Redebedarf

DARK MILLENNIUM

Interview mit Christian Mertens und Hilton Theissen


Es gibt auch wertvolle Comebacks. Das von DARK MILLENNIUM, die aktuell 23 Jahre nach ´Diana Read Peace´ mit ihrem neuesten Glanzstück ´Midnight In The Void´ verzaubern, muss ab sofort dazugerechnet werden.

Gelegenheit und Anlass genug, mit Sänger Christian Mertens und Gitarrist Hilton Theissen ein Interview zu führen.

Beginnen wie einfach in einer Zeit, in der für DARK MILLENNIUM alles begann, in den letzten Jahren der klassischsten Metal-Dekade. Was war für Euch der Auslöser, Ende der 80er Death Metal zu spielen?

CHRISTIAN: Nachdem wir uns zunächst mehr im Bereich des Thrash Metal ausgetobt hatten, entdeckten wir Platten wie ´Scream Bloody Gore´ von DEATH oder ´Seven Churches´ von POSSESSED für uns. Wir waren fasziniert von der musikalischen Gewalt und der ganz eigenen dunklen Atmosphäre, die hier entstand; so wuchs in uns der Wunsch, ebenfalls in diese Welt einzutauchen und dieser Musik unsere ganz eigene Note hinzuzufügen.

Ging es Euch nur darum, die extremste Art von Heavy Metal zu spielen?

CHRISTIAN: Sagen wir so: Uns faszinierte das Spiel mit den Extremen, die musikalische Achterbahnfahrt, das Annähern an und Überschreiten von Grenzen. Wir wollten vor allem intensive Stimmungen erzeugen, es ging nicht um das Extrem als unbedingte Notwendigkeit.

Wann habt Ihr letztlich entschieden, dass der Zeitpunkt, ein Demo aufzunehmen, gekommen war?

CHRISTIAN: Als wir der Meinung waren, Stücke geschrieben zu haben, die es wert waren, veröffentlicht zu werden. Die allerersten eigenen Songs sind dabei nicht auf dem Demo gelandet.

Zwischen dem ersten und zweiten Demo lagen gute 13 Monate. War das damals für Euch ein kurzer oder langer Zeitraum?

CHRISTIAN: Es war einfach ein notwendiger Zeitraum, in dem sich die Musik veränderte (mehr in Richtung Doom/ Death Metal) und in dem nicht zuletzt einige neue Bandmitglieder integriert werden mussten.

Vier Songs der beiden Demos sind auf dem Debüt gelandet. Waren Euch die restlichen Demo-Songs erst im letzten Jahr zur Wiederveröffentlichung der Demo-Kompilation gut genug?

CHRISTIAN: Eine hinterlistige Frage, haha. Nein, es war so, dass genau diese Songs unserer Meinung nach am besten zur Gesamtstimmung des ersten Albums passten. Hinter den anderen Stücken stehen wir nach wie vor, wir haben bspw. den Opener des ersten Demos (´Bringer Of Plague´) zuletzt noch live gespielt

Wollte Euer altes Plattenlabel ‚Massacre Records‘ nicht diese Re-Release machen?

CHRISTIAN: Offensichtlich nicht. Abgesehen davon gab es ein sehr gutes Angebot von ‚Century Media‘, und ich denke, es sind wertige und interessante Veröffentlichungen entstanden.

… und wieso kommt das neue Werk nicht über ‚Century Media‘ heraus?

CHRISTIAN: Es gab Gespräche, auch mit anderen Labels. Aus verschiedenen Gründen haben wir uns dann entschlossen, alles selbst in die Hand zu nehmen. Diese Vorgehensweise birgt Risiken, hat aber auch einige Vorteile. Letztendlich sind wir froh, bei diesem Album so entschieden zu haben.

Bei Eurem zweiten Werk habt Ihr Euch keine Grenzen gesetzt. Ihr wolltet damals alle Extreme ausloten, ohne an Death, Doom oder Prog zu denken. Seid Ihr bei Eurem aktuellen Werk wieder genauso an das Songwriting herangegangen?

CHRISTIAN: Exakt. Diese Band hat sich noch nie für Grenzen und Limitierungen interessiert, und es ist grundsätzlich erst einmal alles möglich. Natürlich darf man dabei nie den jeweiligen Song aus den Augen verlieren, aber ich denke wir beherrschen diesen Balanceakt ganz gut.

