. Wer auf gewohnheitsmäßige Musik zur reinen Unterhaltung steht, bitte nicht weiterlesen. Leute aber, die Klangwelten bewusst neu erschließen und horizonterweiternd nutzen – ´Venereology´ ist Pflicht. Es fordert, es schmerzt. Bringt euch zugleich weiter. Mit unvergleichlichen Erfahrungen über die Grenzen des bislang für zumutbar Gehaltenen hinaus.

´Venereology´ wird in diesem Jahr 25 Jahre alt. Was indes Noise-Hipster ganz selbstverständlich huldigen, war damals nur Randnotiz. Allenfalls sehr interessierte John Zorn-Fans oder überaus tolerante MELVINS-Fanatiker kamen mit MERZBOW in Kontakt. Umso mutiger, dass ´Relapse Records´ über ihr Sub-Label ´Release Entertainment´ das Ding einfach mal so rausdrückten in die noch unschuldigen 1990er. Das Knarzen, Flimmern und Röcheln aus teils selbst zusammengestückelten Synthesizern verstörte vor allem konservative Metal-Fans des Labels. Wen es aber verzückte, der hatte ein Kleinod entdeckt. Im Lauf der Jahre wuchs der Wert dieses Albums. Wohl auch, weil von AGORAPHOBIC NOSEBLEED über FULL OF HELL bis Sunn O))) experimentierfreudige Extremisten ehrfürchtig abgekupfert oder demütig kollaboriert haben.

Remastert hat das gute Stück nun James Plotkin (arbeitete schon für ISIS, ELECTRIC WIZARD und FULL OF HELL), inklusive 20 Minuten bislang unveröffentlichtem Bonusmaterial, welches sich nahtlos ins Konzept einfügt. Kurzum: Dies ist eine der radikalsten elektronischen Platten überhaupt – zugleich aber dermaßen einnehmend, dass man immer wieder zu ihr zurückkehrt.

(8,5 Punkte)