Aber Hand aufs Herz, jeder von Euch ist älter geworden, jeder hat in all den Jahren andere Musik gehört. Gab es keine grundlegenden Veränderungen von der Ansicht, Musik zu schreiben?

CHRISTIAN: Nein, eigentlich nicht. Wir arbeiten nach wie vor sehr unterschiedlich, manchmal entstehen zuerst die Lyrics, manchmal komponieren wir um ein cooles Riff herum, und es kam beim neuen Album sogar vor, dass zunächst das Ende eines Songs entstand (´From A Thousand Years Of Yore´).

Hat sich denn die Art und Weise des Komponierens bei Euch nach über 23 Jahren verändert?

HILTON: Das Wichtige an unseren Songwriting Sessions ist, dass der Kerngedanke und die Herangehensweise nahezu unverändert sind. Wir arbeiten Skizzen aus, die einem textlichen Konzept folgen, erarbeiten Riffs und kommunizieren währenddessen immer wieder die Möglichkeiten, die das Thema anbietet. Das ist ein nach wie vor hoch energetischer und zuweilen ziemlich rasanter Prozess, denn wenn wir einmal im Rausch des Prozedere sind, läuft es unaufhaltsam. Lediglich die Aufzeichnungsmethode der Rohentwürfe hat sich der Zeit angepasst.

… und hat sich das Songwriting-Gefüge innerhalb der Band geändert?

HILTON: Wir schreiben alle an den Songs mit. Manchmal überwiegen Anteile des Ein oder Anderen, wenn jemand dem Kaninchen ins Loch hinunter folgt, manchmal werden Dinge von anderen Bandmitgliedern ergänzt. Das harmoniert auf flexibelste Weise.

Sind alle neuen Kompositionen auf ´Midnight In The Void´ gelandet oder waren es, trotz dieser ausgeschöpften Albumlänge, nur die besten Songs?

CHRISTIAN: Es sind tatsächlich alle Songs, die wir geschrieben haben. Wir waren qualitativ von ihnen überzeugt, und glauben, dass trotz aller Unterschiedlichkeit ein gewisser Konsens vorhanden ist. Aber es gibt auch schon eine Menge weiterer Ideen, an denen wir weiter feilen werden.

Waren denn noch alte Songideen von früher übrig, die Ihr wieder aufgegriffen habt?

HILTON: Es waren ein paar Ideenfragmente übrig, die über die Jahre für nichts anderes als DARK MILLENNIUM hätten Verwendung finden können, aber der überwiegende Teil ist frisch. Manchmal geht es gar nicht um vorhandene Riffs, sondern um ganze Konzeptideen, die sich dann ihren Weg bahnen.

Welches textliche Konzept steckt hinter ´Midnight In The Void´?

CHRISTIAN: Es geht grundsätzlich um eine Reise in die menschliche Psyche und besonders das Unterbewusstsein. Mich interessiert, was da so vor sich geht, und wie diese Aktivitäten unser Denken und unser Handeln beeinflussen. Auf dem Cover von Alex Freund ist das Unterbewusstsein als Landschaft dargestellt, und in dieser Landschaft spielen die einzelnen Stücke, womit sich der Kreis des Albums schließt. Ich mag es, wenn alles – Cover, Texte, Musik – gemeinsam Sinn ergibt.

Gab es vorab auch ein musikalisches Konzept, dass das Werk einen gewissen Stimmungsablauf durchlaufen sollte?

CHRISTIAN: Würde ich so nicht sagen. Das einzige Konzept, welches wir hatten, war wenn schon Konzeptlosigkeit, womit ich wieder auf die Grenzenlosigkeit beim Songwriting hinweisen möchte. Wir möchten den Zuhörer auf eine Reise durch verschiedene Stimmungen mitnehmen, auf der alles möglich ist und bei der man nie weiß, was als Nächstes passiert.

In den letzten Song habt Ihr schließlich nochmals all Eure Progressivität gesteckt. Oder denke ich das nur aufgrund der Songlänge; hätten auch drei Songs aus diesem einen Song heraus entstehen können?

HILTON: Wir wollten ein Werk, das sich Zeit lässt, sowohl zur thematische Entfaltung als auch für möglichst viele Spielarten zu einem Thema, ähnlich Konzepten der klassischen Musik und wir genießen den Luxus, uns das erlauben zu können. Denn manchmal möchte man Musikstücke in deren Tiefen man sich ein wenig verlieren kann, vergleichbar mit einer Geschichte, der man zuhört.

Was waren denn Eure musikalischen Haupteinflüsse in 1992?

CHRISTIAN: Die waren schon damals sehr vielfältig. Neben dem ganzen Death Metal haben wir auch z.B. Rock, Grunge, teilweise Pop oder auch Film-Soundtracks gehört. Grundsätzlich halt alles, was uns irgendwie Besonders erschien.

Und welche sind es 2016?

CHRISTIAN: Das ist sehr unterschiedlich. Wir schätzen aber allgemein Musik, die sich nicht so leicht einordnen lässt und Überraschungsmomente bereithält. Jeder hat natürlich seine Favoriten, ich feiere z.B. gerade die neuen Alben von OATHBREAKER und DILLINGER ESCAPE PLAN, Bands halt, die an Grenzen gehen und bei denen man nie weiß, welcher Abgrund sich als nächstes auftun wird. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Musik den Zuhörer emotional erreichen sollte, ganz egal welchem Genre sie zuzuordnen ist.

Was hat eigentlich jeder von Euch in all den Jahren musikalisch angepackt?

CHRISTIAN: Verschiedenes. Ich habe noch in einigen Bands gespielt mit unterschiedlichen musikalischen Tendenzen, allerdings nie wieder mit der Konsequenz wie bei DARK MILLENNIUM.

HILTON: Ich habe einige Genres bereist, und mich auch an anderen Instrumenten und Gesang, sowie Produktion weiterentwickelt. Letzteres kommt uns heute bei unserer gemeinsamen Arbeit zu Gute. Es gab auch immer mal wieder Kooperationen einzelner Bandmitglieder, die aber meist stilistisch im Alternative Rock gelagert waren.

Gab es zur Trennung auch unterschiedliche Ansichten der weiteren musikalischen Ausrichtung?

CHRISTIAN: Das war eigentlich der hauptsächliche Grund für die Trennung. Die verschiedenen Ansichten hätten möglicherweise zu einem lauen Kompromiss geführt, und das wollten wir auf jeden Fall vermeiden. Abgesehen davon hatten wir mit ´Diana Read Peace´ zunächst alles gesagt, wir hatten zum Zeitpunkt der Trennung keine wirkliche Vision einer dritten Scheibe.

Könnte dies aktuell wieder passieren oder habt Ihr noch keinen Blick in die Zukunft geworfen?

CHRISTIAN: Die Wahrscheinlichkeit schätze ich als sehr gering ein, da wir uns in den letzten Jahren alle anderweitig ausgetobt haben, und jetzt einfach sehr genau wissen, was wir an DARK MILLENNIUM haben. Diese Band hat definitiv eine Zukunft.

Schön zu hören. Dennoch ist die Band wahrscheinlich heutzutage nur ein Hobby von jedem von Euch?

HILTON: Es ist durchaus mehr als das, da zwei von uns Musik zu ihrer Profession gemacht haben, und wir mit wachsender Infrastruktur und den neuen Herausforderungen eine Entwicklung nehmen, die mehr als je zuvor ausufern könnte. Aber das wird die Zeit beantworten.

Wie sehen Eure Planungen auf dem Live-Sektor aus? Wird es außer einzelnen Auftritten auch eine Art Tournee geben?

HILTON: Wir orientieren uns noch hinsichtlich möglicher Tourpläne, aber man wird uns definitiv bei so einigen Gelegenheiten live erleben können.

Die letzte Frage: Was seid Ihr? Eine Heavy Metal-Band? Eine Doom-Band? Eine Band der Avantgarde?

CHRISTIAN: Das müsst Ihr entscheiden, haha… ist es überhaupt wichtig? Nun, ich denke, klar ist, dass wir uns irgendwo in einer ´Metal-Welt´ aufhalten, aber welche Sparten wir da bedienen, ist sicherlich sehr unterschiedlich. Wir sind einfach eine Band, die – ähnlich wie ein ungewöhnlicher Film oder ein interessantes Buch – viele Überraschungsmomente bereithält, dabei aber versucht nicht völlig den Blick für das Wesentliche zu verlieren: die Emotionen, die vermittelt werden sollen.

Nein, auf die Sparte kommt es nicht an, denn Ihr seid DARK MILLENNIUM. Danke.

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